VII, Verschiedenes 2, 50ster und 55ster Geburtstag, Seite 122


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Soth and 55th Birthdav
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zu lenken glaubte, erfährt es in dem Augenblick, indem seine! Buches. Traf sie sein Aug
Ardhur Schnitster.
Traumwelt niederbricht. Mit fast theoretischem Witz hatsauch zu umfassen, und hi
Schnitzler das Zusammenfließen von Ernst und Spiel, Wirk- gütigen Ironie leben sie sich
Zi des Dichters 50. Geburtstag, 15. Mai.
lichkeit und Traum in der Groteske „Zum großenlvollen Wiener Bürgertypen
Ein Schattenriß von Hermann Kienzl=Berlin.
dardus“.) Aber Fleisch
Wurstel“ behandelt. Dasselbe Thema fand den frappan¬
sind die feinbenervten in
Arthur Schnitzler gab seinem fünfzigsten Geburtstag
testen Ausdruck in dem grandiösen Einakter „Der grüne
ohne Antwort, die Untreu
das rechte Symbol, indem er gerade jetzt das Buch erscheinen
[Kakadn“, der am 14. Juli 1789, dem Tag der Bastillen¬
ließ, das im letzten Jahre entstanden ist. Damit brachte er
Tod Geküßten, die das L#
lerstürmung, in der wüsten Kneipe Prosperes spielt, wo sich
sich selbst das einzige Festgeschenk dar, das seiner würdig ist.
Sanskulotten, Komödianten und ahnungslose, neugierige Sein und Wesen hat Schni
Wir sagen von einem Wohltäter, er lebe zu der Menschen
Aristokraten bunt vermischen. Die hochgeborenen Gästel rischen Innenlebens gegebe
heißt — wohl gerade darum
Freude; aber er lebt im Ersprießlichen sich seibst zur Freude.
lapplandieren noch dem amüsanten Theaterspiel, als der eifer¬
schen einen solchen Wegn
Dichterisches Schaffen ist stärkstes Vitalitätsgefuhl. Wir
süchtige Schauspieler den leibhaftigen Herzog wirklich er¬
Heim= und Fremdsein, de
glauben uns vom Dichter beschenkt; aber er beschenkt sich, in¬
stochen hat und vor den Türen die Revolution ausgebrochen
Schicksal übernahm, wird i
dem er sich ausschenkt.
ist. Aber der blutige Täter selbst gab sich nicht Rechenschaft,
heitlichen Schicksal, und
Das neue Buch des Dichters: „Masken und
als die rote Woge der Leidenschaft ihn aus dem Spiel in die
Symbol.
Wunder“ ist auch deshalb von Bedeutung, weil seine sechs
grause Wirklichkeit trug. Und wieder in der „Hirten¬
Novellen die tiefen Grundakkorde aller Schnitzlerschen Dich¬
Auch „Der Weg ins
Iflöte“, einer wundervollen Novelle des letzten Buches, geht
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tungen sammeln. Wieder horcht er hinab zu dem leisen,
„Alles fließt“. Auch hier
Dionysia, die ein holdes, keusches Weib war, wie im Traum
dunklen Rauschen eines Lebens in uns, das mächtiger ist,
der Lenz Ewigkeit geloge
durch die außerordentlichen Ruchlosigkeiten ihres Lebens¬
als unsere klaren Erkenntnisse, Pläne und bewußten
diese Unfähigkeit des trei
Was hat sie verwandelt? Nein, eine Wandlung war es nicht!
Folgerungen: dieses in uns verborgene Leben, das mit.
halten, ist ein Leitmotiv f#
Aber der selbstquälerische Gatte, sinnbildlich zum ewig un¬
unserem Traum und Wachen ein verwirrendes Spiel treibt,
Schnitzlers. Und meist i
befriedigten astronomischen Forscher gemacht, hatte sie mit
führt uns, indes wir uns selbst zu führen meinen. Schnitzlers
Mannes furchtbar. In
dem Frevelmut seines Skeptizismus ihren eigenen, noch
knaben „Anatol“ fallen
erstem Buche, dem „Anatol“, jenen skeptisch=frivolen Szenen
schlummernden Trieben übergeben die er wachrief, indem er
„Liebelei“ jedoch, Schi
aus dem Leben eines jungen Wiener Epikuräers, hatte Hof¬
sein argloses Weib verpflichtete, rücksichts= und reuelos jedem
dieser Schatten schwarz
mannsthal das Motto gegeben:
in der Tiefe erlauschtem Wunsche nachzugehen. Befreit von
„Also spielen wir Theater
allen Hemmungen, treibt nun das Leben mit Dionysia ein Schatten. Der junge Fritz
Spielen unste eignen Stücke,
als Anatol, doch kann er
wildes, brausendes, vernichtendes Spiel.
Frühgereift und zart, und traurig,
eine Dame der großen B
„Sicherheit ist nirgends. Da wir nicht Herren unserer
Die Komödie unster Seele.
Lebensstunde begreifen, da
selbst sind, entgleiten wir uns, wie uns das Leben, der Be¬
Unsres Fühlens Heutz und Gestern,
schöpf ihm, beschieden gewe
Böser Dinge hübsche Formel,
sitz der Seele, die Liebe entgleiten.“ Arthur Schnitzler, als
das seiner flüchtigen Laun
Glatte Worte, bunte Bilder.
Wiener ein feinstes Zuchtwahlprodukt überreifer, herbstlicher
Halbes, heimliches Empfinden,
Leben entgegengebracht h
Kultur; als deutscher Denker und Schwärmer ein Probiema¬
Agonien, Episoden
tiker, der, wenn es Rätsel zu lösen gibt, sein mildes Gemüt,llischt die Liebe, oder sie
Und Schnitzler selbst spricht in dem nachdenklichen
sein eigenes Mitleid nicht schonen kann; als Jude mit mordet. (Nur einmal,
akter „Paracelsus“ die Worte:
einem unendlichen Heimweh, mit dem melancholischen Drama „Der Schleie
„Es fließen ineinander Traum und Wachen,
Zweifel begabt, der selbst die Stunde des Taumels und Ge¬Herz des Mannes an der
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
nusses trübt; dieser aus kostbaren Elementen zu einer Eigen=Beatrice in die wilden A
Wir wissen nichts vom Andern, nichts von uns.
heit ohne Gleichen erwachsene Dichter hat selten in seinen innere Unbeständigkeit, ist
Wir spielen immer; wer es weiß, ist klug.“
Schöpfungen die robusten, gesund=animalischen Menschen ge=ldie Brunst nach dem Leh
Wer es nicht weiß, wie sein „Puppenspieler“ der
die Drähte des eigenen und fremden Seins mit festen Händenlsucht. Doch wohl in einzelnen Einaktern des „Neigen"=Christine (nebenbei ein
Katner 1