VII, Verschiedenes 2, 50ster und 55ster Geburtstag, Seite 72

Soth and 55th Birthday box 39/2
das Recht auf klare Verständigung will, was der sogenannten „breiten
Masse“ schmeckt. Gerade die elen¬
von der Bühne zum Zuschauer bleibe
desten Sudelköche, die Erzeuper der
anerkannt, aber daneben soll der, der
stupidesten Operetten und der gemeinster.
sich künstlerisch erziehen will, doch auch
Judenschwänke berufen sich zu ihrer
an Dichtungen herangehen, die im Be¬
Entschuldigung immer wieder auf den
sonderen andachtsvolles Lauschen ver¬
schlechten Geschmack der breiten
langen. Es sind nicht immer die edelsten
Masse“. Wir verlören die Achtung vor
Dichtungen — wie es nicht immer die
und die Freude an uns selbst, wenn
die sich im
edelsten Frauen sind
wir je zu so charakterarmen Dienern
ersten Ansturm dem Werber hingeben.
herabsinken wollten. Und deshalb bitte
Um eine Dichtung will zuweilen de¬
ich Sie: Nehmen Sie dieses Werk, das
mütig, still, lauschend geworben sein!
zum erstenmal in deutscher Sprache
Es gibt ein ganz einfaches Mittel, auch
höfische Menschen als Karikaturen ge¬
das schwierigste Werk verhältnismäßig
sehen hat, das von shakespearescher
leicht zu erfassen und dieses Mittel
Laune erfüllt und vom Mondschein der
heißt: Still sein! Nicht nur äußerlich
Romantiker beglänzt ist, mit stillem,
still sein, sondern auch innerlich sich auf
werbendem Herzen auf. Die große
Ruhe einstellen, mit inneren Ohren
Kunst ist so klar, man muß nur ein¬
lauschen, nicht gleich widerreden wollen,
fach lauschen können!...“ Es sei hin¬
nicht gleich klüger sein wollen! Es gibt
zugefügt, daß nach der ersten alle
einen Typus vorwitziger Menschen, der
späteren Aufführungen von „Leonce
Wum alle Bereicherungen
und Lena“ in bester Stimmung, unter
echtem Beifall vonstatten gingen.
Arkür Schnitzler
nre
(Zum No. Gebürtstag)
Artur Schnitzler ist jetzt, zu seinem
50. Geburtstag, mit reicher Einmütig¬
keit ospriesen worden; wie es sich bei
Schnitzler, dem Vielgeliebten, wahrhaft
Respektierten von selbst verstand. Er
war nie einer von den strengen Geistern,
die abweisen, keine quälende Origina¬
lität, die zwingt. Schnitzlers Werte
schmeicheln sich ein. Er begann graziös,
plaudernd, feuilletonistisch. Er brachte
nahe tägliche Dinge und brachte sie
reizend. Auch seine Probleme wirkten
wie Liebenswürdigkeiten und seine
sentimentale Schwermut tat nicht weh.
Konziliante Weichheit des Charakters,
geistreich pointiertes Können, zarte Be¬
lebung. Er war von allem Anfang an
das unzweifelhafte Talent, der glück¬
liche Könner, der sympathische Dichter.
Und er lebte auch stofflich in einer für
den ersten Anschein ungemein ange¬
nehmen Sphäre. Er schilderte Luxus¬
menschen, die Zeit hatten, ihre Gefühle
zu zerfasern, mit ihren Wünschen zu
spielen, ihr Herz und ihre Nerven ab¬
zuhorchen. Zeit und Geld und, was
mehr ist, Muße; eine etwas verspielte
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