2. 50th and 55th Birthday box 39/2
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schlagfertig zu erhalten und mit den hiezu erforderlichen wäre. Die Juden wollen in voller Gleichheit mit den
anderen Bürgern dieses Staates bei den Wahlen in die
Mitteln nicht zu kargen. (Lebhafter, anhaltender Beifall.)
öffentlichen Vertretungskörper mitwirken und sich nicht
Im Namen der Revisoren erstattet Herr Josef
in eine eigene Kurie hineinpferchen lassen, welche ihnen
Fuchs den Kassabericht.
einen unsichtbaren gelben Fleck anheften würde. Es sei
Der Präsident eröffnet die Diskussion und erteilt
aber auch nicht möglich, in der Bulowina eine jüdische
zunächst Herrn Lucian Brunner das Wort. Herr
Kurie zu errichten und in Wien, Böhmen, Mähren und
Brunner gibt dem Befremden darüber Ausdruck, daß
den Alpenländern eine solche zu vermeiden. Daß aber die
die „Oesterreichisch=Israelitische Union“ sich in der letzten
jüdische Kurie für die innerösterreichischen Länder ein Ding
Zeit auffallend von allgemeinen politischen Angelegen¬
der Unmöglichkeit sei und die Juden in eine ganz unhalt¬
heiten zurückgezogen habe. Sie habe jetzt unmittelbar vor
bare — sowohl politisch als wirtschaftlich und sozial —
den Gemeinderatswahlen keine Versammlung abgehalten
Lage brächte, bedarf keiner besonderen Begründung, nach¬
und sie kümmere sich anscheinend auch nicht um die Kultus¬
dem Herr Brunner eine eigene jüdische Wahlkurie selbst
wahlen. Redner führt einzelne politische Momente, insbe¬
für unpraktisch erklärt habe. (Lebhafter Beifall.)
sondere die Stellungnahme zu dem Verlangen der Buko¬
Es sprechen hierauf die Herren Beer und Rotten¬
winaer Judenschaft um Gewährung eines jüd. Katasters
berg, worauf die Debatte geschlossen wird. Die Ver¬
an, bei denen der Vorstand der „Union“ selbständig vorge¬
sammlung erteilt zum Schlusse dem Vorstande das Abso¬
gangen sei, ohne die Meinung der Mitgliederversamm¬
lutorium und spricht den Revisoren den Dank aus. In
lung eingeholt zu haben. Ein jüdischer Kataster in der
den Vorstand werden per acclamationem einstimmig die
er selbst
Bukowina mag praktisch sein oder nicht
Herren Dr. Jakob Ornstein, Gemeinderat Stadtbau¬
so müsse doch
halte einen solchen für nicht praktisch
meister Edmund Melcher und Isidor Samuely wie¬
den Mitgliedern Gelegenheit geboten werden, zu einer
der= und Herr Dr. Arthur Mahler neugewählt. Zu
solch wichtigen Angelegenheit Stellung zu nehmen. Redner
Revisoren wurden die Herren Ig. Simon und Kultus¬
spricht den Wunsch nach einer regeren politischen Tätigkeit
vorsteher S. Brod bestellt.
und nach häufigerer Abhaltung von Versommlungen aus.
Nach Schluß der Generalversammlung hielt Herr Dr.
Präsident Dr. Samuely erwidert dem Vorredner,
S. Bloch einen überaus interessanten, mit geoßem
### auch für die Judenschaft andere geworden¬
RBAT
=eifalle aufgenommenen Vortrag unter dem Titel:
„Reiseeindrücke aus Amerika“, welcher in der „Oester¬
reichischen Wochenschrift“ bereits publiziert wurde.
Arthur Schnitzler.
(Geboren am 15. Mal 1362.
Fünfzig Jahre! Fast wehmütig will es uns berühren,
Thaß der jugendliche Dichter der Wiener Jugend, dessen ersten
Mißerfolg wir miterlebt und dessen ersten Triumph wir mit¬
gefeiert, nun die Höhe des Lebens überschreitet, um einen
hoffentlich langen und glücklichen Weg ins Alter zu gehen,
der ihm zugleich immer mehr ein Weg ins Große, Weite
und Freie sein möge.
Als vor einigen zwanzig Jahren Christine die Bretter
des Burgtheaters betrat und der Erfolg der „Liebelei“ in
wenigen Tagen in ganz Deutschland nachklang, da war es
zum erstenmal seit Dezennien, daß wieder ein Angehöriger
der jüdischen Rasse von sich hätte sagen dürfen: „Ich bin ein
deutscher Dichter, bekannt im deutschen Land, nennt man die
besten Namen, wird auch der meine genannt". Freilich, ver¬
giftet waren diese Lieder damals noch nicht, und dies ist
aus dem Milieu leicht erklärlich, aus dem Schnitzler hervor¬
ging. Wenn deutsche Literarhistoriker immer wieder hervor¬
heben, daß aus jeder Zeile der vom Judentum abgefallene
Heine und Börne, die im Ghetto verbrachte Jugend durch¬
schimmert, wenn das Germanentum diese zwei großen Geister
als Fremdlinge empfindet und sich mit Leben und Tod
gegen sie wehrt, so ist dies nicht mit Schnitzler der Fall,
der so unerschütterreu zum Judentum hält und gehalten
hat, selbst als die Versuchung zum Uebertritt in der Gestalt
einer tiefen und tragischen Leidenschaft an den Dichter heran¬
trat. Blieb uns von ihm nichts als seine Werke, so könnte
die feinste Spürnase eines Literarhistorikers aus der natio¬
nalistischen Schererschule auch aus keiner Zeile herausfühlen,
daß hier nicht ein Vollblutwiener geschrieben, und hievon
nehmen wir selbst das Werk, und das erst recht nicht aus,
das als sein einziges das jüdische Problem behandelt und
Jnden auf die Szene bringt. Der Dichter, dessen Werke auf
zwei Hemisphären gespielt werden, und der nicht etwa sym¬
bolisch, sondern in Wirklichkeit von russischen Schauspielern
auf russischen Bühnen auf den Händen im Triumph herum¬
getragen wurde, wäre kein Vollblutösterreicher, wenn er nicht
nirgends so wenig anerkannt wäre, als in Wien, namentlich
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schlagfertig zu erhalten und mit den hiezu erforderlichen wäre. Die Juden wollen in voller Gleichheit mit den
anderen Bürgern dieses Staates bei den Wahlen in die
Mitteln nicht zu kargen. (Lebhafter, anhaltender Beifall.)
öffentlichen Vertretungskörper mitwirken und sich nicht
Im Namen der Revisoren erstattet Herr Josef
in eine eigene Kurie hineinpferchen lassen, welche ihnen
Fuchs den Kassabericht.
einen unsichtbaren gelben Fleck anheften würde. Es sei
Der Präsident eröffnet die Diskussion und erteilt
aber auch nicht möglich, in der Bulowina eine jüdische
zunächst Herrn Lucian Brunner das Wort. Herr
Kurie zu errichten und in Wien, Böhmen, Mähren und
Brunner gibt dem Befremden darüber Ausdruck, daß
den Alpenländern eine solche zu vermeiden. Daß aber die
die „Oesterreichisch=Israelitische Union“ sich in der letzten
jüdische Kurie für die innerösterreichischen Länder ein Ding
Zeit auffallend von allgemeinen politischen Angelegen¬
der Unmöglichkeit sei und die Juden in eine ganz unhalt¬
heiten zurückgezogen habe. Sie habe jetzt unmittelbar vor
bare — sowohl politisch als wirtschaftlich und sozial —
den Gemeinderatswahlen keine Versammlung abgehalten
Lage brächte, bedarf keiner besonderen Begründung, nach¬
und sie kümmere sich anscheinend auch nicht um die Kultus¬
dem Herr Brunner eine eigene jüdische Wahlkurie selbst
wahlen. Redner führt einzelne politische Momente, insbe¬
für unpraktisch erklärt habe. (Lebhafter Beifall.)
sondere die Stellungnahme zu dem Verlangen der Buko¬
Es sprechen hierauf die Herren Beer und Rotten¬
winaer Judenschaft um Gewährung eines jüd. Katasters
berg, worauf die Debatte geschlossen wird. Die Ver¬
an, bei denen der Vorstand der „Union“ selbständig vorge¬
sammlung erteilt zum Schlusse dem Vorstande das Abso¬
gangen sei, ohne die Meinung der Mitgliederversamm¬
lutorium und spricht den Revisoren den Dank aus. In
lung eingeholt zu haben. Ein jüdischer Kataster in der
den Vorstand werden per acclamationem einstimmig die
er selbst
Bukowina mag praktisch sein oder nicht
Herren Dr. Jakob Ornstein, Gemeinderat Stadtbau¬
so müsse doch
halte einen solchen für nicht praktisch
meister Edmund Melcher und Isidor Samuely wie¬
den Mitgliedern Gelegenheit geboten werden, zu einer
der= und Herr Dr. Arthur Mahler neugewählt. Zu
solch wichtigen Angelegenheit Stellung zu nehmen. Redner
Revisoren wurden die Herren Ig. Simon und Kultus¬
spricht den Wunsch nach einer regeren politischen Tätigkeit
vorsteher S. Brod bestellt.
und nach häufigerer Abhaltung von Versommlungen aus.
Nach Schluß der Generalversammlung hielt Herr Dr.
Präsident Dr. Samuely erwidert dem Vorredner,
S. Bloch einen überaus interessanten, mit geoßem
### auch für die Judenschaft andere geworden¬
RBAT
=eifalle aufgenommenen Vortrag unter dem Titel:
„Reiseeindrücke aus Amerika“, welcher in der „Oester¬
reichischen Wochenschrift“ bereits publiziert wurde.
Arthur Schnitzler.
(Geboren am 15. Mal 1362.
Fünfzig Jahre! Fast wehmütig will es uns berühren,
Thaß der jugendliche Dichter der Wiener Jugend, dessen ersten
Mißerfolg wir miterlebt und dessen ersten Triumph wir mit¬
gefeiert, nun die Höhe des Lebens überschreitet, um einen
hoffentlich langen und glücklichen Weg ins Alter zu gehen,
der ihm zugleich immer mehr ein Weg ins Große, Weite
und Freie sein möge.
Als vor einigen zwanzig Jahren Christine die Bretter
des Burgtheaters betrat und der Erfolg der „Liebelei“ in
wenigen Tagen in ganz Deutschland nachklang, da war es
zum erstenmal seit Dezennien, daß wieder ein Angehöriger
der jüdischen Rasse von sich hätte sagen dürfen: „Ich bin ein
deutscher Dichter, bekannt im deutschen Land, nennt man die
besten Namen, wird auch der meine genannt". Freilich, ver¬
giftet waren diese Lieder damals noch nicht, und dies ist
aus dem Milieu leicht erklärlich, aus dem Schnitzler hervor¬
ging. Wenn deutsche Literarhistoriker immer wieder hervor¬
heben, daß aus jeder Zeile der vom Judentum abgefallene
Heine und Börne, die im Ghetto verbrachte Jugend durch¬
schimmert, wenn das Germanentum diese zwei großen Geister
als Fremdlinge empfindet und sich mit Leben und Tod
gegen sie wehrt, so ist dies nicht mit Schnitzler der Fall,
der so unerschütterreu zum Judentum hält und gehalten
hat, selbst als die Versuchung zum Uebertritt in der Gestalt
einer tiefen und tragischen Leidenschaft an den Dichter heran¬
trat. Blieb uns von ihm nichts als seine Werke, so könnte
die feinste Spürnase eines Literarhistorikers aus der natio¬
nalistischen Schererschule auch aus keiner Zeile herausfühlen,
daß hier nicht ein Vollblutwiener geschrieben, und hievon
nehmen wir selbst das Werk, und das erst recht nicht aus,
das als sein einziges das jüdische Problem behandelt und
Jnden auf die Szene bringt. Der Dichter, dessen Werke auf
zwei Hemisphären gespielt werden, und der nicht etwa sym¬
bolisch, sondern in Wirklichkeit von russischen Schauspielern
auf russischen Bühnen auf den Händen im Triumph herum¬
getragen wurde, wäre kein Vollblutösterreicher, wenn er nicht
nirgends so wenig anerkannt wäre, als in Wien, namentlich