Doch dies geht uns hier nichts an; hier hat nur das Bild etwas zu suchen,
das doch eigentlich kein Bild ist: denn die Unendlichkeit, Klarheit, der Glanz,
den kein Auge aushält, des hellenischen Athers offenbart ja jedem fühlenden
Menschen wie einst dem frommen Pindar die Majestät des einigen unpersön¬
lichen Gottes.
Heiliges, himmlisches Licht,
Welche Namen auch immer dich rufen,
Golde
Du bist Mutter der Sonne, du gabst dem
Jenen Glanz, durch den es die Männer
Machtnoll dünket vor allem.
296
Alexander v. Weilen, Arthur Schnitzler.
Solche Grübelei, die fast zur Zwangsvorstellung ausartet, kann zu zwei
Extremen führen: der tollsten, selbstvergessenen Lebensbejahung, oder dem un¬
bedingten Fatalismus. Der erstere Weg war Schnitzler verschlossen seiner
innersten Natur nach und nur in der Form unbefriedigter Sehnsucht hat er
das Bild solcher glücklicher Naturen gezeichnet. Ein Paar, das seine Jugend
froh genießt und keines Endes denkt, es kehrt als Folie einer skeptisch leicht
angelegten, aber schicksalsschweren Neigung von der „Liebelei“ bis zum „Weg
ins Freie“ immer wieder. Wer auch so leben könntel seufzt der Dichter. Er
sucht mit Witz und Humor die bohrende Trostlosigkeit zu übertäuben, aber er
schlägt leicht in das Gegenbild der frohen Laune, in die Satire, um: darin
liegt wohl der Grund, daß Schnitzler bei all den reizenden Einfällen, die ihm
zuströmen, noch kein eigentliches Lustspiel geschrieben hat. Überzeugt vom Ende
alles irdischen Glücks kann ihm die Lust des Augenblicks so wenig gelten wie
das Wesen, das sie ihm verschafft hat. Schnitzler, der Erotiker, hat weder ein
wahrhaft liebendes Weib, noch einen wahrhaft liebenden Mann geschaffen,
wenn man sich an seine eigene Definition hält: „Lieben heißt für jemand
anderen auf der Welt sein.“ Nicht nur die Männer pflücken Blume um
Blume und werfen sie, noch eh ihr Duft entschwunden, verächtlich weg, als
wilde Despoten, in deren Armen die Auserkorene als „schlafende Sklavin“
ruht, auch die Frauen suchen ihre Befriedigung in einer einzigen heißen Um¬
armung, Damen der Gesellschaft wie Mädchen aus dem Volke, Geschöpfe un¬
mittelbarster Gegenwart wie Phantasiegebilde der Renaissance; selbst Anna im
„Weg ins Freie“ die von den Sinnen des Mannes zu seinem Herzen vorzu¬
dringen schien, sie muß sich damit zufrieden geben, eine Episode in seinem
Leben gewesen zu sein, wie es Christine für ihren Fritz war, wie Frau Berta
Garlan ihr Jugendideal nur als brutalen Genießer wiederfindet, wie sich Marie
im „Ruf des Lebens“ freudig in die Lust einer Nacht stürzt. Der Mann wie
auch die Frau, insofern sie nicht willenlos im Stärkeren aufgeht, sind Virtuosen
des Egoismus. Aber daß auch dieser das ersehnte Glück nicht bringen kann,
das beweist Schnitzler in seinem tiefsten und ergreifendsten Werke, dem „Ein¬
samen Weg“, der Mann und Weib in den verschiedensten Spielarten zur Tra¬
gödie des alternden, genußmüden Menschen, zur furchtbaren Einsamkeit führt.
Sie halten die Liebe nicht fest, sie glauben nicht an Freundschaft, die ihnen
nie mehr als ein guter Bringer von Stichworten war: jetzt stehen sie vor dem
Nichts und nehmen es entweder mit resignierter Weisheit auf sich wie der
Puppenspieler Georg Merklin, oder setzen den Schlußpunkt auf dieses öde
Dasein wie Herr von Sala. Eine Flucht, keine Befreiung liegt in solchem
Ende. Schnitzler versteht weder glühend zu lieben, noch leidenschaftlich zu hassen;
jedes seiner Gefühle wird in logischen Zergliederungen in seine feinsten Bestand¬
teile zerlegt; was er mit so großer Kunst in „Leutnant Gustl“ vorführt, die
kleinen Untertöne, die gegenüber einer großen, mächtigen Tatsache die Ober¬
hand im Gehirne gewinnen und über die beherrschende Vorstellung siegen, sie
stellen sich in ihm bei jeder dichterischen Vergegenwärtigung ein, sie machen seine
seelischen Analysen so subtil, aber auch oft kalt. Der Arzt, der gewohnt ist in
seinen Anamnesen auf die geringsten Symptome aus längst vergangenen Zeiten
das doch eigentlich kein Bild ist: denn die Unendlichkeit, Klarheit, der Glanz,
den kein Auge aushält, des hellenischen Athers offenbart ja jedem fühlenden
Menschen wie einst dem frommen Pindar die Majestät des einigen unpersön¬
lichen Gottes.
Heiliges, himmlisches Licht,
Welche Namen auch immer dich rufen,
Golde
Du bist Mutter der Sonne, du gabst dem
Jenen Glanz, durch den es die Männer
Machtnoll dünket vor allem.
296
Alexander v. Weilen, Arthur Schnitzler.
Solche Grübelei, die fast zur Zwangsvorstellung ausartet, kann zu zwei
Extremen führen: der tollsten, selbstvergessenen Lebensbejahung, oder dem un¬
bedingten Fatalismus. Der erstere Weg war Schnitzler verschlossen seiner
innersten Natur nach und nur in der Form unbefriedigter Sehnsucht hat er
das Bild solcher glücklicher Naturen gezeichnet. Ein Paar, das seine Jugend
froh genießt und keines Endes denkt, es kehrt als Folie einer skeptisch leicht
angelegten, aber schicksalsschweren Neigung von der „Liebelei“ bis zum „Weg
ins Freie“ immer wieder. Wer auch so leben könntel seufzt der Dichter. Er
sucht mit Witz und Humor die bohrende Trostlosigkeit zu übertäuben, aber er
schlägt leicht in das Gegenbild der frohen Laune, in die Satire, um: darin
liegt wohl der Grund, daß Schnitzler bei all den reizenden Einfällen, die ihm
zuströmen, noch kein eigentliches Lustspiel geschrieben hat. Überzeugt vom Ende
alles irdischen Glücks kann ihm die Lust des Augenblicks so wenig gelten wie
das Wesen, das sie ihm verschafft hat. Schnitzler, der Erotiker, hat weder ein
wahrhaft liebendes Weib, noch einen wahrhaft liebenden Mann geschaffen,
wenn man sich an seine eigene Definition hält: „Lieben heißt für jemand
anderen auf der Welt sein.“ Nicht nur die Männer pflücken Blume um
Blume und werfen sie, noch eh ihr Duft entschwunden, verächtlich weg, als
wilde Despoten, in deren Armen die Auserkorene als „schlafende Sklavin“
ruht, auch die Frauen suchen ihre Befriedigung in einer einzigen heißen Um¬
armung, Damen der Gesellschaft wie Mädchen aus dem Volke, Geschöpfe un¬
mittelbarster Gegenwart wie Phantasiegebilde der Renaissance; selbst Anna im
„Weg ins Freie“ die von den Sinnen des Mannes zu seinem Herzen vorzu¬
dringen schien, sie muß sich damit zufrieden geben, eine Episode in seinem
Leben gewesen zu sein, wie es Christine für ihren Fritz war, wie Frau Berta
Garlan ihr Jugendideal nur als brutalen Genießer wiederfindet, wie sich Marie
im „Ruf des Lebens“ freudig in die Lust einer Nacht stürzt. Der Mann wie
auch die Frau, insofern sie nicht willenlos im Stärkeren aufgeht, sind Virtuosen
des Egoismus. Aber daß auch dieser das ersehnte Glück nicht bringen kann,
das beweist Schnitzler in seinem tiefsten und ergreifendsten Werke, dem „Ein¬
samen Weg“, der Mann und Weib in den verschiedensten Spielarten zur Tra¬
gödie des alternden, genußmüden Menschen, zur furchtbaren Einsamkeit führt.
Sie halten die Liebe nicht fest, sie glauben nicht an Freundschaft, die ihnen
nie mehr als ein guter Bringer von Stichworten war: jetzt stehen sie vor dem
Nichts und nehmen es entweder mit resignierter Weisheit auf sich wie der
Puppenspieler Georg Merklin, oder setzen den Schlußpunkt auf dieses öde
Dasein wie Herr von Sala. Eine Flucht, keine Befreiung liegt in solchem
Ende. Schnitzler versteht weder glühend zu lieben, noch leidenschaftlich zu hassen;
jedes seiner Gefühle wird in logischen Zergliederungen in seine feinsten Bestand¬
teile zerlegt; was er mit so großer Kunst in „Leutnant Gustl“ vorführt, die
kleinen Untertöne, die gegenüber einer großen, mächtigen Tatsache die Ober¬
hand im Gehirne gewinnen und über die beherrschende Vorstellung siegen, sie
stellen sich in ihm bei jeder dichterischen Vergegenwärtigung ein, sie machen seine
seelischen Analysen so subtil, aber auch oft kalt. Der Arzt, der gewohnt ist in
seinen Anamnesen auf die geringsten Symptome aus längst vergangenen Zeiten