VII, Verschiedenes 2, 50ster und 55ster Geburtstag, Seite 126

5oth and 55th Birthday box 39/2
chwohl in einzelnen Einaktern des „Reigen“=zu täuschen suchen). Im „Einsamen Weg“ ist der
junge Anatol (er trägt natürlich nicht mehr diesen Namen)
kraf sie sein Auge, so wußte sie sein scharfer
ein Greis geworden, dem das Dasein keine Blume mehr
u umfassen, und hinter dem leichten Schleier
reicht, und der die grauenvolle Verlassenheit eines Herzens
n Ironie leben sie sich aus. (Ich verweise auf
erntet, das ehedem sein Liebstes verließ . . In der Novelle
bllen Wiener Bürgertyven im Drama „Der
1„Der Mörder“ endlich des neuen Novellenbandes
ärdus“.) Aber Fleisch und Blut von Schnitz¬
„Masken und Wunder“ einem grausamen Meisterstück der
sind die feinbenervten melancholischen Naturen.
Psychologie, wird der Mann, der ein Mädchen über alles
ohnie Antwort, die Untreuen, die die Treue
liebte, nach erloschenem Flammentrieb zum Giftmörder an
vom Tod Geküßten, die das Leben allein lielen.
der ahnungslos ihm Hingegebenen! Das Grausige ent¬
es Sein und Wesen hat Schnitzler in dem Ro¬
wickelt sich mit furchtbarer Notwendigkeit. Unvergleichlich
reflektorischen Innenlebens gegeben, der „Der
ist die Analyse des Doppelgefühls in den Stunden, die von
[Freie“ heißt — wohl gerade darum so heißt,
Liebesrausch und Untreue beherrscht sind. Schnitzler quälte
solche Menschen einen solchen Weg nicht gibt ...
hier seine Phantasie mit der realen Ausgestaltung von
alt von Heim= und Fremdsein, den der Dichter
Empfindungserlebnissen, die er einst in dem Gedicht „An¬
eigenen Schicksal übernahm, wird in dieser
fang vom Ende“ gebeichtet hat:
einem menschheitlichen Schicksal.
Doch, daß ich so einsam von Dir gegangen,
Der Weg ins Freie“ hat das unsichtbare Motto:
Wie käm's Dir denn zu Sinn,
Und daß ich, von Deinem Arm umfangen,
Auch hier stirbt an sich selbst eine Liebe,
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So endlos fern Dir bin!
nz Ewigkeit gelogen hat. Dieses traurige
Ich wil! ja morgen wiederkommen
ese Unfähigkeit des treuesten Willens, sein
Mit läckelndem Gesicht:
halten, ist ein Leitmotiv fast aller Dramen und
Und daß ich längst Abschied von Dir genommen,
Schnitzlers. Und zumeist ist die natürliche
Mein Mädel, — Du weißt's ja nicht ...“
. In die leichtlebige
des Mannes furchtbar.
Der Zusammenbruch der Illusion ist die
Lebeknaben „Anatol“ fallen nur erst matte
Tragik in Schnitzlers Dichtungen. In dem so ergreifenden
jedoch, Schnitzlers povu¬
In „Liebelei“
als knappen Drama „Die Gefährtin“ erfährt ber
auspiel, ist dieser Schatten schwarz wie der
greise Gelehrte unmittelbar nach dem Tode seines geliebten
des Todes Schatten. Zwei Welten tun sich auf:
Weibes, daß all' sein Glück Selbsttäuschung gewesen, daß
terscheiden sie sich als die Welt der müden
die Frau ihn betrogen und nie geliebt hat. In einer dün¬
die der unverbrauchten Armen; im tieferen
neren Luft der Skepsis, in der man verstörende Ueber=
ßen sie Selbstsucht und Hingebung, sehnsüchtige
raschungen nicht mehr erlebt, vollziebt sich ein ähnlicher
d naive Treue. Sie käme also doch auf Erden
Vorgang, in der Novelle „Der Tod des Jung¬
scherheit? Ja, aber unserem Dichter ist sie das
gesellen“ („Masken und Wunder"). Aber wie! Ist
d, das sein Fuß nicht betritt. In seinen Dich¬
nicht das Leben selbst nur eine Illusion, die der Tod
scht die Liebe, oder sie wird von des Mannes
zerstört? Heiße Lebensgier atmen Schnitzlers Dichtungen:
nordet. Nur einmal, in dem großzügigen
wie er aber, wenn er den Becher des Genusses trinkt, die
=Drama „Der Schleier der Beatrice",
trübe Hefe schon vorausschmeckt, so ist seine Lebenslust
as Herz des Mannes an der Untreue der Ge¬
krank an Todesbewußtsein und Todesfurcht. Diese stärksten
h was Beatrice in die wilden Abenteuer treibt,
Wideriacher in des Dichters Brust kämpfen sich aus in der
entlich innere Unbeständigkeit, ist die Peitsche
erschütternden Novelle „Sterben“, in der schönheits¬
efahr und die Brunst nach dem Leben. Die Ge¬
trunkenen Tragödie „Der Schleier der Beatrice",
geopferten Christine (nebenbei: ein wunder¬
in der, auch als gesellschaftliche Satire bedeutsamen Er¬
schengedicht aus dem Volke!) und des Anatol¬
zählung „Gustl“, in dem (verunglückten) Schauspiel „Der
in vielen Dichtungen Schnitzlers wieder, ver¬
[Ruf des Lebens“ und in den genial pointierten Ein¬
äußere Verhältnisse, Schicksale, Standes¬
altern „Lebendige Stunden.
ltersunterschied. Mit ironischer Herbe wird
Kein Herold, kein Zarathustra, der zu lichten Höhen]
hema variiert in der Tragikomödie „Das
führt, kein gläubiger Prophet ist Arthur Schnitzler. Er hatf
nd.“ und mit humoristischer Ueberlegenheit in
sich auch nicht eigentlich unter die Kämpfer der sozialen
Wurf der „Komtese Mizzi“ Auch im
uspiel“ stirbt die Liebe, aber hier in zwei Dichtung gestellt, obwohl er soziale Fragen wiederholt be¬
sich veraebens über den naturgemäßen Prozeßl bandelte. Sein Amt ist: die Seele ausborchen, die Welt!

sinnend betrachten, das Leid: de bedenken, Schönbeit
suchen und an ihrem Grabe klag 1. Er ist mitleidig, aber
gewiß nicht wehleidig: denn er ei pfängt den Schmerz mit
offener Brust. In den Dämmer ingen des Herzens, wo
Leid und Schuld sich bilden und haotisch ballen, sieht er
klarer, als die Menschen mit heller. Augen. Das Leise, das
Halbbewußte ist sein Element. In diesem Element ist er
ein reicher und großer Dichter.