VII, Verschiedenes 2, 50ster Geburtstag, Seite 176

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sothand 55th Birthday
ihn das Ungewohnte, weil es ihn überrumpelt, weil der Anblick eines
Schauspieles, auf das er nicht eingestellt und nicht gefaßt ist, seine Begriffe
in Unordnung bringt. So wehrt er sich denn jedesmal aufs heftigste gegen
das Neue, wie man sich gegen eine lästige Störung zur Wehr setzt. Er
sträubt sich gegen alles, was ihn zu einer Revision seiner eingewohnten
Meinungen zwingen will, was ihm die angenehme Sicherheit des Urteils zu
erschüttern droht. Er nennt das: sich den Sinn für das Schöne, Wahre und
Gute bewahren.
Und die Kritik ist dabei immer nur die beamtete Helferin der Zu¬
schauermenge. Wie sie nun einmal nach dem Lauf der Dinge zusammen¬
gesetzt ist, kann sie und darf sie gar nichts anderes sein. Wie viele große
Künstler, von Goethe angefangen, haben nicht schon verlangt, daß nur der
Künstler über Kunstwerke öffentlich richten solle. Alle waren und sind sich
einig darüber, daß nur die schaffenden Naturen Geschaffenes erkennen und
im Tiefsten verstehen. Von Grillparzer und Hebbel bis zu lbsen, von den
Goncourts bis her zu unserer Generation, von Whistler bis auf Gustav
Klimt, von Richard Wagner bis zu Gustav Mahler sind alle durchdrungen
davon, daß kritisches Betrachten nur die Ergänzung der produktiven Arbeit
sein kann. Aber es gibt nicht so viele, zur Aussprache bereite, zu einem
ständigen Vermittlerdienst in der Presse geneigte Künstler, als die Zeitungen,
deren ja täglich immer mehr werden, brauchen mörnten. Deshalb treten
Zuschauer an ihre Stelle. Die tüchtigsten, wenn man will, die besten,
meinetwegen, die geschultesten und geistreichsten. Aber doch immer Zu¬
schauernaturen, welche ein Zuschaberurteil abgeben Sie sagen die Meinung
des Publikums, nicht die der Künstier. Selbstverständlich! Die Seele und die
Sinne eines schöpferischen Menschen fühlen sich allem Werdenden, allem
was Kunst, allem, was im Entstehen begriffen ist, nahe und zärtlich und
hingegeben. Wie Frauen sich aus ihrem tiefsten Muttertrieb zu kleinen
Kindern neigen und im hilflosen Lallen beredsame Zukunftsworte vernehmen.
Frauen, sie mögen nun jung oder alt sein, sie mögen schon geboren haben
oder noch darauf harren, daß ihr Schoß gesegnet werde. Hier walten ewige
Instinkte, zwischen Mutter und Kind, zwischen Schöpfer und Werk. Sie
sind alle untereinander irgendwie verwandt und sie begreifen sich aus dieser
Verwandtschaft tiefer, rascher, inniger als andere es vermöchten. Die Zuschauer¬
natur will das Fertige, das Gewordene, das Gegebene. Auch die Zuschauerkritik,
die im Namen der Menge das Wort führt. Mit allem, was reif und in sich
selbst schon erklärt ist, weiß sie sich trefflich zu benehmen. Mit dem
Werdenden, mit dem Keimenden, ist sie weder durch Instinkt noch durch
Verwandtschaft verknüpft. Deshalb versagt sie bei jedem Anfang. Kein Mensch
kann ihr das übelnehmen.
Später hat dann Arthur Schnitzler mit der „Liebelei“ gesiegt. Ludwig
Speidel schrieb damals: „So herrliche Akzente hat man lange nicht auf der
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