VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 29

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nische Freude am Spiel, die aus einer Stunde des Erkennens, da die schentum, Kunst, 9
götterten Zeit mer
nächsten Menschen sich entschleiern, eine des eroigen Nichterkennens
Arthur Schnitzler.
schaut, aber auch f
macht. Wer wird geliebt, wer liebt, wo ist Heimat, Bestimmung, wo
Zum 15. Mai.
die Ueberwindung
hört das Abenteuer auf und beginnt der Sinn des Lebens? Ein
unentschiedenen Ge
Von Oskar Maurus Fontana (Wien).
jeder spricht davon, ein jeder hat ein Wort dafür und davon, die
Wort sein könnte,
Seele aber bleibt leer und blickt ins Leere und geht ins Leere. Wie?
Um seiner stillen, nachdenklichen und ein wenig weltmännischen
sein. Hier endet
Wird alles zur großen Szene, unwahr verbogen und unwahrscheinlich
Art hat man ihn besonders um die Jahrhundertwende lieb gehabt,
dertwende kam er
und ist dennoch im tiefsten, ganz verschütteten Grunde wahrhafter
auch dann, wenn er als ein Tragiker, ein Pathetiker großen Stils vor
vielleicht eben dar
Ausdruck eines Menschen, der einfach nicht anders kann? Sollte es
uns hintrat („Der Schleier der Beatrice", „Der junge Medardus“).
Gottes war, werde
das geben, Lüge zugleich Wahrheit sein können, Armut zugleich Reich¬
Er blieb Jahr um Jahr, der er war, als der er begonnen hatte: ver¬
Liebe geben.
tum? Und können Worte hin= und hergehen. Worte, die die kostbare
liebt in die Wiener Kleinbürgerlichkeit, in die Liebelei erster Ju¬
Fassung des Herrn von Sala aus dem „Einsamen Weg“ haben und
gend, mit Maß sozialtritisch, elegisch müde und ergebungsvoll lebens¬
die dennoch nichts bedeuten und zugleich alles bedeuten, die anders
freudig. Dieser Ton ist Schnitzlers tiefster Ton, er kehrt immer wieder
sein können, die am Tatsächlichen sehr schnell vorüberflattern und den
und fand in dem Doktor seines Dramas „Der Ruf des Lebens“
Schein eines bedeutungslosen Friedens und einer bedeutungslosen
schönsten Ausdruck: schmerzlich und dennoch nicht niedergebrochen,
Würde geben, währenddessen sich Letztes entscheidet an den Worten,
pantheistisch friedevoll. Hoffnungsvolle Hoffnungslosigkeit könnte
vorbei, ohne Worte: die Zusammengehörigkeit von Menschen — die
man dieses Gefühl nennen, das für sein armes Ich nichts mehr er¬
ewige Entfernung von Menschen! „Wir spielen immer, wer es weiß,
wartet, aber vom Leben, von der Natur, vom All alles erwarter —
ist klug.“ Es ist die Weisheit Schnitzlers, seine etwas müde Er¬
immer in der leisen Zuversicht, daß dann vielleicht auch etwas für
kenntnis, die in seinem ganzen Werk zu finden ist.
das Ich abfalle.
Was er immer wieder zeigt, ist die faule wurmige Welt klein.
Und so ist auch seine Heiterkeit. Blutsverwandt der Watieaus
licher, vager, verlogener und pendelhafter Beziehungen. Vergebens
und Fragonards: ein wenig zynisch, sehr ironisch, mit Maß melan¬
fragen die Dämmerseelen nach einem Menschen, nach einem Weg ins
cholisch und sich ganz in der Maske des sexuell Blasierten gefallend.
Freie. Menschen sperren sich hier ab, vergiften ihr Inneres jahre¬
Von Rousseau und Voltaire sind jene so weit entfernt, wie der Wiener
lang, um auf den Augenblick zu warten, der den andern erniedrigt.
Zeitgenosse von Strindberg und Weininger. Er wie jene sind Ro¬
Innigstgeliebte empfangen Zuhälter der Schöpfung und zwischen Um¬
koko, sind Zeugen einer satten, dem Genuß und dem Bewußtsein des
armung und Bettwärme wird an das Alibi gedacht, der Betrug des
Genusses raffiniert hingegebenen Kultur. Daher stammt die Wach¬
Betruges ausgeheckt. Minister treiben mit den Völkern Spott als
heit in seinen Menschen. Aus dieser Ueberlegenheit des Intellekts
wie mit Larven auf einem Fastnachtsball. Und das Volk selbst, die
heraus erscheinen als dramatische Figuren immer wieder bei ihm
Wiener? Sie ziehen an uns vorbei, immer spaßend oder schimpfend,
Aerzte, Schauspieler, Schriftsteller. Damit ist die Luft, die Atmosphäre
sich aus dem Krieg eine Hetz, aus der Belagerung ein Schauspiel
der Schnitzlerschen Männerwelt ein für alle Male gegeben. Es sind
machend, immer neugierig, immer schaulustig, jetzt ganz traurig, weil
Menschen, denen das Wort leicht wird, die viel und gern von sich aus¬
einer erschossen wird, den sie geschätzt und geehrt haben und gleich
sagen und deren gescheite Anmerkungen zu den verworrenen Bezie¬
darauf irgendwo hinlaufend, wo es was Blitzendes zu sehen gibt.
hungen des Lebens fast etwas Berufliches haben. Und es ist klar,
In sechs Wochen Sommerfrische geht der Sinn eines Lebens zu zweien
daß Arzt, Schauspieler und Schriftsteller die Erotik erleben oder er¬
kaput und kann im nächsten Augenblick wieder geleimt werden. Vor
leiden, die sich in der Ehe immer mit dem Auf= und Untertauchen
Sterbenden werden noch letzte Masken aufgesetzt und auf dem Semme¬
eines oder einer Dritten ergibt — klar, weil es das Treibende, das
ring, im Salzkammergut, flirtet eine Gesellschaft sich von Duell zu
Schöpserische der Schnitzlerwelt ist.
Duell, vom Zweikampf der Hähne zum Zweikampf der Waffen.
Schein wird mit Sein vertauscht, verwechselt, mengt sich, krallt
Welche Welt! Immer wird sie bei Schnitzler überwunden — er be¬
sich ineinander, daß keiner mehr am Ende erkennen kann, was Wahr¬
gann schon: „Liebelei“ und sollte Liebe heißen, Liebe sein. Statt dessen:
heit ist. Daraus wurde Schnitzlers schönste Bühnendichtung, die vom
geht alles an Liebelei zugrunde. Immer hebt er sich davon ab, son¬
„Grünen Kakadu“ geboren, die seine ganze elegische, zwischen¬
lichtartige Kunst in einen Akt zusammenpreßt. Es ist dieselbe iro= dert sich von dieser geilen Gefräßigkeit, der alles Freiwild ist: Men=