Soth and 55th Birthdag box 39/2
Die schnellen Zungen laufen selten leer:
Sie fingen rasch dies Wort und hetztens wild
Und hemmten Deinen Weg, der steil und schwer.
Doch Du warst stärker als das alte Bild
Und warfst es fort und suchtest neue Bahn,
Daß sie der Seele Wandersehnsucht stillt,
Vom kleinem Leide fort und kleinem Wahn.
Und warst Du einst ein Dichter dieser Stadt
Und ihrer Landschaft Zauber untertan,
Das Wort von einst ward brüchig, morsch und matt.
Nun wanderst Du den höchsten Zielen zu,
Aus Wunsch ward Wille und aus Sehnsucht Tat.
Und keinen weiß ich, der geliebt wie du
DER FUHRER. VON ERNST LOTHAR.
ie Verneinungsbereitschaft in Kunstdingen ist unendlich geworden.
Uneingeschränkt anerkennen, den Willen zum Lob haben, das
gilt heute nichts. Um Ehre einzulegen, muß man sich extra¬
1
vaganter vorsehen: überlegen, ironisch; ein die Gutherzigkeit
salvierendes Lob zu Anfang, ein mächtiges Aber hinterdrein (so daß einem
das Ohr am Ende nur vom Aber klingt); meuchlings, mit Finte und Hieb
und dem milden Behagen: ja, nun ist es zu Ende mit dir. Du hast ein
schlechtes Stück gemacht — zu Ende, zu Ende. Glaube ja nicht, daß
deine guten Stücke nun noch etwas bedeuten! Das schlechte überzeugt.
(Der Fall Hauptmann gibt ein Beispiel.) Das Ja hat keinen Anwert mehr,
Mode ist das witzig verbrämte Nein. Mode und also zunächst Sache der
Jungen. Die treiben die Bilderstürzerei mit Genugtuung; käme es auf sie
an, die Lorbeerbäume hätten ein behütetes Dasein.
Wenn liese Mäkellust dann doch vor ein paar Namen Halt macht,
vor ihnen sich widerspruchslos in Dank verkehrt, bietet’s freilich noch kein
Maß, das Künstlertum des Schilderhobenen daran zu messen; doch eine
Gewähr für seine starke und zwingende Persönlichkeit. Nicht Viele ent¬
waffnen die Widerstrebenden, Gezählte sind ihnen wert. Arthur Schnitzler
ist unter den Wenigen. Arthur Schnitzler! Wer von uns sagte den Namen
nicht freudig wie geliebtes Besitztum! So als öffnete er uns ein Fenster in
nahe Landschaft, eine Umschau über Menschen, die uns vertraut sind, über
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Die schnellen Zungen laufen selten leer:
Sie fingen rasch dies Wort und hetztens wild
Und hemmten Deinen Weg, der steil und schwer.
Doch Du warst stärker als das alte Bild
Und warfst es fort und suchtest neue Bahn,
Daß sie der Seele Wandersehnsucht stillt,
Vom kleinem Leide fort und kleinem Wahn.
Und warst Du einst ein Dichter dieser Stadt
Und ihrer Landschaft Zauber untertan,
Das Wort von einst ward brüchig, morsch und matt.
Nun wanderst Du den höchsten Zielen zu,
Aus Wunsch ward Wille und aus Sehnsucht Tat.
Und keinen weiß ich, der geliebt wie du
DER FUHRER. VON ERNST LOTHAR.
ie Verneinungsbereitschaft in Kunstdingen ist unendlich geworden.
Uneingeschränkt anerkennen, den Willen zum Lob haben, das
gilt heute nichts. Um Ehre einzulegen, muß man sich extra¬
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vaganter vorsehen: überlegen, ironisch; ein die Gutherzigkeit
salvierendes Lob zu Anfang, ein mächtiges Aber hinterdrein (so daß einem
das Ohr am Ende nur vom Aber klingt); meuchlings, mit Finte und Hieb
und dem milden Behagen: ja, nun ist es zu Ende mit dir. Du hast ein
schlechtes Stück gemacht — zu Ende, zu Ende. Glaube ja nicht, daß
deine guten Stücke nun noch etwas bedeuten! Das schlechte überzeugt.
(Der Fall Hauptmann gibt ein Beispiel.) Das Ja hat keinen Anwert mehr,
Mode ist das witzig verbrämte Nein. Mode und also zunächst Sache der
Jungen. Die treiben die Bilderstürzerei mit Genugtuung; käme es auf sie
an, die Lorbeerbäume hätten ein behütetes Dasein.
Wenn liese Mäkellust dann doch vor ein paar Namen Halt macht,
vor ihnen sich widerspruchslos in Dank verkehrt, bietet’s freilich noch kein
Maß, das Künstlertum des Schilderhobenen daran zu messen; doch eine
Gewähr für seine starke und zwingende Persönlichkeit. Nicht Viele ent¬
waffnen die Widerstrebenden, Gezählte sind ihnen wert. Arthur Schnitzler
ist unter den Wenigen. Arthur Schnitzler! Wer von uns sagte den Namen
nicht freudig wie geliebtes Besitztum! So als öffnete er uns ein Fenster in
nahe Landschaft, eine Umschau über Menschen, die uns vertraut sind, über
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