VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 44

6oth Birthday box 39/3
Lgesane Auseiger
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verlogen vorgibt. Wer sich aber nicht schmeichelt.
Zum 60. Geburtstag von
den kommenden Generationen solche Qualen
bereitet zu haben, wovon soll er sich Nachruhm
Arthur Schnitzler
erhossen? Warum soll in hundert Jahren
jemand uns lesen? Was wird denn in hundert
15. Mai
Jahren überhaupt sein, dort, wo wir jetzt sind.
Eine Reihe der besten deutschen Dichter ver¬
wo vor einiger Zeit noch unser altes Österreich
einigen sich im Maihefte der Neuen Rundschau war? Nun, ich vermute: da wird in hundert
zu Glückwünschen für Arthur Schnitzler. Ger= Jahren wieder jenes Österreich sein, wenn auch
hart Hauptmann schreibt:
„Arthur
vielleicht ein bißchen anders, ein bißchen ver¬
Schnitzlers warme und seine Begabung besitzt
rückt, nämlich mehr nach Osten, vielleicht auch
einen Zug, der in Deutschland selten ist: Grazie.
unter einer anderen Firma. Und dieses neu
Es ist deutsche Grazie, keine französische. Seine
betitelte Reich, als Eckfenster Eucopas, wieder
Gestalten, sein Theater ist unaufdringlich bis
für die Länder des Abendlandes genau sof
zur möglichen Grenze. Man wird diesen des¬
wichtig, geheimnisvoll und unverständlich, wie
halb manchmal ein wenig blaß anmutenden
es unter dem alten Namen war, wird nun,
Schriftsteller immer wieder revidieren müssen,
gerade weil es auf seine neue Form sehr stolz#
um die farbigen Reize und großen Schönheiten
sein wird, das Bedürfnis aller neuen Formen#
seines Werkes nicht zu verlieren und für den
haben: sich mit Ahnen zu versehen und sich
deutschen Dauerbesitz zu retten. Den Sinn für
möglichst weit zurückzudatieren; es wird
Schnitzler besitzen, heißt Kultur besizen, und
leidenschaftlich historisch gesinnt sein. Und in
sich von Schnitzler angezogen fühlen, heißt die
seiner Urgeschichte wird das letzte Kapitel, be¬ B
Kultur suchen. Es sollte viel mehr, als es ge¬
vor das Erwachen der Menschheit beginnt, ja“
schieht, Schnitzler gespielt werden.“ Thomas
von uns handeln: Denk Dir, wie ungeheuer?
Mann schreibt: „Ich bin der wiederkehrenden
interessant wir dann sein werden als die letzten
Gelegenheit froh, Arthur Schnitzler meiner
Stammpäter, um die gleichsam der Urwald noch
alten und immer neuen Bewunderung zu ver¬
rauscht! Und wenn man dann die Sitten,
sichern. Die Stunden, ich wiederhole es, die
Denkweisen, Lebensarten des sanften Abend¬
ich im Theater oder zu Hause im Lesestuhl mit
rotes, in dem das Österreich der Vorwelt ver¬
der Anschauung seiner Werke verbrachte, wvaren
glomm, durchforscht haben wird, wird man sich“
solche künstlerischer Geborgenheit, unzweifel¬
an den Künstler halten, der jenes Abendrot
haftesten Vergnügens, glücklich erhöhten
von 1890 bis 1920 am reinsten zu spiegeln
Levensgesühls. Vollendet österreichisch, ist er
scheint. Und der, lieber Arthur, bist Du!“.
heute für jene feelische Sphäre in eine ähnlich
repräsentative Stellung hineingewachsen, wie
etwa Hauptmann für das Reich.“ Hermann
Bahrs Glückwunsch lautet: „Was meinst Du,
lieber Arthur, wieviel wird in hundert Jahren
von Dir noch am Leben sein? Und wieviel¬
von mir? Wieviel von uns allen? Du fragst
vielleicht, ob ich Dich das grad an Deinem
sechzigsten Geburtstag fragen muß; aber kannst
Du Dich erinnern, daß ich je schicklich war?
Und Du wirst auch gleich sehen, Du kommst bei
meiner Frage weit besser weg, als Du ver¬
mutest; ich fürchte, besser als irgendeiner sonst
von uns! Es sieht Dir ja nicht gleich, an¬
zunehmen, daß Du zeitlose Werke geschaffen
hast, ewige, wie man die nennt, mit denen nach
Jahrhunderten noch die Schuljugend so geplagt
wird, daß auch der Erwachsene, wenn er den
Namen hört, im ersten Schreck sie zu kennen