VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 108

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5oth Birthdar
#.entd,
Steitin

Muster Willibald Alexis und Ernst von Wildenbruch liegen ja

ausnehmen muß): und das Motto „Frisch gestrichen!“ gibt im
seit geraumer eit im preußischen Archiv, — aber es ist unan¬
Sinne eines kategorischen Imperativs mehr in den Räumen der
fechtbar patriotisch. Doch die Weisheit des hier maßgebenden Re¬
Kunstabteilung des Berliner Polizeipräsidiums den Ton an, als in
gierungspräsidenten sieht selbst in jenen Ecken der Kunst Staub
der.
anderen Sälen und Zimmern, welche in Deutschland ähnlicher
und Schmutz, wo die Standarte des Monarchen aufgepflanzt ist.
st.
Bestimmung dienen. Gerade die Speisekarte der letzten Berliner
Und so ist auch hier ein „Veto“ ausgesprochen, — ist die Auffüh¬
hlands rüstete sich jüngst
Kunstbütteleien ist ja ebenso umfangreich, wie mit schwer verdau¬
rung des Dramas verhindert worden, weil die in diesem Festspiel
adt, ihren Arthur Schnitz¬
lichen und nach leicht übersehbaren Prinzipien zusammengestellten
an den Pranger der Geschichte gestellten Raubritter gewissen
urtstagsgirlande die Auf¬
Gerichten gefüllt. Man hat dem „Zweckverband Groß=Berlin“,
märkischen Adelsgeschlechtern zugehören, deren Nachkommen noch
stellte in die Mitte des
von den Litfaßsäulen der Hauptstadt herab, sein Agitationsplakat
heute existieren, — der Herr Regierungspräsident ist selbst solch
du“, in welchem der Blut¬
gepfändet, durch dessen figürliche Darstellung — ein abgezehrtes
ein Nachkomme — und sich durch diese historische Glosse auf ihre
lfer einer karnevalistischen
neben einem wohlgenährten Berliner Kinde — die unerbittliche
erlauchten Ahnherren chotiert fühlen könnten. Diese Episode ist in
herz und Ernst eine bunt
Wahrheitssagerin Käthe Kollwitz der großen Menge die dieser
ihren Wesenszügen von schönster Deutlichkeit; als Tragikomödie
honade der Tragik urplötz¬
bisher verborgene Tatsache mitzuteilen versuchte, daß im Zentrum
von unüberbietbarer Komik. Aber im Interesse der Festspiel¬
nhereindröhnt. An diesem
des drei Millionen=Nestes hunderttausende von Kindern luft= und
unternehmer, die ihre Kosten, der Schauspieler, die ihre Gagen
adt als Gratulant freilich
lichtdurstig, körperlich und seelisch verkümmert, neben einer Mino¬
haben wollen, ist es ja kinderleicht, dieser Anstößigkeit den Stachel
sicht um zu geben, fondern
rität in dieser Beziehung besser gestellten, großbürgerlichen Nach¬
zu nehmen. Man mache doch einfach den geschichtstreuen zu
En, die ihm auf dem Tische
wuchses dahinwelten. Man hat in Neu=Kölln, das vor kurzem
einem Fabelvorgang, etwa mit einem Sprung ins Symbolische.
rrufsig
noch Rixdorf hieß, dem Volkschor der „Freien Volksbühne“ Kar¬
Man verwandele die adeligen Raubritter, die sich unter das Joch
ing verbotener Gegenstände
freitagsaufführungen der Oratorien „Der heilige Franziskus“
der Hohenzollern beugen müssen, in zwar nicht mit der Chronik
üddeutschen Großstadt der
und „Die heilige Elisabeth“ verwehrt, trotzdem der Verfasser des
nachzuweisende, aber doch immerhin mögliche bürgerliche
her Federn beraubt, aus
letztgenannten, ehrwürdigen Chorwerkes der Abbé Franz Liszt ist
Raubritter. Man taufe diese Herren etwa auf die Namen: Wiemen
Kakadu. Der Zensor be¬
und in der brunstvollen Weihe und Langweiligkeit dieser Legende
Pachnicke, Scheidemann, Ledebour, Borchardt. Und ich schwule,
rthur Schnitzlers sich selbst
„gewiß keine der Weltanschauungen Frank Wedekindts oder Philipp
daß das „accipio“ des Regierungspräsidenten sofort per Apost
Poeten: denn er stilisierte
Scheidemanns zu entdecken sein dürfte. Man hat endlich, wieder
dasein, und daß er, der Präsident, mit Stentorstimme rujen wird:
sher von den „Adligen und
durch ein Zensorverbot, des verstorbenen Emil Rosenows vier¬
„Ihr da macht fort: das Spiel kann beginnen!“
d, die in der Taverne zum
Waltir Tupfeinsky.
aktiges Drama: „Die im Schatten leben“ gleichfalls der „Freien
nen lieben, wesentlich un¬
Volksbühne“ aus den Händen gerissen: dieses Werk, das unerbitt¬

gund Herren vom Hofe“
lich ist, wie das Leben; ohne jedes demagogische Tartarin=Pathos
Infarenwort, eine der ma߬
und seine Schicksalsfügungen nur dem harten „Muß“ der gang und
oteske: „Niemals kann der
gäben Lebensnotwendigkeiten unterstellend; und das in diesem
an der Leiche eines Her¬
Stil (der übrigens auch der Käthe Kollwitz=Stil ist), das moralische
telle bekam Arthur Schnitz¬
und materielle Vergehen einer Hüttenarbeiterfamilic aus dem
nen Knebel in den Mund.
Dortmunder Gebiet al fresko malt. Man sieht also: Berlin in
m Hofton entsprechend, das
der Kunstwelt voran! Aber die Zensurbureaus ganz Deutsch¬
nid von einem „erstochenen“
lands, allein jene Kakaduepisode beweist es, gehen mit der guten
urde „getötet", nicht fi donc
Berliner Kameradin in gleichem Schritt und Tritt. Es ist die
m Letzten: jenes Zukunfts¬
Parole ausgegeben (eine jener Parolen, die man weniger hören,
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der unselige Schauspieler
als fühlen kann), sich bei allen den Männern, die plötzlich in der
ärmt, wenn er zu seiner
Politik, in der Ethik, in allen Sälen der Kultur offenkundig zur
r wollen von einem Kinde
Herrschaft des freien Wortes schwören, dadurch zu revanchieren,
mal geborenen Kindes eben¬
daß man sie bei ihrer empfindlichsten Stelle, nämlich an den Weich¬
ibt, wenn nicht der Ehering
teilen ihres Kunstempfindens packt. Sollten nicht da der „Gocthe¬
uuime unsittlich und hat nicht
bund", der „Verband deutscher Bühnenschriftsteller" und andere
n zu vermeiden, gebietet der
namhafte Literatur=Korps einige scharf geschliffene Pfeile auf jene
vornherein: „Jehn Se aus¬
Schützen zurückspringen lassen? Ich meine doch!
Aber ich kann noch besseres Beweismaterial für die Schilde¬
herbürgte Notiz aus Zensur¬
rung der gegenwärtigen Beziehung zwischen Zensur und Kunst bei¬
hauptstädtische Zensurbehörde
bringen. Ganz in der Nähe Berlins wird von politisch unbeschol¬
Leidenschaft gemachten Vor¬
tenster, märkisch=brandenburgischer Seite ein Freilichtspiel
sund Kunstdingen ein wenig
vorbereitet, dessen Zweck es ist, zur Feier des vor ca. 500 Jahren
B auch die wilden Zensoren
vollzogenen Einzug der Hohenzollern in die Mark, zu zeigen, wie
stler sind, als unsere Jagow,
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die gepanzerte Faust Friedrichs, des Burggrafen zu Nürnberg die
tder Berliner Zensurrotstift
Herrschaft der Raubritter, der Krachte und der Itzenplitz in
ser anderer deutscher Kunst¬
den des Münchener Kollegen 1 Scherben schlug. Man sieht, das ist nicht gerade oriainell: — die 1r