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5oth Birthdav
( aus:
WIENER CARICATUREN
19MAl19I·
729638
Österreichs und auch ihr poetischer Inter¬
ETHEATER.
pret, Artur Schnitzler, kann sich in Ehren
auf dem deutschen Parnaß sehen lassen.,
Artur Schnitler ist fünfzig Jahre
alt geworden und das deutsche Theater
hdt vollen Grund ihn zu feiern.
Er hat Geschmack und Grazie wie kein
zweiter deutscher Autor entwickelt und
namentlich dem Wienertum in wahrhaft
vornehmer Weise das theatralische Bürger¬
recht errungen.
Selbstverständlich ist vor allem
Bauernfeld der Kömödiendichter des
Wienertums gewesen, aber dieses ist eben
seit dem Ausbau der Ringstraße und
des FranzJosefs-Kais ein anderes ges
worden und hat in Schnitzler seinen
Interpreten gefunden.
Es ist ein wenig mehr Judentum dayin,
aber die Juden spielen eben in Wien
heute eine bedeutende Rolle und Börse,
Semmering, Karersee, Karlsbad
wollen auch in der Literatur zu Worte
kommen. Anatol ist ein jüdischer Ring¬
straßenjüngling, das charakteristische Ge¬
misch von Sentimentalität, Koketterie und
analytischem Verstand darbietend.
Natürlich heißt ein Wiener vom
Grund nicht Anatol, und Schnitzler hat
S eee
eben andeuten wollen, daß er keine
tum ersten Male. Dort stellt der Dichter das lschicksal nicht befürchten läßt. Will sie nach- heraustrat
Wiener vom Grund meint, sondern eben
süße Mädel in beabsichtigten Gegensatz zur her noch heiraten, so findet sich immer ein Ge= Charakter
jene Gesellschaft, die Ringstraße, Kai und Dame der bürgerlichen Gesellschaft, die ihren vatter Schneider oder Handschuhmacher, der Mädel wu
Semmering bevölkert. Es sind nicht die
Herzensneigungen gern gefolgt wäre, wenn sies ihr das nicht weiter nachträgt, worüber nach
del der G
wurde so
Hebbels strengerer norddeutscher Auffassung
den Mut aufgebracht hätte. Das „süße Mä¬
schlechtesten und untüchtigsten Elementel
aber sehr
„kein Mann hinwegkommt“. Ist Egmont von
del“ aber, das aus der Enge eines dürftigen
schen Typu
Haushaltes kommt, den es gewiß als Laden¬
der Szene getreten, so nimmt Brackenburg
Dichter de
freundwillig seine Stelle ein.
mamsell oder Kontoristin mit bestreiten hilft,
hat diesen Mut — oder diesen Leichtsinn —
Mädel“
Im Elternhause wird die „Bekanntschaft“
sicherten:
sganz wie man will.
freilich nicht gern gesehen, aber oft als etwas
Unvermeidliches hingenommen. Keineswegs
Dem süßen Mädel sitzt die unstillbare
it aus: Bremer Tagblatt
braucht das süße Mädel mit dem Verstoßen¬
Sehnsucht nach Liebe, mag sie auch
sergänglich sein wie die Schönheit eines Mai= werden zu rechnen. „Alles versteh'n, heißt
—
onntags im Wienerwald, tief im warmen alles verzeih'n“ und die Mutter der Mizzi oder
—
so verschlu
der Josefin hat wohl im Laufe der eintönigen
berzen; sie fragt nicht nach Schmuck, Toiletten
kleinbürgerlichen Ehejahre die kurzen Freuden Mädel zuf
der gar Automobil, und gänzlich fern liegt
Das süße Mädel.
ihrer Jugend nicht so vollständig vergessen, ausübte.
fihr der Wunsch nach einer eigenen Wohnung,
W. Wien, im Mai.
den Ideal ihrer Pariser Kollegin. Was sielum sie ihrer Tochter als Todsünden anzu=wort gewo
von dem Gefährten ihrer blühenden Tage ver=kreiden. Seltener findet sich der Vater drein, außer Gebe
Es stammt vom Gretchen ab, wenn auch
langt, das ist Liebe und wieder nur Liebe.
noch als F
und immerhin mag der alte Musikus in
mmanche Züge auf eine nahe Verwandtschaft
Tief beglückt ist sie, wenn sie an seinem Arme Schnitzlers „Liebelei“ mit seinem liebevoll=um vom sü
Imit dem Klärchen und auch mit der Luise
deutung re
Millerin hinweisen. Aber für Wien ist der über blumige Frühlingswiesen streifen kann, entschuldigenden Begreifen als Ausnahme
die Provin
&Typus von Arthen füplund führt „er“ sie des Abends in ein beschei=gelten, wenn auch seine Christine in der
auch das
Allemal festgelegt worden. In diesen Tagen, denes Gasthaus, so wird sie auf der Speise=Wärme und Ursprünglichkeit ihrer hingeben¬
schollen sein
den Empfindung die Reinkultur des „süßen
d er (am 15. Mai) seinen fünfzigsten Ge=karte gewiß gleich unten nachsehen, ww die
abertausen
burtstag begeht, mag es am Platze sein, eini= billigen Speisen verzeichnet sind. Daß „er“, Mädels“ darstellt. Ihre Gegenspielerin, die
Jeder Wie
der einer höheren Gesellschaftsklasse ent=heiter=kecke und so gar nicht sentimentale
ges über seine populärste Figur, über das
Schlagermizzi wäre in München, in Berlin,ses sich in
stammt, Offizier ist oder Beamter, Doktor
Wiener „süße Mädel“ zu sagen. Im „Anatol“,
in Köln ebensogut möglich — Christine ist Fremden of
oder wenigstens Student in späteren Seme¬
jener Sammlung lebensprühender Dialoge,
kind ist.
stern, sie niemals heiraten wird, daslceinstes Wiener Blut.
die 1893 erschien und deren einige in das stän¬
Indes hat der Begriff des süßen Mädels, suchen woll
dige Repertoire der deutschen Bühnen aufge=sweiß sie! Aber sie weiß auch, daß die nach¬
nommen worden sind, findet sich der Ausdruck'sichtige Auffassung ihres Kreises ein Gretchen= sobald er aus dem engen Kreise der Literatur blättrigen
SRRRS
5oth Birthdav
( aus:
WIENER CARICATUREN
19MAl19I·
729638
Österreichs und auch ihr poetischer Inter¬
ETHEATER.
pret, Artur Schnitzler, kann sich in Ehren
auf dem deutschen Parnaß sehen lassen.,
Artur Schnitler ist fünfzig Jahre
alt geworden und das deutsche Theater
hdt vollen Grund ihn zu feiern.
Er hat Geschmack und Grazie wie kein
zweiter deutscher Autor entwickelt und
namentlich dem Wienertum in wahrhaft
vornehmer Weise das theatralische Bürger¬
recht errungen.
Selbstverständlich ist vor allem
Bauernfeld der Kömödiendichter des
Wienertums gewesen, aber dieses ist eben
seit dem Ausbau der Ringstraße und
des FranzJosefs-Kais ein anderes ges
worden und hat in Schnitzler seinen
Interpreten gefunden.
Es ist ein wenig mehr Judentum dayin,
aber die Juden spielen eben in Wien
heute eine bedeutende Rolle und Börse,
Semmering, Karersee, Karlsbad
wollen auch in der Literatur zu Worte
kommen. Anatol ist ein jüdischer Ring¬
straßenjüngling, das charakteristische Ge¬
misch von Sentimentalität, Koketterie und
analytischem Verstand darbietend.
Natürlich heißt ein Wiener vom
Grund nicht Anatol, und Schnitzler hat
S eee
eben andeuten wollen, daß er keine
tum ersten Male. Dort stellt der Dichter das lschicksal nicht befürchten läßt. Will sie nach- heraustrat
Wiener vom Grund meint, sondern eben
süße Mädel in beabsichtigten Gegensatz zur her noch heiraten, so findet sich immer ein Ge= Charakter
jene Gesellschaft, die Ringstraße, Kai und Dame der bürgerlichen Gesellschaft, die ihren vatter Schneider oder Handschuhmacher, der Mädel wu
Semmering bevölkert. Es sind nicht die
Herzensneigungen gern gefolgt wäre, wenn sies ihr das nicht weiter nachträgt, worüber nach
del der G
wurde so
Hebbels strengerer norddeutscher Auffassung
den Mut aufgebracht hätte. Das „süße Mä¬
schlechtesten und untüchtigsten Elementel
aber sehr
„kein Mann hinwegkommt“. Ist Egmont von
del“ aber, das aus der Enge eines dürftigen
schen Typu
Haushaltes kommt, den es gewiß als Laden¬
der Szene getreten, so nimmt Brackenburg
Dichter de
freundwillig seine Stelle ein.
mamsell oder Kontoristin mit bestreiten hilft,
hat diesen Mut — oder diesen Leichtsinn —
Mädel“
Im Elternhause wird die „Bekanntschaft“
sicherten:
sganz wie man will.
freilich nicht gern gesehen, aber oft als etwas
Unvermeidliches hingenommen. Keineswegs
Dem süßen Mädel sitzt die unstillbare
it aus: Bremer Tagblatt
braucht das süße Mädel mit dem Verstoßen¬
Sehnsucht nach Liebe, mag sie auch
sergänglich sein wie die Schönheit eines Mai= werden zu rechnen. „Alles versteh'n, heißt
—
onntags im Wienerwald, tief im warmen alles verzeih'n“ und die Mutter der Mizzi oder
—
so verschlu
der Josefin hat wohl im Laufe der eintönigen
berzen; sie fragt nicht nach Schmuck, Toiletten
kleinbürgerlichen Ehejahre die kurzen Freuden Mädel zuf
der gar Automobil, und gänzlich fern liegt
Das süße Mädel.
ihrer Jugend nicht so vollständig vergessen, ausübte.
fihr der Wunsch nach einer eigenen Wohnung,
W. Wien, im Mai.
den Ideal ihrer Pariser Kollegin. Was sielum sie ihrer Tochter als Todsünden anzu=wort gewo
von dem Gefährten ihrer blühenden Tage ver=kreiden. Seltener findet sich der Vater drein, außer Gebe
Es stammt vom Gretchen ab, wenn auch
langt, das ist Liebe und wieder nur Liebe.
noch als F
und immerhin mag der alte Musikus in
mmanche Züge auf eine nahe Verwandtschaft
Tief beglückt ist sie, wenn sie an seinem Arme Schnitzlers „Liebelei“ mit seinem liebevoll=um vom sü
Imit dem Klärchen und auch mit der Luise
deutung re
Millerin hinweisen. Aber für Wien ist der über blumige Frühlingswiesen streifen kann, entschuldigenden Begreifen als Ausnahme
die Provin
&Typus von Arthen füplund führt „er“ sie des Abends in ein beschei=gelten, wenn auch seine Christine in der
auch das
Allemal festgelegt worden. In diesen Tagen, denes Gasthaus, so wird sie auf der Speise=Wärme und Ursprünglichkeit ihrer hingeben¬
schollen sein
den Empfindung die Reinkultur des „süßen
d er (am 15. Mai) seinen fünfzigsten Ge=karte gewiß gleich unten nachsehen, ww die
abertausen
burtstag begeht, mag es am Platze sein, eini= billigen Speisen verzeichnet sind. Daß „er“, Mädels“ darstellt. Ihre Gegenspielerin, die
Jeder Wie
der einer höheren Gesellschaftsklasse ent=heiter=kecke und so gar nicht sentimentale
ges über seine populärste Figur, über das
Schlagermizzi wäre in München, in Berlin,ses sich in
stammt, Offizier ist oder Beamter, Doktor
Wiener „süße Mädel“ zu sagen. Im „Anatol“,
in Köln ebensogut möglich — Christine ist Fremden of
oder wenigstens Student in späteren Seme¬
jener Sammlung lebensprühender Dialoge,
kind ist.
stern, sie niemals heiraten wird, daslceinstes Wiener Blut.
die 1893 erschien und deren einige in das stän¬
Indes hat der Begriff des süßen Mädels, suchen woll
dige Repertoire der deutschen Bühnen aufge=sweiß sie! Aber sie weiß auch, daß die nach¬
nommen worden sind, findet sich der Ausdruck'sichtige Auffassung ihres Kreises ein Gretchen= sobald er aus dem engen Kreise der Literatur blättrigen
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