VII, Verschiedenes 2, 50ster und 55ster Geburtstag, Seite 130

Soth and 55th Birthday box 39/2
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zu beweisen, daß ihr Herz zum so= und sovielsten Male frei! Spiels gilt ihm als das klarste Symbol des Lebens.
ter Frühe,“ heißt es einmal,
„Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug“ steht als Motto
ist. Neben die Wiener Schlichtheit, neben die wehmutvolle
nie mehr an blühenden Liv¬
über den „Lebendigen Stunden“. Wir spielen und
Grazic des Dreivierteltaktes hat Schnitzler also den Snobis¬
der Brüste umweht, — kein
wissen selbst nicht mehr, wo Wahrheit und Lüge beginnen; —
mus gesetzt, der sogar zu allerhand widernatürlichen Reiz¬
ffür uns, kein Schimmer mehr
was Wunder, daß wir nach den Dingen greifen, die uns am
mitteln greift, als wie zu Suggestion oder zu Telepathie.
hinsinken, bluten, verenden,
begehrenswertesten erscheinen? Ein charmantes Tändeln, in
Er hat die süßen Szenen „Anatol“, die derben Auftritte
— wenn dir davor nicht
dem bekanntlich das Weib Meisterin ist. Bei Schnitzler ist
„Reigen“ und die allerergreifendste Skizze „Leutnant
der Tod noch Leben.“
dieses Weib die groß Lüge oder vielmehr: sie lügt nie, son¬
Gustl“ geschrieben — vielleicht um zu sagen, daß man
dern gibt in jeder Minute eine neue Wahrheit. So wird
mit all der schlichten Herzlichkeit vor der Gewißheit des
jene Beatrice Naroi zum Urbild aller Schwankenden, und
Endes nicht weiter kommt, daß die Natürlichkeit im Sterben
ihr Schleter, der die Dinge verhüllt, verwandelt, verzau¬
liegt und daf, es nötig ist, sich in ein künstliches Traumda¬
bert, kehrt wieder, so oft Frauen ausziehen, um sich Männer
sein hineinzuarbeiten und hier wenigstens den Augenblick und
zu gewinnen.
nur diesen zu genießen.
Dann gibt es Augenblicke — „lebendige Stunden“, da
Deshalb scheint in Schnitzlers Welt auch nicht alles klar.
die Lügen fallen. Die spielerischen Menschen erkennen ur¬
E bevorzugt die Andeutungen und er läßt erraten. Seine
plötzlich ihren Wesenskern und ihre Lebenslüge und sinh
Liebesspiele wickeln sich nie in der Oeffentlichkeit ab und er
vielleicht sogar in der Lage, sich auf sicheren Grund und
folgt dabei oft den Franzosen, welche durch das Hinzutun
Boden zu retten. Aber sehr oft oder meistens scheuen Schnitz¬
eines „gewissen Etwas“ die Konturen verwischen und die
lers Gestalten die Enthüllung der Wahrheit, wie den eigenen
Wahrheiten verschleiern. Viele zwar werden sagen: das alles
Tod und verharren in der Illusion — im Maskenkostüm
sind Mittel, die Vollkommene nicht anwenden und die über
auf der Bühne.
das Atemnachlassen des Autors hinweghelfen sollen: aber
Das prächtigste, wenn auch gesuchteste Spiel, welchen
niemand vermag zu behaupten, daß Schnitzler ein Nicht¬
Schnitzler iemals erdacht, enthält der „Grüne Kakadu“,
Dramatiker ist, wie die meisten Franzosen.
Hier, am Vorabend der französischen Revolution, spielen sich
Nein, obwohl er ein Träumer, — ein exakter Forscher,
Aristokraten in das Schauspielertum herüber, spielen Schau¬
ein scharf auslugender Naturalistenfreund, ein grandioser
spieler Aristokraten, spielen sie Mord und die Mörder spielen
Psycholog, ein unfehlbarer Zielgewinner (wiewohl auch sehr
Wahrheit.= Schließlich weiß niemand, wo Anfang und Ende;
oft auf weichen Ibsensohlen) muß er immer und immer wie¬

und nur das bleiche Marmorantlitz des Todes erledigt alle
der genannt werden: er träumt niemals auf Kosten seiner
zitternden Zweisel.
Kunst! Das macht wohl, weil er nebenher einen so lebens¬
hnitzler.
Nach dem Spiel aber gibt es auch Nächte — Nächte
wachen Beruf übte, weil er als Arzt verpflichtet war, die
voll grauenhafter Einsamkeit und erfüllt mit der Erkenntnis,
schlägt bei Schnitzler immer
Augen offen zu halten, Diagnosen zu stellen, zu sezieren und
daß kein Mensch sich um den anderen kümmert. Und in dem
ie er die schönsten Worte über
zu forschen. Der Arzt schuf hier den Psychologen, der sich
Getriebe des Tages nirgends ein Ruhepunkt. Gegenwart
die tiefsten über das Sterben
niemals irrt, der sicherer geht, als die meisten Dichtenden
gibt es nicht und das Wort, das eben erst klang, ist jetzt schon
neben ihm, und der sich vor allem auf die Frauen ver¬
ssprach, so breitete er wenig¬
Erinnerung. Solche Gedanken schleichen über den „Ein¬
n Stuben, in denen bis zur
steht, wie kompliziert ihre Psyche sich auch ausnehmen möge.
Ge¬
samen Weg“ und durchs „Zwischenspiel“
Daß Schnitzler ein Forscher ist, merkt man bereits seinen
als Himmel über die Liebe
danken, die immer leiser und von Menschen geäußert werden,
ner schwächlichen kränklichen
Dialogen an. Diese sind regelmäßig wundervoll beobachtet
welche absterben. Aber: „Es scheint mir, daß jetzt ein
und diese übertreffen die photographischen der Naturalisten
er erotische Reiz, der bei
besseres Geschlecht heranwächst, — mehr Haltung und wenigen
dabei verfällt der Dich¬
etwas Bedeutenderes, Fas¬
an echtester Poesie. Allerdings —
Geist.“ Das Wort, das endlich den Weg ins Freie zeigt!
denkt man bei seinen Men¬
ter bisweilen auch auf das Widernatürliche, wenn nicht gar
So ranken sich die Gedanken von Werk zu Werk, fast in
n. die doch nur an Drähten
auf das Kitschige und Wienerische im schlechtei Sinne. Was
jedem neue Blüten treibend. Sie ranken sich vom „Ana¬
besten bei jenen Stücken er¬
wir da oben zitierten vom „Nie mehr an blühenden Lip¬
tol“ zum „Märchen“ und vom „Märchen“ zur „Liebelei“.
n sind: am „Schleier der
pen hängen, vom Dufte zitternder Brüste umweht“.
Von dort zum „Freiwild“, zum „Vermächtnis“, zum „Grü¬
len Weg“ am „Ruf des
das mag als Beispiel hierfür gelten; aber dergleichen Ent¬
nen Kakadu“, zum „Paracelsus“. Und dann den „Lebendigen
Marionettenstücke, wie „Der
gleisungen sind selten, ja man weiß nicht einmal, wieviel da¬
Stunden“, dem Schleier der Beatrice“, diesem großgewoll¬
[Der Schleier der Pie¬
von auf die Rechnung der Zeit zu setzen ist. Im allge¬
ten Renaissancedrama, dem „Einsamen Weg“, dem „Zwi¬
olischer für Schnitzlers Kunst,
meinen übt Schnitzler die Kunst der Konzentration der
schenspiel“ und dem „Ruf des Lebens“ entgegen. Zuletzt die
„Liebelei“. Das Wollen
eisernen Selbstbeherrschung, wie es äußerlich die Art seiner
schwermütige Phantasie des „Jungen Medardus“ und „Das
Snobisten ist, wenn sie auch innerlich schwankendem Schilf¬
l.
weite Land“.
rohr gleichen.
e Herren ... Diese Herren
Schnitzler ist kein Parteimann. Er'hat dazu nach seinen
Sie lieben die Paradoxe, die
eigenen Worten weder den Mut, noch das Temperament, noch
Es sind eigentlich bloß drei Themen, die Schnitzler
eben das Flanieren, um die
achtlos an ihnen vorüber=i kennt: Liebe, Tod und Theater. Mit dem letzteren aber ist es; die Einfalt. Er liebt — es ist wohl aus allem Gesagten her¬
e Blumen im Knopfloch, um l etwas ganz besonderes. Das Tbeater, die Stätte des vorgegangen — das Zurückgemaene, wie es sich auch in