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goth Birthdan
77
Fllm-Kurier, Bertie.
2 CMAT1922
—
politisches Gewand. Dieser Jüngling ist dramafiguren, die wie Uhrwerk=Puppen an¬
mehr Held als Wiener. (Beides scheint so muten, steht und regt sich diese Fleisch und
Wiener Theater
schwer vereinbar!) Und darum, gerade dar= Blut gewordene Gestalt: der „Wauwau“
Von
um kann diese Figur auf der Bühne nur von Max Pallenbergs, ein schrullenhafter Greis,
Friedrich Porges
einem Wiener verkörpert werden, soll sie ein pfiffiger alter Herr, ein bejahrter
Dem sechzigjährigen Arthux Schnitz¬
Bursche mit junger Seele und noch sprung¬
nicht völlig um die wienerische Note kommen.
ser hat das geistige Wien schmeichethäfteste
bereitem Geist. Über Pallenbergs originelle
Im Burgtheater, wo man die fünf¬
Huldigung dargebracht. Wien seinem
Sprechkunst ist nichts mehr zu sagen. Ihre
zehn Bilder des „Medardus“ auf der Dreh¬
Dichter! Dem Dichter der frohen, sonnigen,
Unübertrefflichkeit ist wiederholt dargetan
bühne Revue passieren ließ, spielt Werner
sorglos=leichtsinnigen Stadt, der nichts ge¬
worden. Diese neue Rolle aber zeigt Pallen¬
Schott mit edelstem Temperament und
blieben ist, als vielleicht noch eine Dosis
berg wieder als den bedeutenden Gestalter,
kühnem Schwung einen Medardus, dem die
Leichtsinn, die, auf einmal genossen, wohl
als einen der hervorragendsten Charakter¬
Lokalseele fehlt. Dieser Medardus könnte
genügen mag, um ihr jetzt vollends den Gar¬
darsteller. Pallenberg gestaltet einen Cha¬
auch bei Potsdam füsiliert worden sein ...
aus zu machen! (Leichtsinn ist doch zu viel
rakter als Mosaik der Nuancen. Steinchen
Wien ist in dieser Wiener Aufführung am
Restringieren wir auf: „Schlam¬
gesagt.
fügt er an Steinchen zu dem bunten Bild,
besten (und fast allein) von Frau Bleib¬
Damit freilich tut man Arthur
perei“.)
aber nicht wahllos, sondern systematisch, das
treu vertreten, die mit Hingebung und
Schnitzler bitter unrecht, daß man ihn gar
Endergebnis, das Gesamtwerk stets vor
Adel die Heldenmutter spielt. Im Ganzen
so sehr lokalisiert. Denn Schnitzler — und
Augen. Dazu wirkt Pallenbergs natürlicher,
gibt die Aufführung Zeugnis davon, daß
daran scheinen diejenigen, die ihn so heftig
ungesuchter Humor erquickend. Pallenbergs
man im Burgtheater doch noch immer große
als den Wiener Dichter reklamieren, zu
Wiener Gastspielerfolg war ein ganz
Aufgaben restlos zu lösen imstande ist.
hat nicht nur den „Leutnant
vergessen
enormer.
Gustl“ den „Reigen“ den „Anatol“ und
Einer der vielen Könner, die dieser
die „Liebelei“ geschrieben, sondern außerdem
noch eine ganze Reihe von Dramen und No¬
„sorglos=leichtsinnigen“ Stadt (siehe oben!)
rechtzeitig den Rücken gekehrt und im Aus¬
vellen, die keine Spur von wienerischem
Kolorit zeigen. Schnitzler hat vielleicht, wie
land die ihnen gebührende Anerkennung ge¬
funden haben, ist Max Pallenberg. Er,
wenige, Wiener Art und Wiener Unart zu
dessen große Begabung von Wiener Theater¬
schildern verstanden. Aber dieses Wienertum
leitern nicht erkannt und gewürdigt wurdet
hat seiner Begabung gewiß keine Schranken
wird heute hier als illustrer „Berliner“ Gast)
sein
gesetzt. Sein „Grüner Kakadu“,
empfangen. Er spielt seit vielen Tagen im
„Schleier der Beatrice“, sein „Ruf des
Raimundtheater den „Wauwau“, einen
Lebens“ beweison es
alten Kriminalisten in einer kitschig=un¬
logischen, englischen Komödie. Mitten unter
er junge Medardus“ ist
Mischung: wienerische Seele, kosmo= blassen, papierenen, nichtssagenden Buchs
6
Ped
1r0950
2 8 M
Sesternnrrterseser
X Eine tschechische Studie über Arthur Schnitz¬
ler veröffentlicht Jan Krejéi in der Wochenschrift
„Jevisté“. Prof. Krej6j, ein guter Kenner der deut¬
schen Literatux, weist darauf hin, wie innig Schnitz
lers Schaffen'mitdem Wesen einer durch den Krieg
gründlich veränderten Zeitstimmung zusammen¬
hängt und betont die Objetivität des Dichters, der
Zeitprobleme zur Diskussion stellt, ohne eine sub¬
jektive Lösung zu verfechten. Schnitzlers Bedeutung
innerhalb der dramatischen Literatur kennzeichnet
der Verfasser wie folgt: „Das Drama wird nicht zu
ihm zurückkehren, aber seine Spur wird darin anz
dauern.“
goth Birthdan
77
Fllm-Kurier, Bertie.
2 CMAT1922
—
politisches Gewand. Dieser Jüngling ist dramafiguren, die wie Uhrwerk=Puppen an¬
mehr Held als Wiener. (Beides scheint so muten, steht und regt sich diese Fleisch und
Wiener Theater
schwer vereinbar!) Und darum, gerade dar= Blut gewordene Gestalt: der „Wauwau“
Von
um kann diese Figur auf der Bühne nur von Max Pallenbergs, ein schrullenhafter Greis,
Friedrich Porges
einem Wiener verkörpert werden, soll sie ein pfiffiger alter Herr, ein bejahrter
Dem sechzigjährigen Arthux Schnitz¬
Bursche mit junger Seele und noch sprung¬
nicht völlig um die wienerische Note kommen.
ser hat das geistige Wien schmeichethäfteste
bereitem Geist. Über Pallenbergs originelle
Im Burgtheater, wo man die fünf¬
Huldigung dargebracht. Wien seinem
Sprechkunst ist nichts mehr zu sagen. Ihre
zehn Bilder des „Medardus“ auf der Dreh¬
Dichter! Dem Dichter der frohen, sonnigen,
Unübertrefflichkeit ist wiederholt dargetan
bühne Revue passieren ließ, spielt Werner
sorglos=leichtsinnigen Stadt, der nichts ge¬
worden. Diese neue Rolle aber zeigt Pallen¬
Schott mit edelstem Temperament und
blieben ist, als vielleicht noch eine Dosis
berg wieder als den bedeutenden Gestalter,
kühnem Schwung einen Medardus, dem die
Leichtsinn, die, auf einmal genossen, wohl
als einen der hervorragendsten Charakter¬
Lokalseele fehlt. Dieser Medardus könnte
genügen mag, um ihr jetzt vollends den Gar¬
darsteller. Pallenberg gestaltet einen Cha¬
auch bei Potsdam füsiliert worden sein ...
aus zu machen! (Leichtsinn ist doch zu viel
rakter als Mosaik der Nuancen. Steinchen
Wien ist in dieser Wiener Aufführung am
Restringieren wir auf: „Schlam¬
gesagt.
fügt er an Steinchen zu dem bunten Bild,
besten (und fast allein) von Frau Bleib¬
Damit freilich tut man Arthur
perei“.)
aber nicht wahllos, sondern systematisch, das
treu vertreten, die mit Hingebung und
Schnitzler bitter unrecht, daß man ihn gar
Endergebnis, das Gesamtwerk stets vor
Adel die Heldenmutter spielt. Im Ganzen
so sehr lokalisiert. Denn Schnitzler — und
Augen. Dazu wirkt Pallenbergs natürlicher,
gibt die Aufführung Zeugnis davon, daß
daran scheinen diejenigen, die ihn so heftig
ungesuchter Humor erquickend. Pallenbergs
man im Burgtheater doch noch immer große
als den Wiener Dichter reklamieren, zu
Wiener Gastspielerfolg war ein ganz
Aufgaben restlos zu lösen imstande ist.
hat nicht nur den „Leutnant
vergessen
enormer.
Gustl“ den „Reigen“ den „Anatol“ und
Einer der vielen Könner, die dieser
die „Liebelei“ geschrieben, sondern außerdem
noch eine ganze Reihe von Dramen und No¬
„sorglos=leichtsinnigen“ Stadt (siehe oben!)
rechtzeitig den Rücken gekehrt und im Aus¬
vellen, die keine Spur von wienerischem
Kolorit zeigen. Schnitzler hat vielleicht, wie
land die ihnen gebührende Anerkennung ge¬
funden haben, ist Max Pallenberg. Er,
wenige, Wiener Art und Wiener Unart zu
dessen große Begabung von Wiener Theater¬
schildern verstanden. Aber dieses Wienertum
leitern nicht erkannt und gewürdigt wurdet
hat seiner Begabung gewiß keine Schranken
wird heute hier als illustrer „Berliner“ Gast)
sein
gesetzt. Sein „Grüner Kakadu“,
empfangen. Er spielt seit vielen Tagen im
„Schleier der Beatrice“, sein „Ruf des
Raimundtheater den „Wauwau“, einen
Lebens“ beweison es
alten Kriminalisten in einer kitschig=un¬
logischen, englischen Komödie. Mitten unter
er junge Medardus“ ist
Mischung: wienerische Seele, kosmo= blassen, papierenen, nichtssagenden Buchs
6
Ped
1r0950
2 8 M
Sesternnrrterseser
X Eine tschechische Studie über Arthur Schnitz¬
ler veröffentlicht Jan Krejéi in der Wochenschrift
„Jevisté“. Prof. Krej6j, ein guter Kenner der deut¬
schen Literatux, weist darauf hin, wie innig Schnitz
lers Schaffen'mitdem Wesen einer durch den Krieg
gründlich veränderten Zeitstimmung zusammen¬
hängt und betont die Objetivität des Dichters, der
Zeitprobleme zur Diskussion stellt, ohne eine sub¬
jektive Lösung zu verfechten. Schnitzlers Bedeutung
innerhalb der dramatischen Literatur kennzeichnet
der Verfasser wie folgt: „Das Drama wird nicht zu
ihm zurückkehren, aber seine Spur wird darin anz
dauern.“