VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 157

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Soth Birthday
die sich zu diesem Erinnerungstage einstellten, be¬ mehr Interesse entgegen, das wohl auch dem berech¬
findet sich auch unser Theater mit der Veranstaltung
tigten Wunsche entsprang, dieses hier noch nicht ge¬
einer zyklischen Vorführung seiner dramatischen
spielte Schauspiel kennen zu lernen. Es behandelt
Werke. Schnitzler ist Wiener durch und durch. In
die von den Franzosen seinezeit so viel¬
dem weichen, lebhaft sorglosen, etwas entnervenden
fach erörterte Frage von dem gefallenen Mäd¬
Dunstkreise, der, unter sentimentalen Anwandlungen
chen, daß in einer neuen Liebe Entfühnung
allzeit walzerfrohen Kaiserstadt am Donaustrande
sucht. Der Dier zeigt uns das Beispiel an der
hat er sich die beiden entgegengesetzten Endpunkte
Schauspielerin Fanny Theren. In dem Schriftsteller
des menschlichen Empfindens: die lebenspendende
Fedor Denner, der für diese Art von Entfühnung
Liebe und den lebenzerstörenden Tod zur poetischen
wärmstens eintritt, glaubt sie diese neue Liebe ge¬
Behandlung ausersehen. Die Liebe liegt in Wien
funden zu haben und trägt sich ihm selbst an. Als
so zu sagen in der Luft, darnach brauchte Schnitzler
Denner aber die brutale Tatsache des nicht wegzu¬
nur zu greifen. Und den Tod, das Sterben, hat er
leugnenden Makels erfährt, sattelt er um, philoso¬
als praktischer Arzt so oft gesehen, daß sich die phi¬
phiert sich seine ganze ungeheure Liebe aus dem
losophisch=dichterische Umdeutung dieses letzten Lebens¬
Herzen, und Fanny nimmt ein Engagement nach
rätsels von selbst ergab. Diese zwei Saiten seiner
Petersburg an. Fräulein Dahlmann debutierte
Leier meistert er in allen Lagen und Tonarten;
als Fanny Theren. Die Künstlerin ist für diese Rolle
(Osellonangebe ehne Gewähr).
das süße Lieben mit all dem spielenden Leichtsinn,
zu groß, zu gehalten. Das spezisisch Wienerisch-An¬
eutsches Abendblert.
der jemals stillvergnügt über die frühlingslachende
mut ge ist ihr nicht gegeben. Auch das Temperament
aus:
Ringstraße, durch den vollblühenden Stadtpark
kommt nur stoßweise, in schwülen, angstvoll-herbe¬
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schlenderte — und das wehmütige Lied vom Sterben
Akkorden zum Ausdruck. Vielleicht verweist eine
zieht durch seine Dichtungen, wie der rauhe Novem¬
spezielle Begabung die Dame auf ein anderes Rollen¬
berwind, der die welken Blätter des herbstmüden
fach. Herr Tiller spielte den Fedor Denner inguter
Praters herunterfegt und in wunderlichem Rauschen
Maske und mit starker Innerlichkeit, Sehr brav war

Theater und Kunst.
nach dem Zentralfriedhofe hinübertreibt. Seine Ge¬
Herr Rittig als sich verabschiedender Lebemann;
Repertoire des Neuen deutschen Theaters.
stalten haben alle den weichen, milden Pastellton
auch die Herren Balder und Huttig boten ge¬
Samstag, den 18. Mai. (180.—IV.) Schnitzler¬
des lyrischen Empfindens, auch dann noch, wenn er
lungene Gestalten aus der Wiener Bohème. Die
Zyklus III. „Freiwild.“ — Sonntag, 19. Mai.
sie — um ihnen die größere Resonanz der Bühne
Herren Kaden, Romanovsky, Frieberg
(181.—I.) „Romeo und Julie.“ — Montag, den 20.
zu gewinnen — in die äußere Form des dramati¬
und Bauer, sowie die Damen Monati, Niedt,
Mai. (182.—II.) Schnitzler-Zyklus V. „Paracelsus.“
schen Diuloges umgeprägt. Aber die bodenständige
Steinheil und Glasel vervollständigten ein
.Die Gefährtin.“ „Der grüne Kakadu.“
Lebenswärme, die süße Gewohnheit des Daseins bis
flottes Zusammenspiel. Das gutbesuchte Haus spen¬
Repertoire des Kgl. deutschen Landestheaters.
zum Auskosten des letzten herben ungelösten Boden¬
dete wiederholt freundlichen Beifall.
P. R.
Sonntag, 19. Mai. 45. volkstümliche Vorstellung
satzes, die uns Schnitzler vermittelt, sind vollwertige,
Einen stärkeren Wiederhall und eine echte
zu erm. Preisen. Schnitzler=Zyklus. IV. „Liebelei.“
herrliche Gaben eines Dichters, in dem sich das
Dohksteine.“.
Schnitzlerfeier-Stimmung erzielte der zweite zyklische
große, warme Herz und der kluge philosophische
Abend, der gestern als volkstümltche Vorstellung
Neues deutsches Theater.
Kopf spielend die Wage halten. Schnitzlers erster,
fünf von den Anatol-Einaktern brachte. Unser be¬
Arthur Schnitzler¬
glücklicher Wurf war sein Einakter=Zyklus Anatol,
BRLIS LA
kanntes Ensemble spielte mit besonderer Liebe und
„Das-Mürchen.
der sich bis heute seine prickelnde, feine, intime Wir¬
Hingebung, Herr Tiller als elegant lässiger, un¬
Schauspiel in drei Aufzugen.
kung erhalten hat. Das darauf folgende dreiaktige
entschlossen philosophierender Anatol, sowie Herr
(Zum erstenmale.)
Schauspiel „Dar Märchen“, womit unsere Bühne
Huttig als praktisch angehauchter Gegenspieler
Eine der vornehmsten Individualitäten des
vorgestern den Zyklus eingeleitet, wurde bei seiner
Max, während sich Fräulein Medelsky mit ihrer
heutigen Wien — Arthur Schnitzler — feiert
Uraufführung entschieden abgelehnt. Das Schnitzler¬
köstlichen Annie im Abschiedssouper wieder einen
9#. Geburtstag; unter den Gratulanten, freundliche Publikum brachte ihm diesmal etwas
separaten starken Heizerkeitserfolg mit Beifall und
Hervorrufen erspiellte Die übrigen weiblichen Rollen
waren bei den Damen v. Helling, Glasel,
Kaufmann und Steinheil in guten Händen.:
+P. R.
„Lohengrin“
In der gestrigen Vorstellung hätte die plötzliche
Indisposition des Herrn Pokorny (Telramund)
beinahe eine kritische Situation geschaffen: im
zweiten Akte war der Künstler so heiser, aß er trotz
aller Energie nicht weitersingen konnte; aber Herr
Schützendorf=Bellwidt, der die Partie des
Heerrufers innehatte, sprang rasch für ihn ein und
stellte sein von da ab strahlendes Organ in den
Dienst der neuen Aufgabe. Er wurde von Herrn;
Veit vertreten, der die Rolle des Heerrufers ohne
Borbereitung übernahm und verläßlich zuende führte.
Frl. Körner hatte als Elsa einen besonders gün¬
stigen Abend, sie wußte ihr reizvolles Material ge¬
schmackvoll zu zügeln. Das Gleiche gilt von Dr. Win¬
kelnann (Lohengrin). Alexander v. Zemlinsky
dirigierte mit Einsatz seiner ganzen künstlerischeng
Dr. V. M
Potenz.