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er unter stürmischem Beifau „die Brüder aus Deutschlund
und Oesterreich, die tapferen Vorkämpser des Pazifismus
in ihrem Lande, die als Friedensmissionäre nach Paris ge¬
kommen seien“. Er kommentierte die vom Kongreß gefaßten
Beschlüsse und zeigte, wie gefährlich es für Frankreich wäre,
die Rolle einer reaktionären Macht zu spielen, denn es gibt,
sagte er, „keine ungeschicktere Politik als eine Politik von
—.—
charakterisiert den armen Windhund durch unbefriedigten
Auftrittshunger und ein lustiges Kopiertalent und ermöglicht
es so, daß das ganze erwartete Duo zwischen dem Journa¬
listen und dem Modedichter vorher vor unseren Augen und
Ohren sich entfaltet: der lungenkranke Komödiant
„markiert“ bei der Probeszehe den Dichter Weihgast. Nun
erst, da unsere Erwartung Fleisch und Blut geworden ist,
greifbar, riechbar, nun vermag ihr späterer, überraschender
Gegenzug uns im Innersten zu treffen, uns gewissermaßen
schicksalhaft, religiös zu überzeugen. Wer dieses liest, ohne
selbst zum Beruf eines Bühnenschriftstellers verurteilt zu sein,
sagt jetzt wahrscheinlich: „Was ist da Besonderes dabei?“
(Denn dadurch kennzeichnet sich ja die oberste Stufe tech¬
nischen Könnens, daß sie nicht gesehen wird, daß über sie der
Mantel der Handlung lückenlos ausgebreitet liegt, ohne
daß ein Quadratzentimeter Steingerüstes nackt hervor¬
schaute.) Wer aber die Figur jenes „Reifenhalters“, den
Sommerbühnenkainz Florian Jackwerth, je im Theater
gesehen hat, wird, auch ohne vom Bau zu sein, dem Dichter
seine Bewunderung nicht versagen: aus der Not ist hier
nämlich die Tugend einer so lebenstollen Gestalt geworden,
so blutheiß und humorig bis in die Fingerspitzen, so knapp
aus dem armseligen und doch purpurfarbenen Königreich des
gestalt allein ein unvergeßlich fahles, zwielichtiges, ergreifen¬
des Schimmern auf den ganzen Begriff „Ruhm“ fällt. Mit
anderen Worten; die Technik ist restlos in ihr Gegenteil, in
innere Gestaltung umgestülpt worden. Sie dient nicht mehr
dem abschnurrenden Räderwerk, sondern indem sie. ver¬
borgen, dieses in Bewegung hält, verbreitet sie Welt¬
anschauung. Sie ist nicht Bau=, sondern Bibelkunst.
Zahllos die Beispiele, die sich dafür aus Schnitzlers drama¬
tischem Besitz heranziehen ließen; immer fällt der Schatten
von einer anderen Seite. Wenn im „Jungen Medardus“ die
Gestalt Napoleons, ohne jemals aufzutreten, hinter jeder
Szene wie ein Elementarereignis, wie ein Unwetter droht
oder lächelt, so macht es der Korse wie der Dichter: unsicht¬
bar, doch mit elektrischen Starkströmen kurbelt er die Welt.
Wenn im „Weiten Land“ achtzehn Figuren zueinander in ein
so tausendfältiges, dichtmaschiges Netzwerk gesetzt sind, daß
im Nahmen der einzelnen Böltei als in deren Beziehungen
untereinander. Das ist das Programm des Kongresses, für
den ich hier viele Freunde gefunden und geworben habe.
Ganz besonders freue ich mich, daß die Tagung in
Wien stattfindet, dieser trotz ihrer Leiden so schönen Stadt,
die ich seit langem kenne und liebe. Ich liebe auch die
Wiener schon darum, weil sie in ihrer gutmütigen, liebens¬
S
die Szene wie ein Irrgarten aus einer Großstadt anmutet,
so macht es der Dichter wie Vater Kronos: er verstrickt und
verschlingt seine Kinder, um aus ihrem Gezänk und Ge¬
zappel selbst hinauf in reinere Regionen vorzudringen. Der
letzte Akt dieses Stückes lebt von „Spannung“; während
draußen zwei Männer im Pistolenduell gegeneinanderstehen,
sprechen auf der Bühne zwei Frauen miteinander, die Mutter
des einen und die Gattin des anderen, die eine ahnungslos,
die andere wissend und mit jedem Herzstoß draußen auf dem
Richtplatz. In der Hand eines mittleren Zünftlers ergäbe
sich hier natürlich ein brutaler Effekt von nervenreißerischer
Unewickeit. Schnitzler aber breitet so magisch=ironisch ein
durchsichtiges Schicksalstuch über die Gruppe, er setzt mit so
zart zitternden Fingern die Valeurs malend nebeneinander,
daß alles äußere Geschehen hinunter versickert und als ent¬
scheidend nur der Blick in Brehms Menschenleben zurück¬
bleibt: ein erregter Blick in den skurrilen, pudelnärrischen
Zirkus der menschlichen Beziehungen.
Gelegentlich hat man dem Schnitzlerschen Theater Enge
des Stoffgebietes vorgeworfen. Nun ist es wahr: seine
Probleme schweifen nicht. Auch hat er sich nicht ein drama¬
tisches Erlösungswarenhaus eingerichtet, worin an jedem
Kassenschalter dem lieben Gott wegen mangelnder Befähigung
der Gewerbeschein abverlangt wird. Zuweilen begibt sich in
seinen Stücken sogar nichts anderes als im Märchen: zwei
Menschen haben einander lieb. Aber was da geschieht, es mag
so groß oder so klein, so ernst oder so heiter sein, wie es
wolle, immer rührt es irgendwo geheim an die letzte Er¬
schütterung des Unabänderlichen. Das Unabänder¬
liche: hier ist die Tür, an die Artur Schnitzlers Dramen
sacht pochen. Seine Probleme zweifeln, aber sie zweifeln in
den Frühlingsbaum hinein. Und über die siebenfarbige
Regenbogenbrücke, die zwischen Mutter und Tod sich spannt,
gehen die Gestalten seiner Phantasie lichten Fußes, nacht¬
wandlerisch, zartäugig, fragend und erschreckt, mit jener
dunkeln, dennoch beinahe lächelnden Schwermut, die aus dem
nichtigen Schicksal aller Menschen quillt: geboren zu werden,
um zu sterben.
Hans Müller.
3 # besice und
handelt, den jähen Mißklang
vermeiden. Daß auch dieser
zwungen werden muß, daß
Männer von Europa zu unfru
anlaßt, ist wohl ein erschrecke
gang der Politik.
Die Beratung ü
Autn
Vorschläge Lloyd=Geo
Verhan
Heute vormittag fand die
Subkommission statt, um übe
raten. Die Besprechung, die
schließlich bis 5 Uhr nachmi
vom Präsidenten Facta um
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Niederlag
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er unter stürmischem Beifau „die Brüder aus Deutschlund
und Oesterreich, die tapferen Vorkämpser des Pazifismus
in ihrem Lande, die als Friedensmissionäre nach Paris ge¬
kommen seien“. Er kommentierte die vom Kongreß gefaßten
Beschlüsse und zeigte, wie gefährlich es für Frankreich wäre,
die Rolle einer reaktionären Macht zu spielen, denn es gibt,
sagte er, „keine ungeschicktere Politik als eine Politik von
—.—
charakterisiert den armen Windhund durch unbefriedigten
Auftrittshunger und ein lustiges Kopiertalent und ermöglicht
es so, daß das ganze erwartete Duo zwischen dem Journa¬
listen und dem Modedichter vorher vor unseren Augen und
Ohren sich entfaltet: der lungenkranke Komödiant
„markiert“ bei der Probeszehe den Dichter Weihgast. Nun
erst, da unsere Erwartung Fleisch und Blut geworden ist,
greifbar, riechbar, nun vermag ihr späterer, überraschender
Gegenzug uns im Innersten zu treffen, uns gewissermaßen
schicksalhaft, religiös zu überzeugen. Wer dieses liest, ohne
selbst zum Beruf eines Bühnenschriftstellers verurteilt zu sein,
sagt jetzt wahrscheinlich: „Was ist da Besonderes dabei?“
(Denn dadurch kennzeichnet sich ja die oberste Stufe tech¬
nischen Könnens, daß sie nicht gesehen wird, daß über sie der
Mantel der Handlung lückenlos ausgebreitet liegt, ohne
daß ein Quadratzentimeter Steingerüstes nackt hervor¬
schaute.) Wer aber die Figur jenes „Reifenhalters“, den
Sommerbühnenkainz Florian Jackwerth, je im Theater
gesehen hat, wird, auch ohne vom Bau zu sein, dem Dichter
seine Bewunderung nicht versagen: aus der Not ist hier
nämlich die Tugend einer so lebenstollen Gestalt geworden,
so blutheiß und humorig bis in die Fingerspitzen, so knapp
aus dem armseligen und doch purpurfarbenen Königreich des
gestalt allein ein unvergeßlich fahles, zwielichtiges, ergreifen¬
des Schimmern auf den ganzen Begriff „Ruhm“ fällt. Mit
anderen Worten; die Technik ist restlos in ihr Gegenteil, in
innere Gestaltung umgestülpt worden. Sie dient nicht mehr
dem abschnurrenden Räderwerk, sondern indem sie. ver¬
borgen, dieses in Bewegung hält, verbreitet sie Welt¬
anschauung. Sie ist nicht Bau=, sondern Bibelkunst.
Zahllos die Beispiele, die sich dafür aus Schnitzlers drama¬
tischem Besitz heranziehen ließen; immer fällt der Schatten
von einer anderen Seite. Wenn im „Jungen Medardus“ die
Gestalt Napoleons, ohne jemals aufzutreten, hinter jeder
Szene wie ein Elementarereignis, wie ein Unwetter droht
oder lächelt, so macht es der Korse wie der Dichter: unsicht¬
bar, doch mit elektrischen Starkströmen kurbelt er die Welt.
Wenn im „Weiten Land“ achtzehn Figuren zueinander in ein
so tausendfältiges, dichtmaschiges Netzwerk gesetzt sind, daß
im Nahmen der einzelnen Böltei als in deren Beziehungen
untereinander. Das ist das Programm des Kongresses, für
den ich hier viele Freunde gefunden und geworben habe.
Ganz besonders freue ich mich, daß die Tagung in
Wien stattfindet, dieser trotz ihrer Leiden so schönen Stadt,
die ich seit langem kenne und liebe. Ich liebe auch die
Wiener schon darum, weil sie in ihrer gutmütigen, liebens¬
S
die Szene wie ein Irrgarten aus einer Großstadt anmutet,
so macht es der Dichter wie Vater Kronos: er verstrickt und
verschlingt seine Kinder, um aus ihrem Gezänk und Ge¬
zappel selbst hinauf in reinere Regionen vorzudringen. Der
letzte Akt dieses Stückes lebt von „Spannung“; während
draußen zwei Männer im Pistolenduell gegeneinanderstehen,
sprechen auf der Bühne zwei Frauen miteinander, die Mutter
des einen und die Gattin des anderen, die eine ahnungslos,
die andere wissend und mit jedem Herzstoß draußen auf dem
Richtplatz. In der Hand eines mittleren Zünftlers ergäbe
sich hier natürlich ein brutaler Effekt von nervenreißerischer
Unewickeit. Schnitzler aber breitet so magisch=ironisch ein
durchsichtiges Schicksalstuch über die Gruppe, er setzt mit so
zart zitternden Fingern die Valeurs malend nebeneinander,
daß alles äußere Geschehen hinunter versickert und als ent¬
scheidend nur der Blick in Brehms Menschenleben zurück¬
bleibt: ein erregter Blick in den skurrilen, pudelnärrischen
Zirkus der menschlichen Beziehungen.
Gelegentlich hat man dem Schnitzlerschen Theater Enge
des Stoffgebietes vorgeworfen. Nun ist es wahr: seine
Probleme schweifen nicht. Auch hat er sich nicht ein drama¬
tisches Erlösungswarenhaus eingerichtet, worin an jedem
Kassenschalter dem lieben Gott wegen mangelnder Befähigung
der Gewerbeschein abverlangt wird. Zuweilen begibt sich in
seinen Stücken sogar nichts anderes als im Märchen: zwei
Menschen haben einander lieb. Aber was da geschieht, es mag
so groß oder so klein, so ernst oder so heiter sein, wie es
wolle, immer rührt es irgendwo geheim an die letzte Er¬
schütterung des Unabänderlichen. Das Unabänder¬
liche: hier ist die Tür, an die Artur Schnitzlers Dramen
sacht pochen. Seine Probleme zweifeln, aber sie zweifeln in
den Frühlingsbaum hinein. Und über die siebenfarbige
Regenbogenbrücke, die zwischen Mutter und Tod sich spannt,
gehen die Gestalten seiner Phantasie lichten Fußes, nacht¬
wandlerisch, zartäugig, fragend und erschreckt, mit jener
dunkeln, dennoch beinahe lächelnden Schwermut, die aus dem
nichtigen Schicksal aller Menschen quillt: geboren zu werden,
um zu sterben.
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Männer von Europa zu unfru
anlaßt, ist wohl ein erschrecke
gang der Politik.
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