VII, Verschiedenes 2, 50ster und 55ster Geburtstag, Seite 60

61
Y
Cour. 226) gibt, zu Necht Geltung heischen: „Er
wurde am 21. Januar 1849 in Stockholm geboren.
Ein Kind noch, baute Strindberg schon chemische
Apparate und grübelte über die Konstruktion des
Perpetuum mobile. 1867 machte er sein Abiturienten¬
eramen und ging auf die Universität nach Upsala.
Aber die Tribulation seines Geistes ward ebenso
mangelhaft gestillt wie das Geschrei des Magens.
Darum mußte er Geld verdienen, und es gab wenig
Berufe, die er nicht ergriffen hätte. Er war Volks¬
schullehrer, Schauspieler, Arzt, Redakteur, Tele¬
graphen=Assistent, Maler, Prediger, Hauslehrer,
Staatsbibliothekar, und ich weiß nicht, was noch
alles. Er hat das Leben in seinen Höhen und
Niederungen geschaut und gelebt. Er war bald
Hammer und bald Amboß; bald Speiche und bald
Rad; bald der Jäger, bald das Wild; Faust und
Mephisto, Pol und Gegenpol. Er lebte heftiger,
rascher und intensiver als die meisten Zeitgenossen.
Sein Geist war immer im Sattel. Er war immer in
Gärung. Man sah, wie es in seinem Kopfe kochte
und siedete; hörte, wie es in seinem Innern klagte
und könte; wie sein Gemüt brauste und brandete;
wie er bald herüber, bald hinüber geworfen wurde;
wie er scheinbar von Ertrem zu Ertrem rannte.
Gestern war er noch freundschaftsgläubig und ein
Menschensucher, heute ein Timon und am nächsten
Tage ein frommer Einsiedler. Er hatte die Kon¬
zentration und die Einsamkeit des Genies und die
Schmiegsamkeit und die Elastizität des Talents.“
Dagegen trifft es wohl nur eine Phase des Wandel¬
baren, wenn der Vorwärts (112) schreibt: „Der
Sozialismus darf Strindberg voll für sich in An¬
spruch nehmen, nicht nur mit einzelnen Werken und
Epochen seines wandlungsreichen Daseins. Er hat
das am Ende seiner literarischen Laufbahn so deutlich
ausgesprochen, wie er es an ihrem Anfange nieder¬
geschrieben hat. Wir haben im besonderen bei der
ausführlichen Besprechung seiner Selbstbiographie
„Der Sohn der Magd' darauf hingewiesen, daß
hier zum erstenmal die Entwicklungsgeschichte einer
Seele mit Bewußtsein unter die Einwirkungen des
Klassengegensatzes gestellt worden ist. Es ist nicht
einmal nötig, an die kommunistischen Utopien in
der Wirklichkeit zu erinnern, die künstlerisch übrigens
nicht die Höhe strindbergscher Kraft und Anschaulich¬
keit erreichen.“
An weiteren Strindbergstudien seien verzeichnet:
Raoul Auernheimer (N. Fr. Presse, Wien, 17143);
Klaus Hennings (Meißner Tagebl. 113 u. a. O.);
Paul Frank (Tagbl., Prag, 133); Ernst Schur
(Rhein.=Westf. Ztg. 586); Paul Zschorlich (Casseler
Tagebl. 228 u. a. O.); J. E. Poritzky (Hamb. Nachr.
226); Paul Landau (Hamb. Fremdenbl. 114 u. a.
L.); Theodor Kappstein (Elbinger N. Nachr. 114
u. a. O.); Helmuth Soltau (N. Hamb. Ztg. 227
u. a. O.); Hermann Sinsheimer (N. Bad. Landesztg.
225); Hermann Hesse (N. Tagebl., Stuttgart, 120);
Mar Foges (N. Wiener Journal 6666); Stefan

Mien 139); Auselm Ruest
—.—
box 39/2
„Röda Rummet“ 1879
boren 1849
Ge
1855
„Meister Oluf“ auf¬
1856
1880
geführt
1861
„Nya Rycket“ (Zei¬
1862
1880—1882
tung)
Ausland
1863
1883
K.
1864
Tod des Vaters.
1883

Infor.
1866
1884
Prozeß
Studem.
1867
1885
dito
Volksschullehrer
1868
1885
dito
1887
1869
dito
Kopenhagen, Theater
Upsala
1870
dito
1888
„In Nom“, „Bluts¬
Wieder daheim 1889—1891
freund“
1870
Berlin
1892
„Der Friedlose“.
Heirat Nr. 2
1893
1872
Literat
1894
Paris
„Meister Oluf“.
1895
1872
dito
„Dagens Nyheter“
dito
1896
1873
1897
(schwed. Zeitung).
dito
1898
Königl. Bibliothei
dito
1899
1874—1876
Furusund, Stockholm
Heirat Nr. 1
1899
1877
„Gustav Wasa“.
1901
„Frau Fjärdingen und
Heirat Nr. 3
Swartbäcken“. 1878 Geschieden Nr. 3. 1904
Über Hermann Eßweins „August Strindberg im
Lichte seines Lebens und seiner Werke“ (Georg Mül¬
ler, München) schreibt Fritz Droop (Hamb. Fremden¬
blatt 105).


Arthur Schnitzler
„Die vielen Würdigungen, die zum fünfzigsten Ge¬
burtstag des wiener Dichters erschienen sind, stimmen
alle in dem einen zusammen: sie zeigen, daß Arthur
Schnitzler mit der Bewunderung auch deren besserer
Teil, die Liebe, zugeflogen ist. Denn das und nichts
anderes will es wohl besagen, wenn Ludwig Bauer
(Zeit, Wien 3461) schreibt: „Derart geht es ja allen
mit ihm; was sie auch gegen ihn zu sagen hätten,
wie von selbst wird der Tadel zum Lob. Nicht als
ob er nicht reich genug wäre, um alle Einreden gegen
seinen Besitz stolz zu Koerdauern; aber wir spüren,
daß bei ihm, wie be' allen gewachsenen Wesen, seine
Fehler nur die Schaten seiner Tugenden sind. Wohl,
man könnte sagen, in einer Welt treiben sich müßig¬
gängerische Selbstsüchtige herum, Kalte und Ver¬
zärtelte, die sich selbst alizu wichtig nehmen. Aber
sind jene Geschöpfe nicht die reinste Ausbildung eines
neuen Typ, der sich gebildet hat und den er zuerst
künstlerisch eingefangen hat? Mag sein, daß ihr
geistiger Bezirk allzu gepflegt und künstlich ist wie
ein schmaler Cottagegarten mit weißen Wegen, doch
wie dürften wir vergessen, wie weit man von dort
hinabsieht auf den Dunst der großen Stadt und wie
entrückt und verfeinert man hier lebt, wie hier aus
Liebeleien und raschen Aventiuren der Sinne tief¬
sinnige Symbole werden, wie schwebend, voraus¬
setzungsreich und beziehungsvoll die Geistigkeit jener
kleinen Gesellschaft ist? Es ist sehr naheliegend zu
bemerken, daß er seine Gestalten wiederholt — aber
diese scheinbare künstlerische Armut beweist eben seinen
hohen Reichtum, mit der er sie immer wieder zu ver¬
Stiefen und zu erweitern versteht. Je kleiner der
Spiegel, desto bewunderungswürdiger die Kunst, in
ihm unsere ganze Seele zu zeigen. — Darum, weil
man ihn liebgewonnen, läßt man sich gern von
Hermine Hauel (Münch. N. Nachr. 246) Persönliches
erzählen: „Ein echter Wiener ist Schnitzler auch in
seiner Begabung für Musik. Er hat gis Junggeselle
viele Jahre auf derselben Etage n seiner Mutter
eine behagliche Garconwohnung innexchabt und jeden
Tag mit der von ihm verehrten alten Dame vfer¬
händig musiziert. In Konzerten ist er ein oft ge¬
sehener Gast, und als er Anfang der Vierziger
heiratete, da führte er eine Frau heim, die eine schöne¬
Stimme hat. So singt und klingt es in dem hübschen