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Soth Birthdav
„Gefährtin“; nach dem Bestand der Schönheit seinen Menschen die raffinierte Vertiefung in sich
gewollten Genusses im „Schleier der Bea=selbst, die bis zur äußeren Unbeweglichkeit entartet.
nach der Wirklichkeit und dem Bestand des Sie wissen von sich, ihrem Leben und Lebenwollen
so erstaunlich, so unaufhörlich viel, daß dieses Wis¬
hen Erlebnisses im „Reigen“. Und im „Einsamen
endlich, der. reichsten und bedeutendsten seiners sen ihre Instinkte fast ganz verzehrt und keinen An¬
n, werden die hochsten Lebenswerte dieses zu trieb zur Aktion übrig läßt. Nur einmal hat ihn, wie
kultivierten Bürgertums gegeneinander abge= in bewußtem Widerspruch gegen seine innersie Natur,
der „Ruf des Lebens“ verlockt, seine Kunst in die
bange Zweisel prüfen jedes Glück und finden
Hitze und den Feuerschein vulkanisch ausbrechender
u leicht, das nicht auf der warmen Nähe guter
dramatischer Wirkungen zu stellen. Und wie in
hen ruht. Eine grausame Angst vor der Ver¬
zwangvoller Bestätigung seiner innersten Natur ent¬
eit, vor den Tücken eines ungreifbaren Schick¬
quillt auch da wiederum das reinere Licht und die
tflieht da in den erträumten Schutz eines ide¬
lebendigere Wärme nur den zarten, schüchtern schweig¬
Busammenseins. Die Unstetigkeit in der Welt
samen Menschlichkeiten; alles andere bleibt Theater¬
e Treue zum Haus, diese Erbschaft der jüdi¬
feuer. Was sich, in anderer Form, aber mit derselben
Seele, spricht hier, in Schnitzlers tiefster Dich¬
beweisenden Kraft, in seinem „Medardus“ wieder¬
nit der stärksten und klarsten Stimme.
holt, dieser so wunderlich aus feinster Genrezeichnung,
Pas er, als assimilierter Wiener, seiner Krast
tatfremder Psychologie und bombastischem Puppen¬
passung und wieder seiner Fremdheit gegen die
spiel zusammengefügten Historie.
den“ dankt, ist klar: zunächst den Stil und
Aber mit seiner Gabe, auf dem schmalen Gebiet
iner Werke, dieses sublimierte Wienertum;
einer bewegungsarmen Handlung möglichst tief und
aber, auf der anderen Seite, die un¬
möglichst scharf in die Seelen der Handelnden schauen
bare Distanz, die ihn erst befähigt, die¬
zu lassen, ist Schnitzler auch der geborene Novellist.
kil zu bilden, dieses Wienertum zu subli¬
Und in der Tat wird ihn heute kaum ein Meister der¬
. Nur als Wiener eines anderen Stam¬
psychologischen Erzählung übertreffen. Nur schade,
bar er imstande, der Dichter der Wiener Bour¬
daß auch seine Dramen fast durchaus diesen novellisti¬
zu werden; denn unsere echtgeborene Bour¬
schen Zug beibehalten, wo nicht die Kraft des Witzes
hat, wie fast jede andere, die sonderbare Eigen¬
oder der Dialektik die Vehemenz der Aktion ersetzen
daß sie sich selbst nicht künstlerisch sehen und
nden kann. Und wer weiß, wie mächtig und kann. Das geht so weit, daß er, wo die Fabel reicher,
das äußere Leben bewegter werden soll, den Stoff,
tifend er das, wofür er geschaffen zu sein scheint,
ganz wie im Roman, von verschiedenen Seiten zu¬
n könnte, wäre nicht, als eine weitere fatale
hhaft seines Blutes, die fanatische Liebe zum gleich angreifen, die Motive nebeneinander ordnen
der Person und doch auch die unfrohe Scheu muß, bevor er sie dramatisch verknotet. Das sind die
llem stark Lebendigen in ihm. Das gibt allenlentscheidenden Mängel im „Schleier der Beatrice“
und im „Einsamen Weg“; sie haben seinerzeit den
Erfolg bei der unvorbereiteten Zuschauermenge be¬
einträchtigt. Und sie haben. naturgemäß den Erfolg
seines großen Romanes „Der Weg ins Freie“ ent¬
schieden; in dieser schrankenlosen Auseinandersetzung
des Dichters mit seinen tiefsten Zweifeln und Beun¬
ruhigungen triumphiert endlich mit aller Entschieden¬
heit die üppig wuchernde Dialektik, drängt die Hand¬
lung und selbst die Psychologie hinter sich und gibt
sich so frei und notwendig und eigenberechtigt, daß
sie — wunderbarerweise — wie ein Stück Natur er¬
scheint. In der kühnen Offenbarung seiner Schwä¬
chen liegt die erstaunliche Stärke dieses Romanes.
Stark ausschreiten und in gerader Linie die
Bahn vollenden, das kann die sorgsam tastende Nach¬
denklichkeit dieses Dichters nicht. So bleibt es zumei##
bei Feinheit, Stille und Tiefe; die gewaltige Span¬#
nung der Kraft, die das Drama wie ein selbständiges
naturgeborenes Stück Leben aus sich herausschleudert,
die fehlt fast immer. Sie fehlt auch in seiner feinsten
Komödie, dem „Zwischenspiel“. Ja, hier rücken die
Personen noch ängstlicher, noch näher als sonst zu¬
sammen, verkehren sozusagen nur Seele an Seele
miteinander; jedes äußere Geschehen ist bis auf ge¬
ringste Spuren verwischt und ausgelöscht. Dieses
Drama ist zweifellos eines der subtilsten der ganzen
modernen Literatur. Von seinen anderen Stücken
mag eines reicher, eines stärker, manches lebendiger,
vielleicht selbst tiefer sein. Dieses ist sicherlich sein
durchsichtigstes, reinstes und vornehmstes. Man wird
an ihm — wenn an keinem anderen — erkennen müs¬
sen, daß heute kaum ein deutscher Dichter es wie
Schnitzler versteht, aus dem ungreifbarsten Material,
aus den Bewegungen wohlgebildeter Seelen Kunst¬
Willi Handl.
werke aufzubauen.
—
Soth Birthdav
„Gefährtin“; nach dem Bestand der Schönheit seinen Menschen die raffinierte Vertiefung in sich
gewollten Genusses im „Schleier der Bea=selbst, die bis zur äußeren Unbeweglichkeit entartet.
nach der Wirklichkeit und dem Bestand des Sie wissen von sich, ihrem Leben und Lebenwollen
so erstaunlich, so unaufhörlich viel, daß dieses Wis¬
hen Erlebnisses im „Reigen“. Und im „Einsamen
endlich, der. reichsten und bedeutendsten seiners sen ihre Instinkte fast ganz verzehrt und keinen An¬
n, werden die hochsten Lebenswerte dieses zu trieb zur Aktion übrig läßt. Nur einmal hat ihn, wie
kultivierten Bürgertums gegeneinander abge= in bewußtem Widerspruch gegen seine innersie Natur,
der „Ruf des Lebens“ verlockt, seine Kunst in die
bange Zweisel prüfen jedes Glück und finden
Hitze und den Feuerschein vulkanisch ausbrechender
u leicht, das nicht auf der warmen Nähe guter
dramatischer Wirkungen zu stellen. Und wie in
hen ruht. Eine grausame Angst vor der Ver¬
zwangvoller Bestätigung seiner innersten Natur ent¬
eit, vor den Tücken eines ungreifbaren Schick¬
quillt auch da wiederum das reinere Licht und die
tflieht da in den erträumten Schutz eines ide¬
lebendigere Wärme nur den zarten, schüchtern schweig¬
Busammenseins. Die Unstetigkeit in der Welt
samen Menschlichkeiten; alles andere bleibt Theater¬
e Treue zum Haus, diese Erbschaft der jüdi¬
feuer. Was sich, in anderer Form, aber mit derselben
Seele, spricht hier, in Schnitzlers tiefster Dich¬
beweisenden Kraft, in seinem „Medardus“ wieder¬
nit der stärksten und klarsten Stimme.
holt, dieser so wunderlich aus feinster Genrezeichnung,
Pas er, als assimilierter Wiener, seiner Krast
tatfremder Psychologie und bombastischem Puppen¬
passung und wieder seiner Fremdheit gegen die
spiel zusammengefügten Historie.
den“ dankt, ist klar: zunächst den Stil und
Aber mit seiner Gabe, auf dem schmalen Gebiet
iner Werke, dieses sublimierte Wienertum;
einer bewegungsarmen Handlung möglichst tief und
aber, auf der anderen Seite, die un¬
möglichst scharf in die Seelen der Handelnden schauen
bare Distanz, die ihn erst befähigt, die¬
zu lassen, ist Schnitzler auch der geborene Novellist.
kil zu bilden, dieses Wienertum zu subli¬
Und in der Tat wird ihn heute kaum ein Meister der¬
. Nur als Wiener eines anderen Stam¬
psychologischen Erzählung übertreffen. Nur schade,
bar er imstande, der Dichter der Wiener Bour¬
daß auch seine Dramen fast durchaus diesen novellisti¬
zu werden; denn unsere echtgeborene Bour¬
schen Zug beibehalten, wo nicht die Kraft des Witzes
hat, wie fast jede andere, die sonderbare Eigen¬
oder der Dialektik die Vehemenz der Aktion ersetzen
daß sie sich selbst nicht künstlerisch sehen und
nden kann. Und wer weiß, wie mächtig und kann. Das geht so weit, daß er, wo die Fabel reicher,
das äußere Leben bewegter werden soll, den Stoff,
tifend er das, wofür er geschaffen zu sein scheint,
ganz wie im Roman, von verschiedenen Seiten zu¬
n könnte, wäre nicht, als eine weitere fatale
hhaft seines Blutes, die fanatische Liebe zum gleich angreifen, die Motive nebeneinander ordnen
der Person und doch auch die unfrohe Scheu muß, bevor er sie dramatisch verknotet. Das sind die
llem stark Lebendigen in ihm. Das gibt allenlentscheidenden Mängel im „Schleier der Beatrice“
und im „Einsamen Weg“; sie haben seinerzeit den
Erfolg bei der unvorbereiteten Zuschauermenge be¬
einträchtigt. Und sie haben. naturgemäß den Erfolg
seines großen Romanes „Der Weg ins Freie“ ent¬
schieden; in dieser schrankenlosen Auseinandersetzung
des Dichters mit seinen tiefsten Zweifeln und Beun¬
ruhigungen triumphiert endlich mit aller Entschieden¬
heit die üppig wuchernde Dialektik, drängt die Hand¬
lung und selbst die Psychologie hinter sich und gibt
sich so frei und notwendig und eigenberechtigt, daß
sie — wunderbarerweise — wie ein Stück Natur er¬
scheint. In der kühnen Offenbarung seiner Schwä¬
chen liegt die erstaunliche Stärke dieses Romanes.
Stark ausschreiten und in gerader Linie die
Bahn vollenden, das kann die sorgsam tastende Nach¬
denklichkeit dieses Dichters nicht. So bleibt es zumei##
bei Feinheit, Stille und Tiefe; die gewaltige Span¬#
nung der Kraft, die das Drama wie ein selbständiges
naturgeborenes Stück Leben aus sich herausschleudert,
die fehlt fast immer. Sie fehlt auch in seiner feinsten
Komödie, dem „Zwischenspiel“. Ja, hier rücken die
Personen noch ängstlicher, noch näher als sonst zu¬
sammen, verkehren sozusagen nur Seele an Seele
miteinander; jedes äußere Geschehen ist bis auf ge¬
ringste Spuren verwischt und ausgelöscht. Dieses
Drama ist zweifellos eines der subtilsten der ganzen
modernen Literatur. Von seinen anderen Stücken
mag eines reicher, eines stärker, manches lebendiger,
vielleicht selbst tiefer sein. Dieses ist sicherlich sein
durchsichtigstes, reinstes und vornehmstes. Man wird
an ihm — wenn an keinem anderen — erkennen müs¬
sen, daß heute kaum ein deutscher Dichter es wie
Schnitzler versteht, aus dem ungreifbarsten Material,
aus den Bewegungen wohlgebildeter Seelen Kunst¬
Willi Handl.
werke aufzubauen.
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