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1. 50th Birthdar
210 Seesssssssssssssssssssege Weltrundschau. S
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Die deutsche Ijochseeflotte im Kieler Jafen, bestehend aus dem ersten und z
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spiele“ ... Er hat das Sichnahen von Mann und Weib, die
und lebensüberlegene „Komtesse Mizzi“, den feschen, lieben, gut¬
feelische Verschmelzung, hat tausend heimliche, noch unbemerkte
mütigen und in seiner sophistischen Einfalt fast rührenden „Leut¬
Abstufungen der Entfernung voneinander gezeigt, hat den Rausch
nant Gustl“, der Arthur Schnitzler viel Erbitterung einbrachte.
des jauchzend unbekümmerten Sichnehmens, Sichverschenkens
Und vielleicht weit mehr noch ließen sich in Schnitzlers weitem
kraftschäumender Jugend, die zynisch müde Skruvellosigkeit der
Reich als Typen nennen... Sie mögen als besondere, fest¬
Rones und der Verbrauchten gemalt und die letzten Schreie
uuschriebene und gleich begeiffene Symbote noch rascher als die
der an tragischen Zwischenspielen Zerbrochenen erschütternd er¬
Tichtungen selbst, aus denen sie kamen, dem Ruhm ihres
klingen lassen. Ein ganzer Reigen solcher Zwischenspiele hebt
Schöpfers den Weg erzwungen haben. Aber für diese Dichtungen
an, wenn neben Anatols sorglosen, liebenswürdig gewissenlosen
an sich, für das Schnitzlersche Künstlergut, das sich aus ihrem
Abenteuern die Violinspielerstochter Christine plötzlich sichtbar
Zusammenschluß ergibt, mag das Typische gar nicht so wichtig
wird, die ihre Jugend in die Donau schleudert, nur weil sie
sein. Man muß das Ganze überschauen, daraus sie tauchen,
die Schmach, nichts weiter als das Spielzeug, als die Liebelei
darin sie vergleiten, und solchem Ganzen gegenüber, den Grund¬
eines Mannes gewesen zu sein, nie wieder wird vergessen können;
motiven gegenüber, aus denen Schnitzlers Dichtung quilli,
wenn Baron Georg und die Klavierlehrerin Anna sich mild,
bleiben sie nur Nebenerscheinung, fügsame Diener eines über¬
in ruhiger Klarheit finden, sich ganz verschenken, ganz erfüllen
geordneten starken Beseelers, der auf seine Art noch einmal
und, als das Sichschenkenkönnen verlischt, sich abermals ruhig,
das Weltbild malt.
klar und mild, feste Menschen einer festen, posefeindlichen Zeit,
Unter Schnitzlers Dramen ein schmächtiges Bändchen:
den „Weg ins Freie“ voneinander bahnen ... Ein Zwischen¬
„Marionetten“... Abenteuerliche Geschichten werden da er¬
spiel das Schicksal der „Frau Verta Garlan“, die ihren Violin¬
zählt, vor allem die vom „großen Wurstel“ im Wiener Prater,
virtnosen liebt, verliert, spät, de der Mann ihr starb, ihn
von dessen Bühne „der Unbekannte“ Marionetten und Publikum
abermals gewinnt und abermals verliert ... Sie alle, alle:
an den gleichen Drähten so lange lenkt, bis er es vorzieht,
die „Frau des Weisen“, die als Episode, als gespenstische Er¬
mit einem Schwerthieb alle Drähte zu zerschneiden und die
innerung dem sehnsuchtdurchglühten Mann in dem Augenblick
Menschengruppen und die toten Puppen bunt und willenlos
zerstiebt, da er nach Jahren sie umarmen soll, der Anbeter
durcheinander kollern zu lassen, vom „Puppenspieler“, der sich
der Sängerin aus den „Dämmerseelen“, der immerzu warten
sein Herrentum über seinen Willen und den aller anderen,
muß im Anblick der ungezählten Begünstigteren, der Liebhaber,
seine Gewalt über Wirklichkeit und Schicksale einredet und,
der seine tote Geliebte nicht mehr sehen darf, weil sie die Frau
unbelehrt von dieser andersgearteten Wirklichkeit, sich nur
eines anderen, sie nicht mehr sehen kann, weil er den Vorwurf
deshalb zäh in seinen Wahn verbeißt, um lieber ein bewußt
einer feig verschleierten Episode von den toten Lippen hört —
eingebildetes Dasein, als eines voll Wirklichkeitswunden und
sie alle, alle wirbeln vorbei in Zwischenspielen tragischer, schwer¬
Verzweiflung leben zu müssen... Gegen halbhellen Hinter¬
mütiger, grotesker, oft burlesker Art ...
grund heben die drei Einakter sich ab, fast holzschnitthaft, mit
Das Leben bringt sie zueinander, reißt sie, hebt sie sanster
glühend untermalten Linien: voll mystischer Veionung und tieferer
voneinander fort. Tausendsach spielen die Fäden, schlingen sich
Bedeutung. In Schnitzlers ganzem Schaffen herrscht „der
unmerklich ineinander, laufen eine Zeitlang eng verschwistert,
Unbekannte“ aus dem Wiener Wurstelprater. Nur müßte man
lösen sich und finden sich wieder. Schöpferisch ist dies Leben,
ihn dort „Leben“ heißen, und die Weisheiten, die er unter die
vernichterisch ist es: Zufälle würseln mit den Losen, auf Stim¬
Marionetten bringt, die sie darum noch nicht immer begreisen,
mungen, hinter dämpfendem Flor blinken Andeutungen, Be¬
sind die Weisheiten vom Lieben und vom Sterben ...
gegnungen auf, die Schicksale werden. Dies ist die Meister¬
Die Liebe bei Schnitzler könnte freilich, wie er's selbst in
einem Tramentitel nannte, auch noch anders heißen: „Zwischen= schaft Arthur Schnitzlers, daß er niemals den Wegen des Lebens
Werech-wnr var eeen e
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Die deutsche Ijochseeflotte im Kieler Jafen, bestehend aus dem ersten und z
299
spiele“ ... Er hat das Sichnahen von Mann und Weib, die
und lebensüberlegene „Komtesse Mizzi“, den feschen, lieben, gut¬
feelische Verschmelzung, hat tausend heimliche, noch unbemerkte
mütigen und in seiner sophistischen Einfalt fast rührenden „Leut¬
Abstufungen der Entfernung voneinander gezeigt, hat den Rausch
nant Gustl“, der Arthur Schnitzler viel Erbitterung einbrachte.
des jauchzend unbekümmerten Sichnehmens, Sichverschenkens
Und vielleicht weit mehr noch ließen sich in Schnitzlers weitem
kraftschäumender Jugend, die zynisch müde Skruvellosigkeit der
Reich als Typen nennen... Sie mögen als besondere, fest¬
Rones und der Verbrauchten gemalt und die letzten Schreie
uuschriebene und gleich begeiffene Symbote noch rascher als die
der an tragischen Zwischenspielen Zerbrochenen erschütternd er¬
Tichtungen selbst, aus denen sie kamen, dem Ruhm ihres
klingen lassen. Ein ganzer Reigen solcher Zwischenspiele hebt
Schöpfers den Weg erzwungen haben. Aber für diese Dichtungen
an, wenn neben Anatols sorglosen, liebenswürdig gewissenlosen
an sich, für das Schnitzlersche Künstlergut, das sich aus ihrem
Abenteuern die Violinspielerstochter Christine plötzlich sichtbar
Zusammenschluß ergibt, mag das Typische gar nicht so wichtig
wird, die ihre Jugend in die Donau schleudert, nur weil sie
sein. Man muß das Ganze überschauen, daraus sie tauchen,
die Schmach, nichts weiter als das Spielzeug, als die Liebelei
darin sie vergleiten, und solchem Ganzen gegenüber, den Grund¬
eines Mannes gewesen zu sein, nie wieder wird vergessen können;
motiven gegenüber, aus denen Schnitzlers Dichtung quilli,
wenn Baron Georg und die Klavierlehrerin Anna sich mild,
bleiben sie nur Nebenerscheinung, fügsame Diener eines über¬
in ruhiger Klarheit finden, sich ganz verschenken, ganz erfüllen
geordneten starken Beseelers, der auf seine Art noch einmal
und, als das Sichschenkenkönnen verlischt, sich abermals ruhig,
das Weltbild malt.
klar und mild, feste Menschen einer festen, posefeindlichen Zeit,
Unter Schnitzlers Dramen ein schmächtiges Bändchen:
den „Weg ins Freie“ voneinander bahnen ... Ein Zwischen¬
„Marionetten“... Abenteuerliche Geschichten werden da er¬
spiel das Schicksal der „Frau Verta Garlan“, die ihren Violin¬
zählt, vor allem die vom „großen Wurstel“ im Wiener Prater,
virtnosen liebt, verliert, spät, de der Mann ihr starb, ihn
von dessen Bühne „der Unbekannte“ Marionetten und Publikum
abermals gewinnt und abermals verliert ... Sie alle, alle:
an den gleichen Drähten so lange lenkt, bis er es vorzieht,
die „Frau des Weisen“, die als Episode, als gespenstische Er¬
mit einem Schwerthieb alle Drähte zu zerschneiden und die
innerung dem sehnsuchtdurchglühten Mann in dem Augenblick
Menschengruppen und die toten Puppen bunt und willenlos
zerstiebt, da er nach Jahren sie umarmen soll, der Anbeter
durcheinander kollern zu lassen, vom „Puppenspieler“, der sich
der Sängerin aus den „Dämmerseelen“, der immerzu warten
sein Herrentum über seinen Willen und den aller anderen,
muß im Anblick der ungezählten Begünstigteren, der Liebhaber,
seine Gewalt über Wirklichkeit und Schicksale einredet und,
der seine tote Geliebte nicht mehr sehen darf, weil sie die Frau
unbelehrt von dieser andersgearteten Wirklichkeit, sich nur
eines anderen, sie nicht mehr sehen kann, weil er den Vorwurf
deshalb zäh in seinen Wahn verbeißt, um lieber ein bewußt
einer feig verschleierten Episode von den toten Lippen hört —
eingebildetes Dasein, als eines voll Wirklichkeitswunden und
sie alle, alle wirbeln vorbei in Zwischenspielen tragischer, schwer¬
Verzweiflung leben zu müssen... Gegen halbhellen Hinter¬
mütiger, grotesker, oft burlesker Art ...
grund heben die drei Einakter sich ab, fast holzschnitthaft, mit
Das Leben bringt sie zueinander, reißt sie, hebt sie sanster
glühend untermalten Linien: voll mystischer Veionung und tieferer
voneinander fort. Tausendsach spielen die Fäden, schlingen sich
Bedeutung. In Schnitzlers ganzem Schaffen herrscht „der
unmerklich ineinander, laufen eine Zeitlang eng verschwistert,
Unbekannte“ aus dem Wiener Wurstelprater. Nur müßte man
lösen sich und finden sich wieder. Schöpferisch ist dies Leben,
ihn dort „Leben“ heißen, und die Weisheiten, die er unter die
vernichterisch ist es: Zufälle würseln mit den Losen, auf Stim¬
Marionetten bringt, die sie darum noch nicht immer begreisen,
mungen, hinter dämpfendem Flor blinken Andeutungen, Be¬
sind die Weisheiten vom Lieben und vom Sterben ...
gegnungen auf, die Schicksale werden. Dies ist die Meister¬
Die Liebe bei Schnitzler könnte freilich, wie er's selbst in
einem Tramentitel nannte, auch noch anders heißen: „Zwischen= schaft Arthur Schnitzlers, daß er niemals den Wegen des Lebens
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