VII, Verschiedenes 2, 50ster und 55ster Geburtstag, Seite 86

Soth and 55th Birthday box 39/2
kehrt der Zug in die Moschee zurück, und die ganze Nacht
darauf hört man die frommen Gesänge der Araber, die
auf den Dächern ihrer Häuser knien, zum Himmel empor¬
steigen, während der Chefmarabu unter gräßlichen Schmerzen
meist seinen Geist aushaucht.
Vom rein menschlichen Standpunkt schadet es gewiß
nichts, wenn die Italiener angesichts der stetig fortschreiten¬
den Kultur diesen Unfug verboten haben. Ob es freilich
politisch klug war, darüber wird man anderer Meinung sein
dürfen als sie.
Gaze.
Arthur Schnitzler.

FuTeITI NV. WrhIFrewid- Mat.-
Den Reigen der 50jährigen Dichterjubilare in diesem Jahre
eröffnet der Wiener Arzt Arthur Schnitzler, der dramatisierende
Novellist. Als ausgeprägte Persönlichteit steht er in der deutschen
Literatur; die ferneren Jahre werden nicht mehr viel dazu zu geben
und nicht mehr viel davon wegzunehmen haben. Er besitzt in ge¬
steigertem Maße jene Wiener Art, die mit der sinnlichen Genu߬
freudigkeit des Aestheten, mit einer Dosis Skepsis und einem bißl
Frivolität und liebenswürdig=grober Offenheit im Leben steht.
Es ist nicht ein Uebermaß von Temperament, das ihn wie z. B.
Hermann Bahr bald in diese, bald in jene Richtung trieb und ihn
in leidenschaftlicher Brauseköpfigkeit für Hinz und Kunz und stän¬
dig wechselnde Götter Partei ergreifen ließ. Mit dem ersten Werke
schon stand er bereits mit beiden Füßen auf seinem Weg, und es
war ein ständiges, dem Anschein nach tändelndes, im Grunde aber
energisch zähes Fortschreiten. In sein weiches, leichtes Wiener
Blut mischte sich die Schwermut des Stimmungsmenschen. Arthur
Schnitzler ist ein Stimmungsmaler von tausendfältiger Nuance,
von wollüstig feinen. Uebergängen, von spielerischer Anmut und
erlesenem Kunstgeschmack. Aber er versinkt nicht in die Stimmung,
er schautelt auf dem leisen Wellenspiel. Sein Verstand hält die
Ruder, damit ihn die Woge nicht überrascht. Er liebt sie nicht —
Wogen und Sturm. Er ist zu müde, zu gefühlskühl dazu. Er
bangt nicht vor der Leidenschaft, weil sie ihn niederringen könnte,
sie ist ihm kein drohendes Element, das er sucht, weil sein Blut
es braucht. Er steht immer so ein wenig außerhalb von allem.
Seine Gestalten sind nicht so eigentlich Fleisch von seinem Fleische,
Blut von seinem Blute. Er ruft sie in den Dämmerstunden seiner
1 1 Stimmungsträumereien, nicht um sich mit ihnen zu verschmelzen,