SethBirthdar
n aus: Deutsches Abendblatt, Prag
3 5 70
12
Königl. deutsches Landestheater.
Arthur Schnitzl###lu# VII.
„Lebendige Stunden.“ „Die Frau mit dem Dolche.“
„Die letzten Masken. „Literatar.“
Diese vier Einakter, die der Autor unter dem
Titel des ersten Stückchens zu einem Ganzen ver¬
bunden hat, behandeln in geistvoller, aparter Weise
das Verhältnis des schlaffenden Künstlers zu dem
tatsächlichen Erlebnis, ddas er als Stoff zu seinem
Kunstwerk verwendet hatt. Das fein ausgeklügelte
Sujet erscheint in dem ers#e Einakter als hyper¬
sentimentale Liebe eines Sohnes ##n seiner eben
verstorbenen Mutter; im zweiten Stücke ist es das
traumhaft visionäre Vorbild eines als Kunstierl
verarbeiteten Mordes aus Eifersucht; im dritten
Schauspiele ist es das boshafte Spiel mit der Nache
an dem glücklichern Zunftkollegen, das im Ange¬
sichte des Todes ohnmächtig zusammenbricht — in
allen drei Fällen aber krankhaft gesteigert, vom
Autor in barocken Linien pessimistisch hingewiesen.
Nur im letzten Stücke greift der Dichter mit kecker
Hand in das prickelnd amüsante Leben der deut¬
schen Literatur-Boheme und konstruiert eine köstliche
Satire von überwältigend komischer Wirkung. Die
Aufführung war in einigen Rollen neu besetzt. Herr
Raden gab in dem führenden Stückchen den
Schriftsteller Heinrich mit sicherem Eingehen auf die
Grundstimmung. Herr Frieberg nahm den
erreere
Hausdorfer etwas monoton. Das unerquickliche
pathologische Krankenhausmilen des dritten Ein¬
akters gewann durch die prächtige Darstellung des
Herrn Huttig, als Schauspieler Jackwert, etwas
befreienden Galgenhumor. Die Schlußpiece, von den
Herren Tiller (Clemens), Faber (Gilbert) und
Frl. Glasel als Margarete mit scharfer
Betonung der zahllosen köstlichen Pointen des
übermütigen Scherzspiels flott gespielt, entließ
das Publikum in der denkbar lustigsten Stimmung.
P. R.
Vom Prager Konservatorium. Der auf Frei¬
tag, den 24. Mai festgestellte Kammermusikabend
wird auf Mittwoch, den 5. Juni verlegt.
schnitt aus:
Frager Taghisst
—
1— Theater.
*— Schnitzler = Zyklus. [Der Ruf des
1
Lebens.) Dmungen schwel¬
gende, fiebrisch überhitzte, in seiner Unnatürlichkeit
quälende Stück erschien gestern mit einigen Neube¬
setzungen im Rahmen des Zyklus. Den alten Moser
gab Herr Reinhardt mit pfauchender Bosheit
und heiserem Wutgeschrei, den Mar Herr Tiller
mit kräftiger Jugendlichkeit, den betrogenen Adjunk¬
ten Herr Huttig resigniert und müde. Der pein¬
lichen Figur der Katharina hauchte Frl. Hacke!¬
berg durchgeistigte Sehnsucht nach Lebensfreuden
und das Visionäre der Ophelia ein, als Oberst war
Herr Faber nicht interessant genug; lobenswürdig
die Leistungen von Frau Monati und Herrn
Kaden. Die Rollen der Marie und des Arztes,
sind bei Frl. Medelsky und Herrn Dr. M g###—
[ning nach wie vor gut aufgehoben.
box 39/1
lusschnitt aus
al Euader Tanhlatt
som:
— Wcnitler-uns „Zwischen¬
FFier“ das gestern im Nahmen des Zyklus wie¬
derholt wurde, hat Frl. v. Helling die Rolle der
Cäcilie übernommen. Im ersten Akt, da sie dem
Gatten die Notwendigkeit des Auseinandergehens
darlegt, hüllte sie sich ganz in die Stimmung, welche
diesen Dialog durchziehl: in ein geistiges Halbdunkel,
äußerste Gedämpftheit in Sprache und Geberde.
Aber auch im Folgenden behielt sie diese leise,
grüblerische Nuance bei und bot so eine zwar feine
und durchdachte Leistung, die aber den kräftiger
Ton seelischer Befreiung vermissen ließ.
aus Lohmen, Prag
10.601912
Vom:
Schnitzler=Zyklus X.
„unstKreffee Frau, die dieser
omödie den Namen giebt, ist von einer interessanten
Kompliziertheit. Wiener Komtesseltum (schon durch den
Namen angedeutet, trotz ungarischem Halbblut), Witz, un¬
bändige Lebenslust unter dem Mantel der Anständigkeit
und eine ungewöhnliche Portion von Egoismus und Herz¬
losigkeit — ein reizendes Luder. Elsa Galafrés als
Gastin stimmte mit der vom Dichter gedachten Auffassung
nicht ganz überein; ihr fehlte der wienetische Charme, der
Dialekt, der Humor, alles andere war vorzüglich heraus¬
gearbeitet. Aber dadurch entbehrte diese Schnitzlerische
7 cachtfigur der Grazie und es blieb die Schärfe und Kälte
— das Luder###nbrigen Rotten waren in bekannten
und bewährten Händen. Das Publikum amüsierte sich
vortrefflich.
Dagegen hatte die Gastin Gelegenheit, in der darauf
folgenden Pantomime „Der Schleier der Pierette“
ihre große Kunst der Gebärde und des Tanzes vorzuführen:
Das glutvolle Renaissancedrama Schnitzlers „Der Schleier
der Beatrixe“, das Urbild dieser Pantomime, spielt am
Tage, in der Nacht, am Morgen vor dem sicheren Unter¬
gange Bolognas. Da, hart vor dem Tode, lodern die
Flammen des Lebens doppelt hoch und ihre prasselnde
Glut zerbricht alle Schranken des Geuusses. Das Glück
war diesem Stücke bei den Bühnen nicht hold; vielleicht
mit Recht. Der Dichter zerbrach darum den Bau und
zimmerte aus seinen Trümmern ein leichtes Zelt ohne den
Schmuck der Worte. Erust Dohnäny drapierte es mit
Musik und Tanz zu einer prächtigen, wohnlichen Stätte.
Die drei Bilder bergen den Kern des Dramas. Aus dem
Herzog wurde Arlekino, aus dem Dichter Loschi, der
Pierot, aus Beatrixe die Pierette. Und das Wort wandelte
sich in Musik. Ihr Gehalt wurde schon an dieser Stelle
gewertet. Sie bewährte sich auch diesmal als außer¬
ordentlich geschickt und wirksam, biegsam angeschmiegt an
die Handlung; nur stellenweise zu gesucht (d. h. zusammen¬
gesucht). Dohnäny dirigierte persänlich mit besonderer
Verve aller Gliedmaßen. Spiel und Tanz Der Gastin waren
von saszinierender Wirkung. Aber auch unsere heimischen
Kräfte, besonders die Herren Waschmann und Winkel¬
mann standen nicht nach. Das Publikum dankte der
Gastin und diesen Darstelleen mit stürrtischem Beifall und
rief immer wieder nach dem Komponisten und der
Galafrés.
Das weite Lands In diesem Schauspiel jäßt
der welt= und menschenerfahrene Dichter von der Höhe
seiner Erkenntnis hinabschauen in das weite Land der
Seele, darin alle Gegensätze, Höhen und Tiefen, flache
Ebenen und tiefe Seen zu einem Reiche sich einen. Und
da dies Leben, dessen Spiegel das Drama der Seele sein
soll, aus Ernst und Scherz sich zusammensetzt, so kann sein
Bild nur eine Tragikomödie sein. Auch diesmal verfehlte
dieses Drama nicht seine starke Wirkung auf das Publikum,
das freilich nur in spärlicher Anzahl erschienen war. Die
bekannte, treffliche Besetzung bietet keinen Anlaß zu neuer¬
F.
licher Wertung.
n aus: Deutsches Abendblatt, Prag
3 5 70
12
Königl. deutsches Landestheater.
Arthur Schnitzl###lu# VII.
„Lebendige Stunden.“ „Die Frau mit dem Dolche.“
„Die letzten Masken. „Literatar.“
Diese vier Einakter, die der Autor unter dem
Titel des ersten Stückchens zu einem Ganzen ver¬
bunden hat, behandeln in geistvoller, aparter Weise
das Verhältnis des schlaffenden Künstlers zu dem
tatsächlichen Erlebnis, ddas er als Stoff zu seinem
Kunstwerk verwendet hatt. Das fein ausgeklügelte
Sujet erscheint in dem ers#e Einakter als hyper¬
sentimentale Liebe eines Sohnes ##n seiner eben
verstorbenen Mutter; im zweiten Stücke ist es das
traumhaft visionäre Vorbild eines als Kunstierl
verarbeiteten Mordes aus Eifersucht; im dritten
Schauspiele ist es das boshafte Spiel mit der Nache
an dem glücklichern Zunftkollegen, das im Ange¬
sichte des Todes ohnmächtig zusammenbricht — in
allen drei Fällen aber krankhaft gesteigert, vom
Autor in barocken Linien pessimistisch hingewiesen.
Nur im letzten Stücke greift der Dichter mit kecker
Hand in das prickelnd amüsante Leben der deut¬
schen Literatur-Boheme und konstruiert eine köstliche
Satire von überwältigend komischer Wirkung. Die
Aufführung war in einigen Rollen neu besetzt. Herr
Raden gab in dem führenden Stückchen den
Schriftsteller Heinrich mit sicherem Eingehen auf die
Grundstimmung. Herr Frieberg nahm den
erreere
Hausdorfer etwas monoton. Das unerquickliche
pathologische Krankenhausmilen des dritten Ein¬
akters gewann durch die prächtige Darstellung des
Herrn Huttig, als Schauspieler Jackwert, etwas
befreienden Galgenhumor. Die Schlußpiece, von den
Herren Tiller (Clemens), Faber (Gilbert) und
Frl. Glasel als Margarete mit scharfer
Betonung der zahllosen köstlichen Pointen des
übermütigen Scherzspiels flott gespielt, entließ
das Publikum in der denkbar lustigsten Stimmung.
P. R.
Vom Prager Konservatorium. Der auf Frei¬
tag, den 24. Mai festgestellte Kammermusikabend
wird auf Mittwoch, den 5. Juni verlegt.
schnitt aus:
Frager Taghisst
—
1— Theater.
*— Schnitzler = Zyklus. [Der Ruf des
1
Lebens.) Dmungen schwel¬
gende, fiebrisch überhitzte, in seiner Unnatürlichkeit
quälende Stück erschien gestern mit einigen Neube¬
setzungen im Rahmen des Zyklus. Den alten Moser
gab Herr Reinhardt mit pfauchender Bosheit
und heiserem Wutgeschrei, den Mar Herr Tiller
mit kräftiger Jugendlichkeit, den betrogenen Adjunk¬
ten Herr Huttig resigniert und müde. Der pein¬
lichen Figur der Katharina hauchte Frl. Hacke!¬
berg durchgeistigte Sehnsucht nach Lebensfreuden
und das Visionäre der Ophelia ein, als Oberst war
Herr Faber nicht interessant genug; lobenswürdig
die Leistungen von Frau Monati und Herrn
Kaden. Die Rollen der Marie und des Arztes,
sind bei Frl. Medelsky und Herrn Dr. M g###—
[ning nach wie vor gut aufgehoben.
box 39/1
lusschnitt aus
al Euader Tanhlatt
som:
— Wcnitler-uns „Zwischen¬
FFier“ das gestern im Nahmen des Zyklus wie¬
derholt wurde, hat Frl. v. Helling die Rolle der
Cäcilie übernommen. Im ersten Akt, da sie dem
Gatten die Notwendigkeit des Auseinandergehens
darlegt, hüllte sie sich ganz in die Stimmung, welche
diesen Dialog durchziehl: in ein geistiges Halbdunkel,
äußerste Gedämpftheit in Sprache und Geberde.
Aber auch im Folgenden behielt sie diese leise,
grüblerische Nuance bei und bot so eine zwar feine
und durchdachte Leistung, die aber den kräftiger
Ton seelischer Befreiung vermissen ließ.
aus Lohmen, Prag
10.601912
Vom:
Schnitzler=Zyklus X.
„unstKreffee Frau, die dieser
omödie den Namen giebt, ist von einer interessanten
Kompliziertheit. Wiener Komtesseltum (schon durch den
Namen angedeutet, trotz ungarischem Halbblut), Witz, un¬
bändige Lebenslust unter dem Mantel der Anständigkeit
und eine ungewöhnliche Portion von Egoismus und Herz¬
losigkeit — ein reizendes Luder. Elsa Galafrés als
Gastin stimmte mit der vom Dichter gedachten Auffassung
nicht ganz überein; ihr fehlte der wienetische Charme, der
Dialekt, der Humor, alles andere war vorzüglich heraus¬
gearbeitet. Aber dadurch entbehrte diese Schnitzlerische
7 cachtfigur der Grazie und es blieb die Schärfe und Kälte
— das Luder###nbrigen Rotten waren in bekannten
und bewährten Händen. Das Publikum amüsierte sich
vortrefflich.
Dagegen hatte die Gastin Gelegenheit, in der darauf
folgenden Pantomime „Der Schleier der Pierette“
ihre große Kunst der Gebärde und des Tanzes vorzuführen:
Das glutvolle Renaissancedrama Schnitzlers „Der Schleier
der Beatrixe“, das Urbild dieser Pantomime, spielt am
Tage, in der Nacht, am Morgen vor dem sicheren Unter¬
gange Bolognas. Da, hart vor dem Tode, lodern die
Flammen des Lebens doppelt hoch und ihre prasselnde
Glut zerbricht alle Schranken des Geuusses. Das Glück
war diesem Stücke bei den Bühnen nicht hold; vielleicht
mit Recht. Der Dichter zerbrach darum den Bau und
zimmerte aus seinen Trümmern ein leichtes Zelt ohne den
Schmuck der Worte. Erust Dohnäny drapierte es mit
Musik und Tanz zu einer prächtigen, wohnlichen Stätte.
Die drei Bilder bergen den Kern des Dramas. Aus dem
Herzog wurde Arlekino, aus dem Dichter Loschi, der
Pierot, aus Beatrixe die Pierette. Und das Wort wandelte
sich in Musik. Ihr Gehalt wurde schon an dieser Stelle
gewertet. Sie bewährte sich auch diesmal als außer¬
ordentlich geschickt und wirksam, biegsam angeschmiegt an
die Handlung; nur stellenweise zu gesucht (d. h. zusammen¬
gesucht). Dohnäny dirigierte persänlich mit besonderer
Verve aller Gliedmaßen. Spiel und Tanz Der Gastin waren
von saszinierender Wirkung. Aber auch unsere heimischen
Kräfte, besonders die Herren Waschmann und Winkel¬
mann standen nicht nach. Das Publikum dankte der
Gastin und diesen Darstelleen mit stürrtischem Beifall und
rief immer wieder nach dem Komponisten und der
Galafrés.
Das weite Lands In diesem Schauspiel jäßt
der welt= und menschenerfahrene Dichter von der Höhe
seiner Erkenntnis hinabschauen in das weite Land der
Seele, darin alle Gegensätze, Höhen und Tiefen, flache
Ebenen und tiefe Seen zu einem Reiche sich einen. Und
da dies Leben, dessen Spiegel das Drama der Seele sein
soll, aus Ernst und Scherz sich zusammensetzt, so kann sein
Bild nur eine Tragikomödie sein. Auch diesmal verfehlte
dieses Drama nicht seine starke Wirkung auf das Publikum,
das freilich nur in spärlicher Anzahl erschienen war. Die
bekannte, treffliche Besetzung bietet keinen Anlaß zu neuer¬
F.
licher Wertung.