VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 115

Soth Birthdar
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Ausschnitt aus:
Das Forum,
vom: 1-JUA1912
Notizen.
Vom Enfug des Sterbens“.) 101. Wir Men¬
Schen müssen uns alse, um des Glückes leil¬
haftig zu werden, das schiefe Denken und dus
ewige Schielen nach dem Ted abgewöhnen.
102. Gegenwärtig haben wir in Oesterreich
einen einzigen grossen Dichter: Arthur
Schnitzler. Manchmal lesen wir ihm, selten
kaufen wirsegar seine Bücher, aber jüngst
wurde er fünfzig Jahre alt, und da feierten
wir ihn.
103. Der grösste Satiriker aller Zeiten war
###auch ein Oesterreicher: Jenann Nestroy.
Was für Geschichten machten wir mit ihm
neulich, als sich sein Todestag zum fünfzigsten
Male jährte!
104. Versteht man also, was wir unter
schiefem Denken meinen? Wir sollten den
Dichter wegen seiner Werke feiern, aber wir
müssen immer einen Gedenktag für seinen Tod
er kommt eder war schon da — haben, ehe
wir uns seiner erinnern. Und dabei müssen
wir immer runde Zahlen haben.
105. Wir sollten uns auch die Feier der
Geburtstage abgewöhnen. Was ist es auch für
eine besondere Sache, dass wir einmal ge¬
beren wurden? Was für einen Sinn hat es auch,
dass man einem ein langes Leben und Gesund¬
heit wünscht? Wobei wir doch alle wissen,
dass solch ein Wunsch eine leere Phrase be¬
deutet.
106. Langes Leben und die Gesundheit da¬
bei, das hängt nur von unserem Denken ab.
Und in unser ruhiges Denken fallen diese fata¬
len Glückwünsche, die uns sagen: Mensch, ge¬
denke des Todes!
107. Ein Mann, der von Bagdad kam, traf
unweit Damaskus ein seltsames Weib, das sei¬
nen Weg ebenfalls nach dieser Stadt zu nehmen,
schien. Der Mann erfuhr zu seinem Entsetzen,
dass es die Cholera sei, und diese sagte ihm,
dass ihr Allah befohlen habe, in Damaskus
fünfhundert Menschen zu töten. „Bin ich dar¬
unter?“ — „Nein, dich habe ich nicht zu töten.“
Da ging nun der Mensch in die Stadt, bei deren
Ter er sich von der Botin Allahs trennte. Am
nächsten Morgen begann schon das grosse Ster¬
ben. Nach vier Wechen verliess der Mann
Damaskus, und als er so seines Weges schritt,
siehe da, da kam ihm die Cholera nach. „Dug
hast das Gebet Allahs schön vollzegen“, sprach
er zu der Fürchterlichen, „du hättest fünfhun¬
dert Menschen löten sollen, allein es starben weit
über fünftausend.“ — „Nicht ven meiner
Hand,“ antwertete die Cholera, ich habe nur
fünfhundert getötel; die anderen slarben an
der Angst.“
108. Die Bakteriolegen sollten diese Mär
nie vergessen und uns stets daran erinnern, dass
die mikreskopisch kaum wahrnehmbaren Or¬
ganismen uns nur dann schaden können, wenn
wir selber geschwächt sind, und dass unsere
Schwäche wieder auf Gefühle der Furcht zu¬
rückzuführen ist.
109. Natürlich müssen wir uns auch vor Tor¬
beilen bewahren. Springe ich mit den Worten:
„Ich will leben“, vom vierten Stock auf die
Strasse, se werden meine Glieder zerschellen.
Und reiche ich einem Tuberkulesen die Hand,
se werde ich sie mir dann waschen.
110. Wir bergen in uns die verschiedensten
gesundheilsschädlichen Bakterien, aber sie tun
uns dech nichts, insclange wir selber krüftig
Sind.
g. I.
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