VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 59

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1. 50thBirthdar
jeden Parteigenossen immer zu sprechen; seine Kunst! größten Tei un dm Ainstande, daß die keinliche shatte lauten sollen, von der Regierung
bestand darin, sich als verläßlich zu erweisen, Freunde Scheidung nach politischen Prinzipien noch immer ein
zurückgezogen. Ministerpräsident Lukacs wollte
heißer Wunsch, ein Wunsch ohne Erfüllung ist. Das die Verpflichtung, die Wahlreform im Herbst dem
zu gewinnen, immer für die anbern einzutreten und
hemmt so vieles, und wie natürlich, erschwert es auch die
die Ueberzeugung zu wecken, daß er es ehrlich meine.
Hause zu unterbreiten und die Verhandlung der defini¬
Rolle eines Führers. So wird denn auch an der Bahre
wenn auch ohne Pathos, seiner Partei und dem
tiven Wehrreform bis dahin zurückzustellen, nur unter
Baron Chiaris' der dringende Ruf laut, der großen
Deutschtum die gebührende Stetlung zu sichern. Es ist
der Bedingung eingehen, wenn die Justhpartei sich auch
Pflichten eingedenk zu bleiben, die Deutschtum und
nicht der erste Fall.-daß Mediziner gute Politiker
verpflichtet hätte, das erhöhte Rekrutenkontingent für
werden; ihr Studiam lehrt sie, sich von Illusionen fern¬
Fortschritt zu erfüllen haben, über den augenblicklichen das laufen Jahr durchzulassen. Die Justhpartei er¬
K
Goptfegung des Romans „Zwischen zwei Mühl¬
gesetzt, heute nicht zu messen. Ich reiche ihm aber zum
zufrieden, fortan für einen Dichter gehalten zu werden.
steimen“ von Marie Stahl Seite 29 vom 15. Mai 1912.
Tage das Erinnerungszeichen meiner frühesten
In der Selbstverständlichkeit, mit der man von dem
Shätzung. Im Jahre 1893, bald zwanzig Jahre Dichter Artur Schnitzler sprach, lag der Reiz und der
sind es her, gab uns Artur Schnitzler seinen Wert des Lobes. Man umgab sich nicht einmal mit
Feuilleton.
„Anatol“, sein erstes Buch. Von der Anmut dieser
dem seither so verbilligten Ornat des großen Propheten
Szenen noch ganz frisch berührt, schilderte ich sofort
und erkühnte sich nicht, auf Grund des Gegebenen eiligst
Ein Erinnerungsblatt zum 50. Geburts¬
meine Empfindungen in einem Aufsatz, dessen; be¬
Welterschütterungen vorauszusagen — man hatte an
tage Artur Schnitzlers.
scheidentliche Bemerkungen, wie ich glaube, gleich dem
der schönen Gegenwart, an der Erfüllung, die sich gleich
In einem Herbakium oder in der Lileralürgeschche Anatol“ selbst, Geltung bewahrt haben. Trotzdem in ungewöhnlicher technischer Reife und Einsicht offen¬
muß man Ordnung halten. Die lebendige Kunst verlangt hätte ich die Oeffentlichkeit mit der Wiederholung nichtbarte, Freude und Genügen. Geist und Form der
das nicht. Ich kann mich nicht entschließen, einer belästigt, wenn daraus nicht manches für die Schnitzlerschen Dialoge glaubte ich am besten in Zitaten
runden Zahl zuliebe dem Dichter, der mit uns lebt und Psychologie der damaligen Zeit zu gewinnen wäre. darzustellen. Man erkennt heute wie damals ihre
zu uns spricht, Zettel und Zeichen wie einem Präparat] Man war in jenen Jahren noch nicht zur „Verrohung
ästhetische Vollendung.
aufzukleben, mit einer Legende zu dienen und zum Gruß des Lobes“ gelangt, die jüngst sehr treffend als ein
Ein zweites psychologisches Moment, gleichfalls
Merkmal unsrer Tage bezeichnet wurde. Das Lob in
und Dank anzumerken, in welche Klasse, Gattung,
allgemeinen Zeitcharakters, möchte ich in der Glossi¬
Spezies er zu rechnen ist. Jeder neue Geburtstag
jenen Jahren hatte noch eine gewisse Keuschheit und
rung meines ersten Schnitzler=Aufsatzes noch betonen.
eines Werkes von Artur Schnitzler gibt noch immer
Haltung und Gefaßtheit und war ruhig instrumentiert,
Ich lächle nun selbst darüber, daß mir Anatols
um so ruhiger, als die Kunst noch nicht das arge
Freude und verheißt Erfolg. Schnitzler, den Menschen,
moralische Verfassung im Anfang einiges zu schaffen
verehren seine Freunde, weil er, anders wie die meisten
Defizit aufzuweisen hatte, das heute durch maßlose
gab. Es ist heute eine literarische Sünde, auf Moral
Künstler von heute, still und in sich gekehrt an seiner
Uebertreibung und durch Indianergeheul verdeckt zu
zu reagieren. Damals war man aber selbst für Anatols
Vollendung fort und fort arbeitet, seine Gedanken
werden pflegt. Wenn jetzt einem Strebenden ein paar
durchbildet, seine Sprache immer noch veredelt, dem
Verse, Noten gelingen oder auch nicht gelingen, so begibt
grantsaben Bachien un der den Gesen¬
Marktgewühl der Zeit ausweicht, sich niemals vor der
sich die Kohorte der Liebediener sogleich in Kampf¬
konsequente Naturalismus mit allen seinen Konse¬
Menge erniedrigt, um im Preise zu steigen, und — ein stellung, trampelt die leifesten Bedenken nieder und
quenzen war eben erst auf dem Marsche. Seitdem
seltener Fall .— das Schwungrad der Reklame nicht donnert den Bedächtigen zu, daß erst späte Jahr¬
hat man noch ganz andre ethische Umwandlungen
sausen läßt. Er schafft und wird nicht geschäftig, er
hunderie den Ewigkeitswert jener Versuche erkennen
erfahren.
redet und wird nicht laut; seine gesammelten Werke,
werden — Versuche, die in Wahrheit schon der nächste
Zum Schluß streifte ich Loris — das war Hugo
die jetzt ausgegeben werden, zeigen von der inneren
Tag der Vergessenheit überantwortet. ... Der junge
v. Hofmannsthal. Mun glaubte an seine Genialität,
Sammlung des Menschen und des Künstlers. Kein
Arzt Dr. Artur Schnitzler schrieb sein erstes Buch, das und es kam mir schwer an, seinem Prolog zu „Anatol“
Vers, kein Satz, und scheine er noch so leicht, ist leicht= die engeren Freunde schon vorgekostet hatten. Nun mit Einwendungen zu begegnen. Heute blicke ich be¬
hin abgeworfen oder im Lechtsinn geformt. Wie tief nannte man ihn, ohne die Welt in Bestürzung zu ver¬ ruhigt auf meine Keckheit zurück. Denn Hugo von
er dringt, wie weit er schalt= ich habe mir doch vor= setzen, einfach einen Dichter, und Artur Schnitzler war Hofmannsthal, so weit er nicht Kavalier der Bühnen¬
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A/t Wirc Jugdlett
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