box 39/1
50th Birthdar
Nachrichten
wollen, aber er bewunderte und beneidete alle Begleitmusik. Schnitzler ist heiterer geworden,
ich den damals erschienenen „Schleier der
er
Beatrice“ bewundernd las und besonders
starken schönen Menschen, die nicht von des Ge= weil ja reife Menschen meist froher sind als junge,
voll unerfüllter Sehnsucht und voll Konflikte.
schöne Stellen angestrichen hatte, nahm er mir den
dankens Blässe angekränkelt, nicht die tausend
Stimmungen und Zweifel des Schaffenden kennen. Herr seiner Kunst, kennt er auch ihre Grenzen.
Band aus der Hand und blätterte in ihm. Da
In heiliger Scheu, fern jedem Dilettantismus
Mittelgroß, eher zur Fülle neigend, mit einem
lächelte er zustimmend und fortan plauderten wir
und dem Schein, schafft er nicht überhastete, wohl¬
über seine Arbeiten, wie es ihm und mir beliebte.
etwas weichen Gesicht, gütigen Augen und nach¬
durchbildete, abgerundet reife Werke. Und lächelnd
Die Familie Schnitzler ist eine Aerziedynastie.
denklich liebenswürdigem Lächeln leicht feminin,
kann er an seinem fünfzigsten Geburtstag wie¬
Der Vater war eine bekannte Kapazität, der ältere
ist Schnitzler durch und durch Wiener und in
derholen, was er vor zehn Jahren gesagt: „Ich
Sohn zählt zu den berühmtesten Chirurgen Wiens.
seinen Lebensgewohnheiten der etwas verwöhnte
fühle meine beste Zeit vor mir!“
die einzige Schwester vermählte sich mit einem
Mann aus gutem Haus. Nur in Wien fühlt er
Arzt. Auch Artur Schnitzler wählte die medi¬
sich dauernd heimisch, wenn er auch gern in Berlin
weilt, wo er vielfache interessante Beziehungen
zinische Laufbahn, doch ist er wohl immer mehr
sler
Künstler gewesen, und das viele Traurige, Hä߬
hat und in dem anregenden Kreise seines Ver¬
legers „Fischer“ verkehrt. Oesterreicher und
liche und Krankhafte, das er kennen lernte, hat
ihn bedrückt. Er sagte, der Einblick in mensch¬
Jude, von jener feinen, alten Kultur, wie man sie
liches Elend habe ihm viel Lebensfreude geraubt
unter Oesterreichs Juden zuweilen findet, ist er
und er müsse nun bei allen Leuten etwas Krankes
vielleicht gerade seiner Abstammung wegen dop¬
suchen; anderseits hat gewiß sein Arztberuf seinen
pelt empfindsam und zurückhaltend, mit Unrecht
ieh
Blick für die Tiefen geschärft. An seine Künstler¬
wurde ihm seine Exklusivität manchmal für Hoch¬
rohe
mut ausgelegt.
mission glaubend, hat er schon vor dem Erfolg die
Als „Lentnant Gustl“ unliebsames Auf¬
Karriere vernachlässigt, nur einige Privatgratis¬
sehen erregte und im „Freiwild“ das Duell
patienten behandelt und sich der Dichtkunst hinge¬
geben.
der Offiziere getadelt wurde, da hat man dem
Neben seiner täglichen, angestrengten, schrift¬
Dichter, der nur ein Problem künstlerisch ohne
Tendenz gestalten wollte, mit Unrecht vorgewor¬
stellerischen Arbeit bildet er sich weiter, liest viel
fen, er sei antimilitärisch gesinnt. Dieses Urteil
und lernt immer wieder an Goethe, Keller und
hat ihn gekränkt, weil er stets eine starke Sym¬
anderen Meistern des Stils. Mit Vorliebe be¬
pathie für die frische, unmittelbare Art des Sol¬
trieb er damals in der Jahrhundertwende histo¬
datenstandes gehegt und mit Vorliebe des eigenen
rische Studien, vertiefte sich in die Zeit der italie¬
Militärjohres gedachte. Die teils dummen Ur¬
nischen Renaissance, als er den „Schleier der
teile über seinen vielumstrittenen „Reigen“, die
Beatrice“ schuf, und planie an einem großen ge¬
erotischen Skizzen, waren ihm auch unlieb — nur
schichtlichen Werke, vielleicht unbewußt, schon an
dem Drängen seiner Freunde whr er gefolgt, als
dem „Jungen Medardus“ der im Jahre
B
1910 das Burgtheater, das die „Beatrice“ abge¬
er das in kleiner numerierter Zahl erschienene
wie
Bändchen. der Oeffentlichkeit übergab: ich be¬
lehnt, erobern sollte. Er wollte nicht nur als der
Dichter der Liebe und des Süßen Mädels gelten,
sitze noch ein solches Widmungsexemplar dieser
Skizzen, die gewiß nicht freier sind, als eine große
und, vierzig Jahre alt, sagte er: „Ich fühle meine
beste Zeit vor mir, ich wage mich jetzt auf weites,
Zahl gern gelesener, französischer Arbeiten dieser
Art.
historisches Gebiet!“ Der in der französischen
der
Ein echter Wiener ist Schnitzler auch in seiner
Revolution spielende Einakter „Der grüne
bad
Kakadu“ gehört zu seinen Lieblingsschöpfungen,
Begabung für Musik. Er hat als Junggeselle
ein genialer Einfall, in drei Tagen beinahe ohne
viele Jahre auf derselben Etage mit seiner Mut¬
Korrektur vollendet — wie schade, daß er so selten
ter eine behagliche Gargonwohnung innegehabt
mehr auf dem Spielplan erscheint!
und jeden Tag mit der von ihm verehrten, alten
Dame vierhändig musiziert. In Konzerten ist er
Schnitzler wäre kein Künstler, kein Sehnsüch¬
ein oft gesehener Gast und als er Anfang der
tiger, Unbefriedigter, wenn er nicht das ersehnte,
Ge¬
Vierziger heiratete, da führte er eine Frau heim,
was er nicht besitzt, und so sprach er oft davon, daß
all¬
die eine schöne Stimme hat. So singt und klingt;
er lieber ein eleganter, schneidiger Herrnreiter
nte
sein möchte, mit viel Muskelkraft und wenig Denk¬
es in dem hübschen Heim, das er draußen im
ab¬
gartengrünen Cottageviertel, fern vom Großstadt¬
hein
dem schöner Frauen Gunst holder lächelt, als dem getriebe, bewohnt und seine Kinder, ein kleiner
und
und Dichter. Gewiß würde er nicht ernstlich tauschen! Junge und ein Mädchen, zwitschern die fröhliche
50th Birthdar
Nachrichten
wollen, aber er bewunderte und beneidete alle Begleitmusik. Schnitzler ist heiterer geworden,
ich den damals erschienenen „Schleier der
er
Beatrice“ bewundernd las und besonders
starken schönen Menschen, die nicht von des Ge= weil ja reife Menschen meist froher sind als junge,
voll unerfüllter Sehnsucht und voll Konflikte.
schöne Stellen angestrichen hatte, nahm er mir den
dankens Blässe angekränkelt, nicht die tausend
Stimmungen und Zweifel des Schaffenden kennen. Herr seiner Kunst, kennt er auch ihre Grenzen.
Band aus der Hand und blätterte in ihm. Da
In heiliger Scheu, fern jedem Dilettantismus
Mittelgroß, eher zur Fülle neigend, mit einem
lächelte er zustimmend und fortan plauderten wir
und dem Schein, schafft er nicht überhastete, wohl¬
über seine Arbeiten, wie es ihm und mir beliebte.
etwas weichen Gesicht, gütigen Augen und nach¬
durchbildete, abgerundet reife Werke. Und lächelnd
Die Familie Schnitzler ist eine Aerziedynastie.
denklich liebenswürdigem Lächeln leicht feminin,
kann er an seinem fünfzigsten Geburtstag wie¬
Der Vater war eine bekannte Kapazität, der ältere
ist Schnitzler durch und durch Wiener und in
derholen, was er vor zehn Jahren gesagt: „Ich
Sohn zählt zu den berühmtesten Chirurgen Wiens.
seinen Lebensgewohnheiten der etwas verwöhnte
fühle meine beste Zeit vor mir!“
die einzige Schwester vermählte sich mit einem
Mann aus gutem Haus. Nur in Wien fühlt er
Arzt. Auch Artur Schnitzler wählte die medi¬
sich dauernd heimisch, wenn er auch gern in Berlin
weilt, wo er vielfache interessante Beziehungen
zinische Laufbahn, doch ist er wohl immer mehr
sler
Künstler gewesen, und das viele Traurige, Hä߬
hat und in dem anregenden Kreise seines Ver¬
legers „Fischer“ verkehrt. Oesterreicher und
liche und Krankhafte, das er kennen lernte, hat
ihn bedrückt. Er sagte, der Einblick in mensch¬
Jude, von jener feinen, alten Kultur, wie man sie
liches Elend habe ihm viel Lebensfreude geraubt
unter Oesterreichs Juden zuweilen findet, ist er
und er müsse nun bei allen Leuten etwas Krankes
vielleicht gerade seiner Abstammung wegen dop¬
suchen; anderseits hat gewiß sein Arztberuf seinen
pelt empfindsam und zurückhaltend, mit Unrecht
ieh
Blick für die Tiefen geschärft. An seine Künstler¬
wurde ihm seine Exklusivität manchmal für Hoch¬
rohe
mut ausgelegt.
mission glaubend, hat er schon vor dem Erfolg die
Als „Lentnant Gustl“ unliebsames Auf¬
Karriere vernachlässigt, nur einige Privatgratis¬
sehen erregte und im „Freiwild“ das Duell
patienten behandelt und sich der Dichtkunst hinge¬
geben.
der Offiziere getadelt wurde, da hat man dem
Neben seiner täglichen, angestrengten, schrift¬
Dichter, der nur ein Problem künstlerisch ohne
Tendenz gestalten wollte, mit Unrecht vorgewor¬
stellerischen Arbeit bildet er sich weiter, liest viel
fen, er sei antimilitärisch gesinnt. Dieses Urteil
und lernt immer wieder an Goethe, Keller und
hat ihn gekränkt, weil er stets eine starke Sym¬
anderen Meistern des Stils. Mit Vorliebe be¬
pathie für die frische, unmittelbare Art des Sol¬
trieb er damals in der Jahrhundertwende histo¬
datenstandes gehegt und mit Vorliebe des eigenen
rische Studien, vertiefte sich in die Zeit der italie¬
Militärjohres gedachte. Die teils dummen Ur¬
nischen Renaissance, als er den „Schleier der
teile über seinen vielumstrittenen „Reigen“, die
Beatrice“ schuf, und planie an einem großen ge¬
erotischen Skizzen, waren ihm auch unlieb — nur
schichtlichen Werke, vielleicht unbewußt, schon an
dem Drängen seiner Freunde whr er gefolgt, als
dem „Jungen Medardus“ der im Jahre
B
1910 das Burgtheater, das die „Beatrice“ abge¬
er das in kleiner numerierter Zahl erschienene
wie
Bändchen. der Oeffentlichkeit übergab: ich be¬
lehnt, erobern sollte. Er wollte nicht nur als der
Dichter der Liebe und des Süßen Mädels gelten,
sitze noch ein solches Widmungsexemplar dieser
Skizzen, die gewiß nicht freier sind, als eine große
und, vierzig Jahre alt, sagte er: „Ich fühle meine
beste Zeit vor mir, ich wage mich jetzt auf weites,
Zahl gern gelesener, französischer Arbeiten dieser
Art.
historisches Gebiet!“ Der in der französischen
der
Ein echter Wiener ist Schnitzler auch in seiner
Revolution spielende Einakter „Der grüne
bad
Kakadu“ gehört zu seinen Lieblingsschöpfungen,
Begabung für Musik. Er hat als Junggeselle
ein genialer Einfall, in drei Tagen beinahe ohne
viele Jahre auf derselben Etage mit seiner Mut¬
Korrektur vollendet — wie schade, daß er so selten
ter eine behagliche Gargonwohnung innegehabt
mehr auf dem Spielplan erscheint!
und jeden Tag mit der von ihm verehrten, alten
Dame vierhändig musiziert. In Konzerten ist er
Schnitzler wäre kein Künstler, kein Sehnsüch¬
ein oft gesehener Gast und als er Anfang der
tiger, Unbefriedigter, wenn er nicht das ersehnte,
Ge¬
Vierziger heiratete, da führte er eine Frau heim,
was er nicht besitzt, und so sprach er oft davon, daß
all¬
die eine schöne Stimme hat. So singt und klingt;
er lieber ein eleganter, schneidiger Herrnreiter
nte
sein möchte, mit viel Muskelkraft und wenig Denk¬
es in dem hübschen Heim, das er draußen im
ab¬
gartengrünen Cottageviertel, fern vom Großstadt¬
hein
dem schöner Frauen Gunst holder lächelt, als dem getriebe, bewohnt und seine Kinder, ein kleiner
und
und Dichter. Gewiß würde er nicht ernstlich tauschen! Junge und ein Mädchen, zwitschern die fröhliche