VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 75

Soth Birthdag box 39/1
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Abendzeitung
Leipzit
1 5. 3
SARRE
getraut. Aus dem Komödischen kam Schnitzler zur
die Scheinwelt des Salons die betlemmende Explo¬
Tragödie, aus der Dichtung amoureuser Wiener Ge¬
sion einer rein menschlichen Katastrophe.
Schnitzler.
Arthur Schn
schmeidigkeit, der Betrachtung einer galant=an¬
Der innerste Wesenskern seiner Dichtung ist Tra¬
Zum 15. Mai 1912, Schnitzlers fünfzigstem Geburtstag.
mutigen, leichtschürzig paradoxen und aphoristischen
gik. Leid am Leben, Bitterkeit der Welt gegenüber.
Welt zu großen Rundbildern des Menschlichen,
„Von Ludwig Ullmann (Wien).
Er hat freilich auch Komödien geschrieben. Aber=die
Wohl sind große Symbole und Symptome, bezeich¬
gaben immer einen irgendwie zerbrochenen Klang.
Man wird diesen feinen und stillen Dichter
nende Merkmale der ersten Jahre in diese neue und
einen gepreßten Ton, eine mesquine und satirische
chevaleskerer Dinge, amüsanten gesellschaftlichen
große Zeit Schnitzlers hinübergewachsen, so die immer
Ueberspitzung des Witzes eine Geberde der Komik,
Scheits, des undefinierbaren Airs mondäner Salons,
noch ein bißchen stilisierte Schwermut, die überlegte
deren diskrete Schüchternheit immer etwas Trau¬
des kischen Zaubers im Grün versunkener Villen,
Positur der Melancholie und die Nachdenklichkeit,
riges an sich hat. Und umgekehrt blitzt durch seine
einsamer Parke einmal mit Recht für einen Volks¬
die Reflexion der Trauer, dann die Motive vom
Tragödien oft und oft der krasse, irisierende Strahl
dichter halten. Denn in seiner Dichtung ist das
Puppenspiel und vom Puppenspieler, von der Welt
scharfen Witzes. Denn die Spiegelung der Welt,
Typische des heutigen Wien und der heutigen Wiener
als Theater und den Heroen und Tragikern als
die Schnitzler gibt, vereint alle ihre Seiten, die
Menschen mit seltener Plastik gezeigt. Gestalten,
Marionetten. Nur daß alles dies sich zu tieferer
hellen wie die dunklen und vergißt nie, daß das
die die Wirklichkeit dem Dichter blaß und verschwim¬
Absicht wandelte, zu inneren organisch bedingten
Leben selbst tragikomisch ist, grausam und blas¬
mend vorgehalten und die sie seiner strahlenden Re¬
Tendenzen seiner Kunst. Aus dem Spiel der
phemisch tragikomisch. Nie freilich ist das Pathos
produktion dann oft und oft nachgezeichnet hat in
Puppen wurde das Spiel des Schicksals, aus einer
der wirklich großen Dinge verzerrt, nie eine Linie
leichten, lustigen Imitationen. Da ist das „jüße
Pointe voll sinnreicher Pikanterie eine elementarer
zur Karikatur verschoben.
Mädl“, die fesche und lebenslustige Wiener Grisette,
Angelpunkt rein menschlicher Dramen.
Und mit den kühlsten und ebenmäßigsten Mitteln
der Don Juan der Jeunesse dores, der Lust auf den
Tad und Liebe stehen immer zu Beginn und am
ist Schnitzler immer ein Sänger des Rausches ge¬
Lippen und Weh im Herzen, melancholisch und senti¬
Ende seiner Werke. Aus ihrer Verquickung, ihrer
wesen, der Exaltation großer und heiliger Gluten
mental durch das Abendrot dessherbstlichen Praters,
Parallelisierung, ihrem Spiel und Widerspiel wächst
wie brennender Erotik Ohne in der Form extrem
über die frühlingsblauen Hänge des Wienerwalds
jedes Schnitzlersche Werk. In der letzten Zeit oft
zu werden. Im Gegenteil Als er Anfänger auf
wandelt, die verschollenen und im Spiel des Lebens
bis zu grausig schöner Klarheit, zu Akkorden von#
I der Ruhmesbahn war. hat die natürliche Schüchtern¬
zerbrochenen Existenzen, wie der gescheiterte Puppen¬
reiner, starker, doch beklemmender Kraft. Immer
heit seines Wesens oft und oft die Größe der Stoffe
spieler in dem bitter höhnischen kleinen Einakter
wieder schöpft Schnitzler den Gehalt unbewußt oder
und Probleme in kleine Formen gezwängt, sie spiele¬
gleichen Namens, die unheilbar Kranken die in
bewußt letzter Stunden aus, die gesteigerte Intensi¬
risch, mit einer Note anmutiger Blasiertheit ge¬
einer letzten Lebensspanne wehmütigstes Glück und
tät einer letzten und leidenschaftlichsten Liebe, der#
halten. fast skizzenhaft. Alle seine ersten Arbeiten
bittere Qual zusammenpressen, die sündigen Frauen
Ahnung vor dem Ende, des Spiels mit Dunkel und
sehen so aus. Der Zyklus des Anatol“ mit seiner
mit der jähen und wilden Kraft letzter Leiden¬
Ewigkeit.
Fülle von Geist und Grazie, die ersten Novellen und
schaften, die charakterschwachen Männer mit ihrem
Man könnte das Phänomen Schnitzler psycho¬
Dramen, „Leutnant Gustl“, die einstige Sensations¬
Hingegebensein an Weib und Wahn, die scharfen und
logisch zerlegen und fände mancherlei Componenten?
novelle.
die kinematographenartig effektvollen,
harten Meister des Lebens, kühle und stolze Rechner
seiner Kunst: den Juden mit der orientalisch wehen
moussierenden und ein wenig sentimentalen Szenen,
und Berechner, unter denen eine künstlerische
Schwermut, den Mediziner mit der Vertrautheit mit
der „Liebelei“, die dunkle Koloristik des „Schleiers
Titanenfigur aufragt, der Herr von Sala des „Ein¬
unerbittlich letzten Dingen, der kühlen Traurigkeit
der Beatrice". Um nur das Wichtigste zu nennen.
samen Wegs“, und dann die raisonierenden und
der Diagnose, den Wiener mit der lässigen Gebärde
Ein Letztes aber fehlt all diesen lieben und er¬
betrachtenden Freunde. kluge Charmeure der Liebe,
eines stilvollen Schönheitskults, den Philosophen
greifenden Wertchen, ein letzter Zusammenschluß von
die diskreten Kellner, die biederen Fiaker usw. Alles
und Psychologen mit dem seelen= und nervendurch¬
Vorwurf und Ausführung, die überzeugende, zwin¬
Extrakte des täglichen Lebens einer leicht und lässig
schauenden Blick mit der peinlich abwägenden Be¬
gende Geschlossenheit der Form wie des Gehalts.
dahinlebenden Stadt. aus ihrem tiefsten Grunde ge¬
urteilung sexueller Verwicklungen, abgerissen plötz¬
Und langsam und still ist Schnitzlers Kunst dann
holt, mit ihren tiefsten Säften verwoben, aus ihrem
licher Taten, geistiger Dämmerstunden.
zur Reife gediehen, in einem steten, selbstsicheren
rotesten Blute gespeist. Volksgestalten, wenn auch
Geliebt hat man Schnitzler in Wien immer und
Fortschreiten. Eines Tages erwachte man über einem
zum Teil aus einer höheren Schicht des Volkes ge¬
seit einiger Zeit ist er sogar Mode geworden. Man ##
neuen Buche Schnitzlers und fand den großen
holt. Ueberhaupt bedeutet dieses höhere Niveau
kann seine Stücke nun vor übervollen Häusern sehen
Dichter großer Menschlichkeiten. Denn wer hätte
seiner Kunst im Stoffl hen, ihr stilisierteres Milien
und sein heutiger Geburtstag wird mit viel Ge¬
dem graziösen Zündler des „Anatol“ die Tiefe und
keine Schädigung, am Ende gar Versüßlichung der
schäftigkeit gefeiert. Es wäre dazu viel zu sagen.
Stille des „Einsamen Wegs“, die Problematik und
Themen. Schnitzlers oft an gefochtene Gesellschafts¬
Denn Schnitzler hat diese Ehren verdient. Gerade
Weltphilosophie des „Weges ins Freie“ die virtuose
menschen, diese blasierten Poseure einer hohlen
um Wien verdient. Wie seine Kunst eine Spiege¬
Gefühlsakrobatik and wundervolle Melancholie des
Welt des Flimmers sind doch die Geschöpfe eines
lung und Vertiefung, eine dichterische Veredelung
„Zwischenspiel“, die harte herbe Tragik des „Ruf des
Dichters und eines großen Dichters. In einer oft
des nervösen modernen Großstadtlebens überhaupt
Lebens“, die balladeske Differenziertheit des „Me¬
unerquicklichen Atmosphäre der Konvention, in einer
ist, zugleich eine geistige Klärung und Beruhigung
dardus“, die oft groteske Kraft der Dramatik und
Verschlammung und Verwilderung des Rein=Mensch=
lichen zeigt er dieses umso leuchtender auch, fügt in 1 Psychologie, wie sie das „Weite Land“ bietet, zu= der Gegensätze und Verwicklungen dieses Milieus, so —
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