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Soireen getroffen, war da und dort zum Mittagessen mit ihm zusammen
eingeladen gewesen, man wußte, daß er sehr elegante Kleider und sehr
teure Krawatten trug, daß er ein junger Arzt sei, der lächerlich wenig
Patienten, dafür aber desto mehr mondaine Passionen hatte. Und der wollte
auf einmal ein Dichter sein? Man ließ sich so was nicht weismachen. Der
junge Herr würde besser tun, sich zufrieden zu geben. Er würde mehr
Verstand beweisen, wenn er sich bemühen wollte, in seinem Beruf etwas
Tüchtiges zu leisten. Man war keineswegs aufgelegt, seine schöngeistigen
Bestrebungen zu unterstützen.
Die Kritik spielte die Begleitungsmusik zu diesem Chor der Meinungen.
Sie schlug die Pauke, sie ließ die Feuerwehrtrompeten schmettern, sie strich
den Brumnmbaß und schnaubte im Holz. Es war eine niedliche Salonkapelle,
die Kritik. Die Melodie, die sie dabei immer wiederholte, bis die Spatzen
sie von allen Dächern nachzwitscherten: sollen denn Schiller und Goethe
abgesetzt werden? Ihr heroischer Hornruf: dlas werden wir nicht dulden!
Die Kritik zog die Wache auf und besetzte alle Posten. Denn die Kunst
war bedroht und die Moral war in Gefahr. Diesem Stück entquollen die
üblen Gerüche der Kloake, schrieb man. Die Kritik hatte alle Hände voll
zu tun, sie war sehr eifrig, und in ihrem Eifer wußte sie nicht mehr ganz
genau, welche Dienste eigentlich ihr oblagen: sollten sich alle als Hüter der
Kunst auf ihre Plätze begeben oder als Wächter der Moral? Deshalb taten
sie beides. Sie bewachten die Kunst und sie hüteten die Moral. So erfüllte
die Kritik ihre Aufgabe, als Arthur Schnitzler auftrat. Ihre vornehmste Auf¬
gabe: das Neue zu erkennen, das Werdende in Acht zu nehmen und zu
pflegen, jugendliche Entwicklung zu verstehen und zu fördern, und die
leicht vom Persönlichen verwirrte Menge durch sicheres Voranschreiten zu
einem klaren Urteil zu führen.
Ohne Spur von Bitterkeit erinnern wir uns jenes Anfangs heute, da
Arthur Schnitzler an seinem fünfzigsten Geburtstag als eine der stärksten
dichterischen Erscheinungen der Epoche gefeiert wird. Aber es ist ganz gut,
bei solch einer Gelegenheit rasch einmal zurückzuschauen, und die immer
wieder gleiche Art der Anfänge lächelnd zu bedenken. Da hebt sich uns
die Mahnung entgegen, den jeweiligen Zwist des Tages nicht für wichtiger
und bedeutender zu nehmen als er im Grunde ist. Denn immer wieder
lassen wir uns von der törichten Aufregung des törichten Moments hin¬
reißen, diese Dinge in ihrem Maß und in ihrem Gewicht zu überschätzen.
Der Zuschauer von etwas neuem wird jedesmal überrascht, und in seiner
Uberraschung auch verwirrt sein. Er mag sich auf seine Ubung im Zu¬
schauen berufen und daraus eine Art Kennerschaft für sich beanspruchen,
er ist ja doch nur im Anschauen der gewohnten Dinge trainiert, er ist im
Gewohnten nur heimisch, ist darin befangen und eben deshalb verstimmt
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Soireen getroffen, war da und dort zum Mittagessen mit ihm zusammen
eingeladen gewesen, man wußte, daß er sehr elegante Kleider und sehr
teure Krawatten trug, daß er ein junger Arzt sei, der lächerlich wenig
Patienten, dafür aber desto mehr mondaine Passionen hatte. Und der wollte
auf einmal ein Dichter sein? Man ließ sich so was nicht weismachen. Der
junge Herr würde besser tun, sich zufrieden zu geben. Er würde mehr
Verstand beweisen, wenn er sich bemühen wollte, in seinem Beruf etwas
Tüchtiges zu leisten. Man war keineswegs aufgelegt, seine schöngeistigen
Bestrebungen zu unterstützen.
Die Kritik spielte die Begleitungsmusik zu diesem Chor der Meinungen.
Sie schlug die Pauke, sie ließ die Feuerwehrtrompeten schmettern, sie strich
den Brumnmbaß und schnaubte im Holz. Es war eine niedliche Salonkapelle,
die Kritik. Die Melodie, die sie dabei immer wiederholte, bis die Spatzen
sie von allen Dächern nachzwitscherten: sollen denn Schiller und Goethe
abgesetzt werden? Ihr heroischer Hornruf: dlas werden wir nicht dulden!
Die Kritik zog die Wache auf und besetzte alle Posten. Denn die Kunst
war bedroht und die Moral war in Gefahr. Diesem Stück entquollen die
üblen Gerüche der Kloake, schrieb man. Die Kritik hatte alle Hände voll
zu tun, sie war sehr eifrig, und in ihrem Eifer wußte sie nicht mehr ganz
genau, welche Dienste eigentlich ihr oblagen: sollten sich alle als Hüter der
Kunst auf ihre Plätze begeben oder als Wächter der Moral? Deshalb taten
sie beides. Sie bewachten die Kunst und sie hüteten die Moral. So erfüllte
die Kritik ihre Aufgabe, als Arthur Schnitzler auftrat. Ihre vornehmste Auf¬
gabe: das Neue zu erkennen, das Werdende in Acht zu nehmen und zu
pflegen, jugendliche Entwicklung zu verstehen und zu fördern, und die
leicht vom Persönlichen verwirrte Menge durch sicheres Voranschreiten zu
einem klaren Urteil zu führen.
Ohne Spur von Bitterkeit erinnern wir uns jenes Anfangs heute, da
Arthur Schnitzler an seinem fünfzigsten Geburtstag als eine der stärksten
dichterischen Erscheinungen der Epoche gefeiert wird. Aber es ist ganz gut,
bei solch einer Gelegenheit rasch einmal zurückzuschauen, und die immer
wieder gleiche Art der Anfänge lächelnd zu bedenken. Da hebt sich uns
die Mahnung entgegen, den jeweiligen Zwist des Tages nicht für wichtiger
und bedeutender zu nehmen als er im Grunde ist. Denn immer wieder
lassen wir uns von der törichten Aufregung des törichten Moments hin¬
reißen, diese Dinge in ihrem Maß und in ihrem Gewicht zu überschätzen.
Der Zuschauer von etwas neuem wird jedesmal überrascht, und in seiner
Uberraschung auch verwirrt sein. Er mag sich auf seine Ubung im Zu¬
schauen berufen und daraus eine Art Kennerschaft für sich beanspruchen,
er ist ja doch nur im Anschauen der gewohnten Dinge trainiert, er ist im
Gewohnten nur heimisch, ist darin befangen und eben deshalb verstimmt
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