VII, Verschiedenes 2, 50ster und 55ster Geburtstag, Seite 129

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5oth and 55th Birthdar

—.—
zu beweisen, daß ihr Herz zum so= und sovic
mehr übers Feld springen in lichter Frühe,“ heißt es einmal,
ist. Neben die Wiener Schlichtheit neben
„den Himmel überm Haupt — nie mehr an blühenden Liv¬
Grazic des Dreivierteltaktes hat Schnitzler a
pen hängen, vom Dufte zitternder Brüste umweht, — kein
240— Feuilleton.
mus gesetzt, der sogar zu allerhand widern
Laut lebendiger Stimmen mehr für uns, kein Schimmer mehr
mitteln greift als wie zu Suggestion oder
von Sonne und Sternen ... hinsinken, bluten, verenden,
#7 arthur Schnitzler.
Er hat die süßen Szenen „Anatol“, die
eingegraben werden für alle Zeit — wenn dir davor nicht
„Reigen“ und die allerergreifendste Skizz
Zum 50. Geburtstag am 15. Mai.
graut, Freund, verstehst du weder Tod noch Leben.“
Gust!“ geschrieben — vielleicht um zu s
Zuerst und vor allem: Wien lebt in seinem Werke. Nicht
mit all der schlichten Herzlichkeit vor der
vie Harptmann und Schlaf, die demselben guten Jahrgang
Endes nicht weiter kommt, daß die Natürlich
1862 entstammen, kommt er vom Naturalismus, sondern
liegt und daß es nötig ist, sich in ein künsth
er schöpft aus der überreichen Kultur der Donau=Stadt;
sein hineinzuarbeiten und hier wenigstens den
ja vielleicht sind die treuherzigen, bald lustigen, bald senti¬
nur diesen zu genießen.
mentalen Wiener Lokaldichter in einem gewissen Sinne auch
Deshalb scheint in Schnitzlers Welt auch
seine literarischen Ahnen. Seine Gefährten und Erzieher
Er bevorzugt die Andeutungen und er läßt
aber bleiben die Naturalisten.
Liebesspiele wickeln sich nie in der Oeffentlich
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folgt dabei oft den Franzosen, welche durch
Wien lebt in seinem Werke — das bedeutet eine Ein¬
W. Sehisch
eines „gewissen Etwas“ die Konturen ver
schränkung. Er ist nicht groß, er bleibt in seinem Kreise und
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Wahrheiten verschleiern. Viele zwar werden
er wird erst in der Beschränkung ein unübertrefflicher Meister
E
sind Mittel, die Vollkommene nicht anwend
— derart, daß er immer mehr nach innen geht immer leiser
S
das Atemnachlassen des Autors hinweghel
und versonnener wird. Er, der vor allem Dramatiker ist,
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niemand vermag zu behaupten, daß Schn#
packt nicht das großartige Leben der Helden, sondern das
Dramatiker ist, wie die meisten Franzosen.

kleine ziemlich nutzlose der sehr vielen; das Leben der La¬
Nein, obwohl er ein Träumer, — ein
denmädel etwa, die sich verlieben, und der jungen Herren,
ein scharf auslugender Naturalistenfreund,
die sie verlassen. Der Wiener Ladenmädel und der Wie¬
SMMT!

Psycholog, ein unfehlbarer Zielgewinner (wi
ner Herren, die ohne frohe Laune und Musik undenkbar
Tewruf Kifng!
oft auf weichen Ibsensohlen) muß er immer
sind. Er packt das Leben von anmutigen Träumern, wie sie
der genannt werden: er träumt niemals
in Schuberts und Grillparzers Tagen schon ihr Wesen trieben
Kunst! Das macht wohl, weil er nebenher
Artur Schnitzler.
und wie sie fast vorbildlich oder doch wenigstens unvergeßlich
wachen Beruf übte, weil er als Arzt verp
geworden sind. Aber wenn Schnitzler Wien schildert, so
Der Ruf nach dem Leben schlägt bei Schnitzler immer
Augen offen zu halten, Diagnosen zu stellen
schildert er es wie eine Legende. Die Musik und das Lachen
wieder am Tode an; und so wie er die schönsten Worte über
zu forschen. Der Arzt schuf hier den Psycht
das alles klingt so fern; und wenn er von der ver¬
die Liebe gegeben, so sprach er die tiefsten über das Sterben
niemals irrt, der sicherer geht, als die m
liebten Ladnerin, dem „süßen Mädel“ erzählt, dann vergißt
neben ihm, und der sich vor allem auf
aus. Oder wenn er sie nicht aussprach, so breitete er wenig¬
er nicht, ihr einen kleinen Heiligenschein anzuheften und
steht, wie kompliziert ihre Psyche sich auch
stens das samtene Dunkel von Stuben, in denen bis zur
sie so rührend schlicht und ergreifend darzustellen, daß man an
Daß Schnitzler ein Forscher ist, merkt m
Abschiedsstunde Särge warten, als Himmel über die Liebe
Aschenbrödel denkt, die am Herdfeuer sitzt und sich nach dem
seiner süßen Mädel und seiner schwächlichen kränklichen
Dialogen an. Diese sind regelmäßig wund
Prinzen sehnt. Vielleicht hat Schnißler überhaupt nur
jungen Herrn. Da erhält der erotische Reiz, der bei
und diese übertreffen die photographischen
Legenden erzählt, Legenden vom Lieben und Sterben von
dabei v#
Schnitzler Ewigkeitswerte birgt, etwas Bedeutenderes, Fas¬
an echtester Poesie Allerdinas —
heimlichsten Gedanken und Gefühlen, über denen das Leben
zinierenderes; und nicht selten denkt man bei seinen Men¬
ter bisweilen auch auf das Widernatürlich
verrinnt und der Tod anhebt, wie eine schwere süße Melodie.
schen, die lieben, an Marionetten, die doch nur an Drähten
auf das Kitschige und Wienerische im schleck
Aber auch diese verrinnt, weil sie im Getriebe des Welt¬
wir da oben zitierten vom „Nie mehr au
hängen, was sich übrigens am besten bei jenen Stücken er¬
geschehens so garnichts besonderes zu bedeuten hat.
kennen läßt, die ihm mißlungen sind: am „Schleier der
pen hängen, vom Dufte zitternder Brüst
Also geht Schnitzler weit über die alten Wiener Lokal¬
Beatrice“, am „Einsamen Weg“, am „Ruf des
das mag als Beispiel hierfür gelten; aber
dichter hinaus und am Ende läßt er seine Leutchen doch
gleisungen sind selten, ja man weiß nicht ein
Lebens“. Ja, ausgesprochene Marionettenstücke, wie „Der
an das Morgen denken. Er läßt sie die tiefsten Ent¬
tapfere Cassian“ und „Der Schleier der Pie¬
von auf die Rechnung der Zeit zu setzen
täuschungen der Liebe erfahren und treibt sie so weit, daß
rette“, scheinen beinahe symbolischer für Schnitzlers Kunst,
meinen übt Schnitzler die Kunst der Ko
sie das Ganze für Spiel nehmen. Damit freilich erwacht
als der Anatol“ und die „Liebelei“. Das Wollen
eisernen Selbstbeherrschung, wie es äußerlich
durchaus keine Gleichgültigkeit dem Leben gegenüber, denn
Snobisten ist, wenn sie auch innerlich schw
kommt allemal hinter dem Gefühl.
da Schnitzlers Menschen der Gedanke an den Tod als etwas
rohr gleichen.
Wiener Mädel und junge Herren... Diese Herren
Entsetzliches erscheint, so klammern sie sich geradezu krampf¬
sind blasiert, müde, dekadent. Sie lieben die Paradoxe, die
haft an dieses Leben, ohne viel nach seinen Fehlern zu
Es sind eigentlich bloß drei Themen
vornehmen Lässigkeiten; sie lieben das Flanieren, um die
fragen; ja, der Ruf nach dem Leben durchhallt das ganze
kennt: Liebe, Tod und Theater. Mit dem let
Frauen zu reizen und doch achtlos an ihnen vorüber¬
Werk wild und ununterbrochen. So wird die Elegie seiner Ge¬
stalten zerstört, wenn es ums Sterben geht... „Nie 1 zugehen, aber sie lieben auch die Blumen im Knopfloch, um # etwas ganz besonderes. Das Theater,