GthBrthday
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77
geoen sansdanznbnden
E. E
badasree suursene eos Aussennueracao
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
—
Königsberger Hartungsche Zeitung
Ausschnilt aus Nr.
A 2 MATIBA
endblatt
Ab Sortenblalt.
Artur Schnitzler.
Zum 60 Geburtstag (1. Mai).
Von Hugo von Hofmanusthal.
Der Versag von S. Fischer in Berlin widmet das
Maiheft der „Neuen Rundschau“, dem 60. Geburtstag
Artur Schnitzlers, indem es Würdigungsartikel von
Auernheimer, Hermann Bahr, Gerhart Hauptmann,
ugo Hofmannsthal, Alfred Kerr, Thumas Mann,
Stefan Zweig und andern berühmten Freunden des
Dichters veröffentlicht. Der folgende Beitrag Hofmanns¬
thals wird besonderes Interesse finden:
Schnitzlers Theaterstücke sind vollkommene Theaterstücke, gebaut.
um zu fesseln, zu beschäftigen, zu unterhalten, in geistreicher Weise
zu überraschen; sie tun dem Augenblick genug und vermögen nock
nachträglich das Gemüt und die Gedanken zu beichäftigen; ihre Hand¬
lung und ihr Dialog beschwingen einander wechselweise, ddie Charak¬
tere sind vorzüglich ersunden, leben ihr eigenes Leben und dienen doch
nur dem Ganzen. Wenn man diese Stücke auf der Bühne sieht, hat
man das Gefühl: derjenige, der sie gemacht hat, ist auf den Brettern
zu Hause und hat keinen anderen Ehrgeiz, als durch das Theater zu
wirken.
Schnitzlers Erzählungen sind lebendig, sponnnd; sie haben immer
das nötige Detail, aber nie zuviel davon, sie haben Psychologie, aber
die Psychologie dient nur dazu, den Gang des Ganzen in einen rei¬
zenden Rhythmus bald zu verlangsamen bald zu beschleunigen, sie
stecken voll Beobachtung, aber auch die Beobachtung ist dem eigent¬
lichen Reiz der Erzählung untergeordnet. Man hat das Gefühl, daß
sie von einem Mann herrühren, dessen primäres Talent das Talent
des Erzählers kurzer oder eigentsich mittellanger Erzählungen ist.
In beiden Formen: Drama und Erzählung ist er durchaus ein Künst¬
ler, und war es vom ersten Tage an. Es ist ein erstaunlicher Ge¬
danke, daß die kleinen Szenen aus dem Leben einer erfundenen Figur
„Anate!“ die heute aller Welt in Europa und über Europa hinaus
geläufig ist, und eine kurze, in ihrer AArt vollkommen reife und
meisterhafte Erzählung „Reichtum“ das erste waren, womit er vor
so vielen Jahren hervortrat.
Ihm sind alle Instrumente zu Dienst, die das Handwerk einem
erfahrenen und sehr nachdenklichen Künstler in die Hand gibt, um
selbst den scheinbar unergiebigen Stoff ganz zu bezwingen und der
Materie ihren inneren Reichtum zu entlocken. Keines davon gebraucht
mit größerer und reizvollerer Virtuosität als die Ironie.
kühner er diese anwendet, je mehr er seinen Stoff und seine Motive
mit ihr in die Enge treiht, desto weiter erscheint paradoxerweise sein
geistiger Horizont. So würde ich sagen, daß neben der „Liebelei“ die
eine Arbeit von ganz einziger Art ist, einige seiner kleinen Kunst¬
werke — Erzählungen oder Dramen — durch den Zauber der Ironie
aks die größten erscheinen. Ihnen allen wohnt nicht nur die Andeu¬
tung inne, daß der Schöpfer dieser kleinen Welten mehr von der
Welt weiß, als er zu sagen vor hat — dies ist ein gewöhnlicher Reflex
aller Ironie — sondern auch dieses Besondere: man ahnt, er hätte
noch mehr und vielleicht noch Stärkeres zu geben, als ihm bisher zu
geben gefallen hat oder gestattet war. Unter diesen Umständen kann
man nicht vom Alter eines solchen Menschen sprechen, denn es ist
durchaus möglich, daß ein solcher von einem Teil seiner Kräfte noch
niemals sichtbaren Gebrauch gemacht und auch einen Teil seiner
Jugend irgendwo zurückbehalten oder verborgen hat.
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geoen sansdanznbnden
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badasree suursene eos Aussennueracao
BERLIN SO 16, RUNGESTRASSE 22-24
—
Königsberger Hartungsche Zeitung
Ausschnilt aus Nr.
A 2 MATIBA
endblatt
Ab Sortenblalt.
Artur Schnitzler.
Zum 60 Geburtstag (1. Mai).
Von Hugo von Hofmanusthal.
Der Versag von S. Fischer in Berlin widmet das
Maiheft der „Neuen Rundschau“, dem 60. Geburtstag
Artur Schnitzlers, indem es Würdigungsartikel von
Auernheimer, Hermann Bahr, Gerhart Hauptmann,
ugo Hofmannsthal, Alfred Kerr, Thumas Mann,
Stefan Zweig und andern berühmten Freunden des
Dichters veröffentlicht. Der folgende Beitrag Hofmanns¬
thals wird besonderes Interesse finden:
Schnitzlers Theaterstücke sind vollkommene Theaterstücke, gebaut.
um zu fesseln, zu beschäftigen, zu unterhalten, in geistreicher Weise
zu überraschen; sie tun dem Augenblick genug und vermögen nock
nachträglich das Gemüt und die Gedanken zu beichäftigen; ihre Hand¬
lung und ihr Dialog beschwingen einander wechselweise, ddie Charak¬
tere sind vorzüglich ersunden, leben ihr eigenes Leben und dienen doch
nur dem Ganzen. Wenn man diese Stücke auf der Bühne sieht, hat
man das Gefühl: derjenige, der sie gemacht hat, ist auf den Brettern
zu Hause und hat keinen anderen Ehrgeiz, als durch das Theater zu
wirken.
Schnitzlers Erzählungen sind lebendig, sponnnd; sie haben immer
das nötige Detail, aber nie zuviel davon, sie haben Psychologie, aber
die Psychologie dient nur dazu, den Gang des Ganzen in einen rei¬
zenden Rhythmus bald zu verlangsamen bald zu beschleunigen, sie
stecken voll Beobachtung, aber auch die Beobachtung ist dem eigent¬
lichen Reiz der Erzählung untergeordnet. Man hat das Gefühl, daß
sie von einem Mann herrühren, dessen primäres Talent das Talent
des Erzählers kurzer oder eigentsich mittellanger Erzählungen ist.
In beiden Formen: Drama und Erzählung ist er durchaus ein Künst¬
ler, und war es vom ersten Tage an. Es ist ein erstaunlicher Ge¬
danke, daß die kleinen Szenen aus dem Leben einer erfundenen Figur
„Anate!“ die heute aller Welt in Europa und über Europa hinaus
geläufig ist, und eine kurze, in ihrer AArt vollkommen reife und
meisterhafte Erzählung „Reichtum“ das erste waren, womit er vor
so vielen Jahren hervortrat.
Ihm sind alle Instrumente zu Dienst, die das Handwerk einem
erfahrenen und sehr nachdenklichen Künstler in die Hand gibt, um
selbst den scheinbar unergiebigen Stoff ganz zu bezwingen und der
Materie ihren inneren Reichtum zu entlocken. Keines davon gebraucht
mit größerer und reizvollerer Virtuosität als die Ironie.
kühner er diese anwendet, je mehr er seinen Stoff und seine Motive
mit ihr in die Enge treiht, desto weiter erscheint paradoxerweise sein
geistiger Horizont. So würde ich sagen, daß neben der „Liebelei“ die
eine Arbeit von ganz einziger Art ist, einige seiner kleinen Kunst¬
werke — Erzählungen oder Dramen — durch den Zauber der Ironie
aks die größten erscheinen. Ihnen allen wohnt nicht nur die Andeu¬
tung inne, daß der Schöpfer dieser kleinen Welten mehr von der
Welt weiß, als er zu sagen vor hat — dies ist ein gewöhnlicher Reflex
aller Ironie — sondern auch dieses Besondere: man ahnt, er hätte
noch mehr und vielleicht noch Stärkeres zu geben, als ihm bisher zu
geben gefallen hat oder gestattet war. Unter diesen Umständen kann
man nicht vom Alter eines solchen Menschen sprechen, denn es ist
durchaus möglich, daß ein solcher von einem Teil seiner Kräfte noch
niemals sichtbaren Gebrauch gemacht und auch einen Teil seiner
Jugend irgendwo zurückbehalten oder verborgen hat.