VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 118

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Soth Birthday
1281
Echo der Zeitungen
1282
Heim, das er draußen im gartengrünen Cottage¬
Dieser Dichter hat mit jugendlich=erotischen Einfach¬
viertel, fern vom Großstadtgetriebe, bewohnt, und
heiten begonnen und enthüllt Schicksalswege, bei
seine Kinder, ein kleiner Junge und ein Mädchen,
deren Verschlungenheit man sich der tiefsinnigen

zwitschern die fröhliche Begleitmusik. Schnitzler ist
Traumbilder in Hebbels Tagebüchern erinnert.
heiterer geworden, weil ja reife Menschen meist froher
(Felix Salten, Fremdenbl., Wien, 129.) Vgl. auch:
sind als junge, voll unerfüllter Sehnsucht und voll
Naoul Auernheimer (N. Fr. Presse, Wien, 17140);
Konflikten.“
Ludwig Steiner (Tagebl., Prag, 133); W. Fred
Daneben fällt manch feines Wort tiefer greifender
(Hannov. Courier 29886); Robert Hirschfeld (N.
Charakteristik des Künstlers: „Die Begriffe, Seele“,
Tagebl., Wien, 132); Alerander v. Weilen (Abend¬
„Liebe', Sterben“ gehören zum Hauptinventa“ von
post, Wien, 111); Willi Handl (Bohemia, Prag,
Schnitzlers Schaffen. Es gibt welche, die darüber
133); Fritz Droop (Danziger Ztg. 227); Hans
lächeln. Nun ja: die Seele ist ein weites Land; die
Wantoch (Generalanz., Frankfurt, 113 u. a. O.);
Liebe höret nimmer auf; sterben müssen wir alle. In
Marie Holger (Magdeb. Ztg. 247); Gustav Werner
diesen Begriffen erschöpft sich schließlich alle Dicht¬
Peters (N. Bad. Landesztg. 224); Stefan Gro߬
kunst. Nur daß sie keiner in so gedankenreicher und
mann (Berl. Tagebl. 243); Wiener Allg. Ztg.
anmutiger Form abwandelt wie Schnitzler. Jede
(10229); Vorwärts, Unterh.=Beil. (93): Wiener
Seele ist ihm ein neues Erlebnis, jede Liebe eine
Mittagsztg. (15. 5.); Österr. Volksztg., Wien (132);
neue Offenbarung, jedes Sterben ein neues Schicksa“.
N. Fr. Presse, Wien (17143).
Seine Erkenntnisse weisen ihn eigentlich auf die Epik.
Zahlreich sind die Besprechungen, die Schnitzlers
Aber es ist merkwürdig, wie sehr er auf dem Theater
neuem Werk „Masken und Wunder“ (S. Fischer,
seine Menschen meist ebenso scharf umrissen hinstellt
Verlag) zuteil geworden sind. Paul Zifferer schreibt
wie im Roman und in der Novelle.“ (N. Wiener
(N. Fr. Presse, Wien, 17147): „Der neue Novellen¬
Journal 6663.) „Arthur Schnitzler, als Wiener ein
tranz von Schnitzler gibt uns nicht das Leben selbst,
feinstes Zuchtwahlprodukt überreifer, herbstlicher
sondern das Prinzip des Lebens. Das wirkliche
Kultur; als deutscher Denker und Schwärmer ein
Leben dünkt uns abgerückt, in stolzer Distanz ge¬
Problematiker, der, wenn es Rätsel zu lösen gibt,
halten. All diese Erzählungen gefallen Iich in
sein mildes Gemüt, sein eigenes Mitleid nicht schonen
einem sanften, zarten Märchenton, wie durch einen
kann, als Jude mit einem unendlichen Heimweh, mit
Schleier hindurch folgen wir den Geschehnissen. Jul.
dem melancholischen Zweifel begabt, der selbst seine
Philipp Heergesell urteilt (Hamb. Corrcsp. 248):
unruhige Sinnlichkeit, selbst die Stunde des Taumels
„Wenn Schnitzler selber zugibt, daß Wunder in
und Genusses- trübt: dieser aus kostbaren Elementen
seinem Buche geschehen, so wolles wir es ihm nichts¬
zu einer Eigenheit ohnegleichen erwachsene Dichter
destoweniger bestreiten. Gehört es denn nicht gerade
hat selten in seinen Schöpfungen die robusten, gesund¬
zu den feinsten Reizen all seiner Arbeiten, daß alle
animalischen Menschen gesucht. Traf sie sein Auge,
Geschehnisse, selbst die unerhörtesten und abenteuer
so wußte sie sein scharfer Blick auch zu umfassen, und
lichsten, vollkommen gesetzmäßig vor sich gehen?
hinter dem leichten Schleier einer gütigen Ironie
Was tut es, daß es die Gesetze des Traumes, die
leben sie sich aus. Aber Fleisch und Blut von Schnitz¬
Gesetze einer fremden überirdischen Welt sind? In
lers Seele sind die feinbenervten melancholischen
dieser schnitzlerschen Welt sind sie keine Wunder, son¬
Naturen, die Fragen ohne Antwort, die Untreuen,
dern Ereignisse von innerster Wahrhaftigkeit; ein
die die Treue suchen, die vom Tod Geküßten, die
dämonischer Zwang steckt in ihnen. — Dazu fällt ins
das Leben allein lieben.“ (Hermann Kienzl, N.
Gewicht, was Alfred Klaar (Voss. Ztg. 246) fest¬
Tagebl., Stuttgart, 120.)
„Seine Welt enthält
stellt: „Aber da ist auch etwas Neues, was in der
merkwürdige Verknüpfungen. Schon in der „Liebelei¬
bisherigen Produktion Schnitzlers, vielleicht nur im
Schleier der Beatrice" vorbereitet scheint: eine düstere
zeigt sich diese merkwürdige Art, weit auseinander
lebende Eristenzen durch unsichtbare Fäden zu ver¬
Phantastik, die, mit großer Virtuosität zur Wirklich¬
keit erhoben, bei aller Milde des Vortrags den Ein¬
binden. Der junge Mann, der das kleine Vorstadt¬
mädchen liebt, stirbt für eine mondäne Frau, die er
druck der Trostlosigkeit macht, ein fast grausames
Vergnügen, durch Märchen und Halbmärchen, die
gar nicht mehr lieb hat. Christine sieht den Mann,
kondensiertes Leben enthalten, das Mysterium der
dem sie ihre erste Neigung geschenkt hat, für eine
andere in den Tod gehen. An die Nache eines Eifer¬
Erotik, zumal das der Weiblichkeit psychologisch und
süchtigen und an die Delirien eines sterbenden Greises
physiologisch derart bloßzulegen, daß das Elemen¬
tarische des Unterbewußtseins die Oberhand behält
sind im „Ruf des Lebens' alle Schicksale des jungen
und daß aus allen Geschichten zuletzt das letzte
Menschen des Dramas gebunden. Der Professor im
Wort des schillerschen Talbot herauszutönen scheint:
„Einsamen Weg“ sieht seine Frau sterben, seine
„die Einsicht in das Nichts und die herzliche Ver¬
Tochter in Selbstmord enden, sein ganzes Dasein
achtung alles dessen, was uns erhaben scheint und
stürzt zusammen, und da erst, am Ende aller Dinge,
wünschenswert“. Vgl. auch: Norbert Falk (B. Z.
hört er sich von seinem Sohn Vater“ angerufen,
mit einem Klang der Echtheit, mit einem Akzent der
a. Mittag 113); Robert Saudek (N. Wiener Joup¬
Seele, als habe er das Wort Vater nie vernommen.
nal 6666).
Hört es von seinem Sohn, der gar nicht sein Sohn
ist. Der Komödiant in der Schenke zum „Grünen
Zur deutschen Literatur
Kakadu tragiert vor dem noblen Publikum seine
Wilhelm v. Scholz schreibt (Tag 118) über K.
Ph. Moritz' Roman Anton Reiser“ und weist da¬
hingerissen und ermordet den Prinzen von Chartres,
der ihn betrogen hat. Aber im selben Augenblick
bei auf die beiden neu erschienenen Ausgaben hin:
bricht auch von der Straße her die Brandung der
„Heute liegt der „Anton Reiser' vor: in einer ent¬
Revolution in die Schenke. Dort draußen ist soeben
zückenden kleinen, dem Original in Ausstattung und
die Bastille erstürmt worden. Jener Komödiant hat
Type nachgebildeten, mit alten Porträten und Titel¬
also nicht in vereinzelter Naserei den Degen geführt.
vignetten geschmückten zweibändigen Ausgabe von
Die Auflehnung, die unter den Bedrückten umher¬
Dr. F. B. Hardt (bei Georg Müller, München) und
in einem von Heinz Schnabel edierten billigeren
ging, hat in ihm ihre Hand erhoben wie draußen in
den vielen, vielen anderen. Und der Komödiant hat
Druck, der auch einige von Moritz selbst nicht in
den Roman aufgenommene Reiser=Aufzeichnungen
zugestoßen, nicht so sehr, weil er den Zorn der Eifer¬
erneuert (bei M. Mörike, München).“ — Die Frage
sucht empfand, sondern weil die Stunde erfüllt war.