VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 91

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Flensburg kurz vor dem Kriege mit Agnes Sorma als Gast
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Es mögen einige namhafte Vertreter der heutigen deutschen
Literatur über ihn urteilen. Im Maiheft der „Neuen Rund¬
Schnitzlers sechzigster Geburtstag.
schau“ sprechen sie ihm ihre Glückwünsche aus.
Von Anselmus.
Gerhart Hauptmann schreibt: „Artur Schnitzlers
warme und seine Begabung besitzt einen Zug, der in Deutsch¬
Am fünfzehnten Mai wird Artur Schnitzler sechzig Jahre
land selten ist. Grazie. Es ist deutsche Grazle, keine#
alt. Sein Name ist in der letzten Zeit durch die Reigen¬
französische. Seine Gestalten, sein Theater ist unaufdringlich,
skandale nicht sehr rühmlich in, das Gedächtnis des Publikums
bis zur möglichen Grenze. Man wird diesen beshalb manch¬
zurückgerufen worden. Dil Schätzung des Schriftstellers Schnitz¬
mal ein wenig blaß anmutenden Schriftsteller immer wieder
ler leidet nicht darunter Man gewöhne sich nur, das Erschei¬
revidieren müssen, um die farbigen Reize und großen Schön¬
nen des Reigens auf dep Bühne nicht als eine künstlerische
heiten seines Werkes nicht zu verlieren und für den deutschen
sondern als eine rein geschäftliche Angelegenheit zu betrachten.
Dauerbesitz zu retten. Den Sinn für Schnitzler besitzen, heißt
Die zehn Tialoge, die unter dem Namen „Der Reigen“ ver¬
Kultur besitzen, und sich von Schnitzler angezogen fühlen,
einigt sind, erschienen 1903 als Privaldruck; ursprünglich hat
heißt die Kultur suchen. Es sollte viel mehr, als es geschieht.
also der Verfasser das Werk nicht einmal dem allgemelnen
Schnitzler gespielt werben.“
Thomas Mann schreibt: „Ich bin der wiederkehren=
Lesepublikum unterbreiten wollen, geschweige, daß er an eine
den Gelegenheit froh, Artur Schnitzler meiner alten und
Aufführung gedacht hätte. Unter dem Druck der materiellen
immer neuen Bewunderung zu versichern. Die Stunden,
deutsch=österreichischen Not hat er das verjährte Werk zur
ich wiederhole es, die ich im Theater oder zu Hause im Lese¬
Aufführung hergegeben; bei der Zusammensetzung und dem
stuhl mit der Anschauung seiner Werke verbrachte, waren solche
Geschmack des heutigen großstädtischen Theaterpublikums
künstlerischer Geborgenheit, unzweiselhaftesten Vergnügens,
versprach es einen großen Kassenerfolg, und es hat ihn ge¬
glücklich erhöhten Lebensgefühls. Vollendet österreichisch, ist
bracht. Der Erfolg war für den Verfasser vielfach, weil
er heute für jene seelische Sphäre in eine ähnlich repräsen=
Deutschland für Oesterreich valutastarkes Ausland ist. Man
tative Stellung hineingewachsen, wie etwa Hauptmann für
kann eine ganze Reihe deutscher Künstler aufzählen, die nie¬
das Reich. Seine Schöpfungen besitzen allen Schmelz, alle
Geschmackskultur, alle Liebenswürdigkeiten des Oesterreicher¬
mals auf solche Weise ihre Geldnot in Geldüberfluß verwan¬
tums; aber als ihr besonderes Charakteristikum erscheint mir?
delt haben würden, auch wenn sie es leicht hätten tun können,
eine gewisse Lebensstrenge, die weh tut — und die wohl
die ihre Nahrungssorgen als Schicksal getragen haben, die
eigentlich nicht österreichisch ist. Hofmannsthal ist traumhaft
daran zugrunde gegangen sind. Der Künstler, der das tut,
intensiv, aber er hat nicht dies, und auch Altenberg hat es
kann nicht anders. Man darf einen solchen Künstler nie
— das Unem¬
nicht. Es mag vom Aerztlichen herrühren,
zwingen wollen, bequeme Erwerbs= oder Gewinnmög¬
pfindliche, Unerbittliche.“
lichkeiten auszunützen, wenn sich sein Wesen dagegen sträubt
Hermann Bahr faßt seinen Glückwunsch in folgender
oder er überhaupt keinen Erwerbssinn hat; aber ebensowenig
Worte: „Was meinst Tu, lieber Artur, wie viel wird ind
kann man den idealen Verzicht auf eine so gute Verdienst¬
möglichkeit ##rdern, wie sie Schnitzler durch die Auf=jbundert Jahren von Dir noch am Leben sein? und wie vield
führung des Reigens geboten wurde. Das ist eine Privat=svon mir? Wie viel von uns allen? Du fragst vielleicht, b#
ich Dich das grad an Deinem sechzigsten Geburtstag fragen
muß, aber kannst Du Dich erinnern, daß ich je schicklich war?
sache, und des Künstlers Privatleben geht niemand etwas an.
Und Tu wirst auch gleich sehen. Du kommst bei meinen
Freilich: der Geist, der sich in gar zu unbekümmerter Frei¬
Frage weit besser weg, als Du vermutest.
heit im „Reigen“ offenbart, weht uns aus den allermeisten
Was wird denn in hundert Jahren überhaupt sein, dorts
Werken des Wiener Dichters entgegen, aus den dramatischen,
wo wir jetzt sind, wo vor einiger Zelt noch unser altes
wie aus den erzählenden. Sie schildern durchweg das Liebes¬
Oesterreich war? Nun. ich vermnte: da wird in hundert
leben gewisser Wiener Kreise und geben damit ein charalte¬
Jahren wieder jenes Oesterreich sein, wenn auch vielleicht
ristisches Teilbild vom verfallenden Oesterreich. Schon das
Erstlingswerk „Anatol“, das 1893 erschien und ebenfalls auz ein bischen anders, ein bischen verrückt, nämlich mehr nach
einer Reihe von Dialogen besteht wie der Reigen, ist eine Osten, vielleicht auch unter einer anderen Firma, wahrschein¬
Mischung leichtfertiger Erotik, scharser Beobachtung und au= lich unter einem anderen Namen, ich denke, daß es Böhmen
heißen wird, den heillgen Benes wird es als Erzvater ver¬
mutiger Darstellung. Damit ist Schnitzlers Art gekenn=sehren, und dieses neu betitelte Reich, als Eckfenster Europts
zeichnet. Gelstvoll ist er immer, aber auf die Länge doch auch wieder für die Länder des Abendlandes genau so wichtig,
etwas ermüdend. Sein Schauspiel „Ziebelei“ wurde ## heimnisvoll und unnerständlich, wie &# unter dem alten


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Namen war, wird nun, gerade weil es auf seine neue Form
sehr stolz sein wird, das Bedürfnis aller neuen Formen
haben: sich mit Ahnen zu versehen und sich möglichst weit zu¬
rückzudatieren; es wird leidenschaftlich historisch gesinnt sein.
Und in seiner Urgeschichte wird das letzte Kapitel, bevor das
Erwachen der Menschheit beginnt, ja von uns handeln: denk
Dir, wie ungeheuer interessant wir dann sein werden, als
die letzten Stammväter, um die gleichsam der Urwald noch
rauscht! Und wenn man dann die Sitten, Denkweisen,
Lebensarten des sanften Abenbrots, in dem das Oesterreich
der Vorwelt verglomm, durchforscht haben wird, wird man
sich an den Kü###tler hal:
##t jenes Abendrot von 1890 bis
1920 am reinsten
#iee scheint. Und der, lieber Artur,
bist Du!“