VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 126

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Amt dei der Eisenbahn alles darauf
ah
IV.
seiner nach dem andern an mir norüberziehen, fällt es
Schauplatz seiner wirk¬
mir auf: von einer merkwürdigen Milde und Reinheir
istenz. Dort las er alle
Eine Quelle seiner bichterischen Kraft: das Staunen.
von der Medizin führten,
sind sie alle. Auf keinem von ihnen hat ein trüher Blick
Die Kraft seiner reisen und meisterlichen Kunst: das
sammen, von denen keiner
des Hasses geruht. Schuldlose sind sie alle. Oder Ent¬
Aufspüren, Verstehen und Enthüllen der Zusammen¬
te. Dort war ein Patient,
schuldigte.
hänge. Ein berauschtes, lyrisch gewordenes Staunen
ein wenig willkommener,] über das Wunder der Liebe; über die Süßigkeit, An¬
khrieb er seine ersten Dich¬
Der Generation, die jetzt die reisen Mannesjahra
mut, Hingabe und beherrichende Gewalt des Weibes:
kebelei“. Damals hat ihn
lebt, die jetzt sacht schon dem Alter entgegenschreitet ist
über alle unfaßbaren Möglichkeiten des Glückes. Zu¬
n die Wiener Presse als
Artur Schnitzler innig verbunden. Er ist eines ihrer
gleich ein schmerzdurchwühltes Stannen, darüber, daß
, der sich seine offenbar
stärksten künstlerischen Ereignisse, ist eines ihrer jugge¬
zwei Menschen, die so nahe beisammen gewesen, so end¬
erdarb, daß er die Lanne
stiven Vorbilder. Von seiner Art, die Liebe zu sehen,
los weit voneinander abgleiten können; daß fremd aus ist das Liebesgefühl dieser Generation beeinflußt wor¬
Wichtkunst zu disettieren.
werden vermag, was jemals eins war. Ein erschütter¬
ihn gleich damals als
den; von seiner Art, den Tod zu denken, ward ihr Ver¬
tes Staunen darüber, daß die Fülle des Daseins in
den Zwang, Medizin zu
gänglichkeitsgedauke angefärbt, von seiner Inbrunst,
ewiger Leere endigt, daß dieses strahlende Licht nur als
dert und beengt werde.
das Leben zu verehren, ihre Daseinslust erhöht und
kurze Einleitung ewiger Finsternis vorausgeht: daß
empfing sein Wesen die
befeuert. Seine weltliche Anmut und seine äußerste
dieser tiefwehende, jauchzende Atem der Lebendigkeit in
Menschen, die er darstellt,
Kultiviertheit haben erzieherische Wirkung geübt, und
uns zu jeder Minute ausgeblasen und erstickt werden
ll Kultur, voll geistiger
der exklusiv empfindliche Geschmack seiner Kunstmittel
kann. Dieses doppelte Staunen, aus dem der Jüngling
und problematisch. Ge¬
hat viele andre, ähnliche Exklusivitäten und gute Emp¬
einst vor sich selbst, vor sein Schicksal und vor die Welt
plkes hat er nur wenige
findlichkeiten ermutigt. Seine Technik ist in ihrer
trat, ist in all den Jahren nicht gemindert noch be¬
und dort einmal an der
frühesten Jugend von den Franzosen erzogen und an¬
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schwichtigt worden, und der Sechzigjährige steht heute
und wirken immer, wie
geregt worden. Daher rührt der leise Duft nach allerlei
sich selbst, dem Schicksal und der Welt gegenüber, voll
len seinen Werken ist der
mandänen Parfümen in seinen ersten Büchern; daher
Staunen, wie nur je; in lächelnder Anmut des Geistes,
chteten, eines inbrünstig
der Name Anatol, der wie ein Echo aus Frankreich
in lyrisch=nachdenklicher Melancholie des Herzens, voll
en seinen Werken ist die
herüberweht, in seinen ersten Dialogen aufklingt; daher
Entzücken und trunkener Daseinslust dem Leben dahin¬
gessene Nähe des Todes.
auch die elegante, höflich grüßende Verbeugung, mit der
acht in den glezenden
gegeben, voll sanfter Weisheit das Leben gütig be¬
sich manches seiner Worte zur Pointe schmiegt und
rundet. Dann aber ist ihm aus der raßlos arbeitsamen
n düsteren Spitälern der
lächelnd. In dieser Bilderreihe immer wiederkehrender
und tiefen Echtheit seines Wesens die eigene Technik
Augen gehabt: blühendes
und immer wieder schwindender Liebe, in dieser be¬
erwachsen, dieses wundervolle Vermögen, in einfachen
ständig über allem Erblühen schwebenden Drohung des
Sätzen Unsagbares mitschwingen zu lassen. Dies Ver¬
Welkens, in diesem Umkreis einer Welt, der abgesteckt
mögen, Zwischentöne der Seele, Unterstimmen des Be¬
ist von der Wonne des Seins und vom Grauen des
wußtseins frei zu machen, psychologische Konflikte von
Todes, liegt freilich eine Dagewesenheit, die so ewig ist,
e seine Bücher, alle diese
einer Zartheit, die sich zuvor weder anrühren noch ge¬
und beinahe so alt, wie das Leben selbst. Artur Schnitz¬
Dialoge und großen
stalten ließ, anzurühren und zu gestalten. Diese merk¬
ler aber hat mit diesen Dingen, die jedem gegeben sind,
und vom Tode. Auch
würdig weiche, nachgiebige, scheinbar sorglose Technik,
nur gespielt. Sein eigenes Spiel gespielt. Er hat auf
hwenn sie manchen sinn¬
in der dennoch so viel wache Aufmerksamkeit, so viel
diesen Hintergrund, vor den wir alle treten, sein Profil
chen Verknüpfungen des
Selbsterziehung, Straffheit und Frische lebt. Mit dieser
gezeichnet. Sein eigenes. Und aus diesem Erdenlehm,
wenn Streit, Aufruhr,
nachspürenden. ausgewogenen, nervengarten Technik ist
der jeder formenden Hand willig ist, hat er seine Ge¬
is sie erfüllen und durch¬
er auf die leidenschaftliche Suche nach den Zusammen¬
stalten geschaffen. In seinem Ebenbild. Eine kleine
ält die Liebe und der Tod.
hängen gegangen. Sein kühnstes Experiment, die Zu¬
Welt von Menschen lebt nun mit uns, führt in unserm
Andacht des Erlebens
sammenhänge zu enträtseln: „Der Ruf des Lebens.“
Gedächtnis, in unsrer Kenntnis von der Welt und in
rchströntte Schwere der
Sein interessantester Versuch: „Das weite Land“ und
unsern Erkenntnissen eine lebendige Existenz von er¬
den, die unauslöschliche
„Der junge Medardus“. Sein übermütigstes und freie¬
höhter Wirklichkeit. Anatol, der verwöhnte Melancho¬
#che, die tiefe Folge des
stes Ergreifen der Zusammenhänge: „Reigen.“ Mit
liker des Genusses, die einfache, süße Christine aus der
dieser anmutig federnden, in ihrem Reichtum schwelge¬
aber hebt ihn ein geisti¬
„Liebelei“, der edel komplizierte Herr v. Sala aus dem
rischen Technik hat er die Farbigkeit des modernen
bis zu einer Höhe, in
„Einsamen Weg“, die Herzogin aus dem „Grünen
Lebens, den Prunk und die Schönheit einer vornehmen
ick von unsern Schultern
Kakadu“, der junge Kavalier aus „Literatur“; und alle und weiten Welt herausgebracht. Man hat oft, und in
Wirklichen schwerlos und
tragen die Züge Schnitzlerschen Geistes, alle haben an einer nur zu nahe liegenden Ideenverbindung, gesagt,
le Wichtigkeiten sich auf¬
ihrer Gestalt vom Griff und Druck seiner sormenden aus Schnitzlers Werken sei der Jubel und die Schwer¬
ind seine nachdenklichen
mut Wiener Walzer zu hören. Vielleicht ist es ebenso
Hand die Spur. Alle reden so, daß man nach ihren
röboben: Liebelei. In
wahr, daß seine Instrumentation gelegentlich an den
ersten drei Worten schon wissen muß: Sie sind von
bessere Jenseits der
blendenden Geigenglanz Puccinis erinnert, darin das
Schnitzler. Alle sind in Erlebnisse, in Konflikte, in
Ueberwundenhabens:
verführerische, sinnliche Strahlen und die prächtig ver¬
Schicksale, in eine Atmosphäre gestellt, die vollkommen
Höhe, das Auflösen der
wirrende Erhabenheit der Großstadt manchmal auf¬
esen und Eigenart spiegelt. Wie sie jetzt
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Wie diese Frühlingsabenddämmerung, die jetzt um
mich niedergleitet, sanft ist und doch erschütternd, so ist
sein Werk mild und gelind und dabei anschwellend bis
zu einer wühlenden Tragik. Und wie dieser alte.
blühende Garten hier wienerisch ist, so ist sein Werk
wienerisch in all seinem Wurzeln und Blühen. Das
Frühlinghafte, das Maienhafte, das Lenzliche, das
Wiens eigensten und süßesten Zauber ausmacht, durch¬
dringt auch die Art, durchdringt das Schaffen dieses
maigeborenen Wiener Dichters, der nun sechzig Jahre
alt geworden ist, reif und meisterlich vollendet, berühmt
und geliebt. Und in allen seinen Werken grüßt uns
die Jugend. In allen seinen Werken duftet der Flieder.
Wenn wir ihn jetzt schon historisch empfinden dürfen,
dann steht er, als letzter, in jener Reihe wienerischer
Gestalten, die uns am liebsten sind. Von Schubert weht
ein Klang zärtlicher Lieder um ihn her, von Schwinds
holder Phantastik schwingt manche feine Linie an den
Konturen Schnitzlerscher Mädchen, und zu Grillparzers
Melancholie ließe sich mancher vetternhaft verwandte
Zug an ihm finden. Abgeschlossen wie dieser Garten,
hegt sein Werk wie dieser seine eigene, reine, stille, be¬
sondere Welt, in der nicht alles durcheinander stürzen
darf wie draußen auf der breiten Straße. Dennoch ist
die Straße nahe und vernehmlich, dennoch ist es die
Wiener Lust, die darüber hinstreicht über diesen Garten
wie über Schnitzlers Werk; dennoch hebt und dröhnt
und atmet rings um beide das Dasein der ungeheueren
Stadt. Irgendwo in der Ferne spielt ein Leierkasten,
irgendwo klingt der Hufschlag trabender Fiakerpferde,
irgendwo in der Ferne singen Menschen wienerische
Lieder — man kann in der Einsamkeit dieses Gartens
sich's nicht einbilden, daß man irgendwo anders sei in der
Welt. Und kann in der Exklusivität Schnitzlers Werks
alles Geschehene niemals anderswo denken als in Wien.