VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 141

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zuweisen als Schnitzlers „Einsamen Weg“, in dem man auch wohl sein] ?
bestes Werk sehen darf. Hier entfaltet sich eine Kunst der Halbtöne, der hi
n.
feinen Valeurs; eine silbergraue, von schweren Farben matt durchleuchtete
Herbststimmung ist über das Ganze gebreitet, und die Tragik des Alters, in
die hier angeschlagen wird und bei Schnitzler immer wiederkehrt, ist die ##
eigentliche Tragik des impressionistischen Menschen, der stets die Stunde; di
genossen hat und sich nun einsam sieht mit den Schemen seiner Erinne¬1D
rung. Die Wirrungen und Wandlungen der Seele, die „ein weites ir
Land“ ist, beschäftigen Schnitzler hauptsächlich, der als Arzt ein scharfer],
Beobachter ist und sich mit Psychologie nicht nur als Künstler sondernst
auch als Gelehrter beschäftigt hat. In einem eigenen Buch ist vonsse
Theodor Reik auf die Beziehung unseres Dichters zu der Psychoanalyse! a
Freuds hingewiesen worden, der sein engster Wiener Landsmann ist und g
mit dem er sich auch in seinen wissenschaftlichen Arbeiten über Hypnose a
und Suggestion berührte. Schnitzler ist in seinen Dichtungen von ver¬
hältnismäßig einfachen Gesühlen, auf denen sich sein bekanntestes Dramain
„Liebelei“ aufbaute, zu immer komplizierteren seelischen Beziehungen undir
Rätseln fortgeschritten, er dringt tief in die Welt des Unbewußten, derr
verdrängten Gefühle und gestaltet echt Freud'sche Probleme, wie in der r#
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Novelle „Frau Beate und ihr Sohn“. Aber so wichtig diese tief boh¬
rende und zergliedernde Analyse für seine Kunst ist, so darf man sein Werk
doch nicht, wie es Neik getan hat, einseitig an der Freud'schen Methode
messen, sondern muß betrachten, was er aus diesem reichen psychologischen
Material lebendig gestaltet hat.
Man hat Schnitzler oft vorgeworfen, daß seine Welt und seine
Stoffe zu eng begrenzt seien. Tatsächlich sind es nur ganz wenige Mo¬
tive, Figuren und Situationen, die sich bei ihm in seinen Variationen
stets wiederholen. Da ist die Stellung des Mannes zwischen zwei
Frauen, dem „süßen Madel“ und der verheirateten Dame, da ist das
„dreieckige“ Verhältnis in der Ehe, da sind die beiden Freunde, die bei¬
Qual, ist die
ben Gegner, da ist der Liebe kurze Seligkeit
Hoffnung auf das Kind und das Grauen vor dem auer, ist Duell und
Tod. Schnitzler schlägt diese Leitmotive schon in seinen ersten Dichtungensc
an, hat sie in „Anatol“ und „Liebelei“ reich und dichterisch entwickelt.]!
In „Reigen“, dieser heut so berüchtigten Szenenfolge, hat der erotische! (
Pessimismus des jungen Dichters seinen stärksten Ausdruck gefunden, es

ist ein mela#cholischer „Totentanz der Liebe“, dessen Motto das Wort
v
Meister Eckhards sein könnte: „Die Wollust der Kreaturen“ ist vermenget
t
mit „Bitterkei!“. Die Tendenzdramen, die nun folgen, widmen sich der
Gesellschaftskritik und finden ihre höher stehende Fortsetzung in Werken
wie „Zwischenspiel“ und „Das weite Land“, die der modernen Skepsis
Der dramatischen Spannkraft entbehrt, bisweilen dem Streben nach reinsu
theatralischer Wirkung, die ihm am besten im „Grünen Kakadu“ gelun¬
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gen ist. Auch seine neuesten Berufsstücke, das vielgespielte Aerztedrama
„Professor Bernhardi“ und die mißlungene Journalistenkomödie „Fink
und Fliederbusch“ sind reine Theaterstücke. Größere Aufgaben stellte
er sich in den Werken „Der Schleier der Beatrice" und „Der junge
Medardus“, die zur „großen Tragödie“ hinstreben. Aber weder die

Historie noch die dramatische Architektonik sind seine starke Seite. So
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wundervolle Szenen besonders der „Schleier der Beatrice“ enthält, es
sind doch nur Einzelheiten, und überhaupt leistet er sein Höchstes in
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kleinen Werken, in manchen Einaktern, in einzelnen Akten, in subtiln n
Details, wie sie noch zuletzt das Casanova=Drama mit seiner prächtigen!g
Rokoko=Ornamentik enthält.
Schnitzler ist ein Meister des Dialogs, der fein geschliffenen Pointe;
er braucht jemanden, der ihm „die Stichworte bringt“, aber seine Cha=r.
rakteristik ist zu subtil und episch, sodaß seine Dramen leicht etwas Nu¬
vellistisches bekommen. Als Novellist hat er von seinen Jugendsachen
„Sterben“ und „Leutnant Gustl“ an viel Feines geschaffen; sein epischer
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Atem ist aber kur und reicht nicht zum Roman. Trotzdem ist kein einzi¬
ger Noman „Der Weg ins Freie“ vielleicht sein bedeutendstes, jedenfalls
sein persönlichstes Werk. Es ist ein Erkenntnisbuch großen Stils, in
dem er als Jude und als Oesterreicher mit den ewigen Problemen der
Rasse und des Volkes ringt. Gehört auch der Dichter des Impressionis¬
mus und des alten Wier der Vergangenheit an, der Mensch Schnitzler
wird in seinem Allzumenschlichen — Ewigmenschlichen stets lebendig#
Kleiben und uns ergreifen.
Gottes= und Humanitätsgedanken
Biblische
in der Griechenwelt.
Von Dr. Beerman:- Heilbronn.
Die moderne Forschung ist heute recht behutam da, wo Fleiche“
1
ober ähnliche Gedanken in verschiedenen Kultur=Kreisen sich äußern, so¬
11
kort auf unmittelbar= Boeinflussun
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T0JUN 1922
Zeitschriften.
Kunstwart. Hgb. Ferd. Avenarius. München, Georg D. W.
Callwey. 35. Jahr, Heft 8.
Anläßlich des 60. Geburtstages Arthur Schnitzlers sucht
Wolfgang Schumann zum Wesen dieseregenngen Dichter¬
persönlichkeit in einem knappen Essay vorzudringen: „... Was
umschließt Schnitzlers Werk? Sein Schauen, seine Empfänglich¬
keit ist nicht „unmittelbar eingestellt auf die wienerische Welt;
er spiegelt sie, nehmt alles nur in allem, durch das Medium
menschlicher Gestaiten; er ist tief und eindeutig eingestellt auf
Menschen, wie denn seine Hauptwerke Dramen und Novellen,
nicht Romane sind. So ist ihm nicht gegeben, den Vollklang
heimatlicher Natur aus reinster, eigener Empfindung wieder¬
klingen zu lassen; nicht, das sichtbare Abbild der seelenvollen
alten Stadt, ihrer baulichen und architektonischen Reize, der durch¬
siedelten Landschaft wiederzugeben; nicht, Kulturgeschichte in ihren
bleibenden Zeugnissen oder Geschichte in ihrer Jahrzehnte oder
Jahrhunderte überspannenden Entwicklung zu fassen. Von alle¬
dem berührt ihn nur, was als Erlebnis, als wesenbestimmende
Überlieferung, als prägende Umwelt, als gewohnheitformende
Atmosphäre in den Menschen seiner Zeit wirksam wurde. In
ihnen, durch sie hindurch, erfühlt und gestaltet er im Widerschein,
was andere unmittelbar dichterisch zu ergreifen trachten, und
erfühlt und gestaltet es mit der Sicherheit und Kraft einer Be¬
obachtung, der am lebendigen Menschen kein noch so geheimes
Element seines Wesens verborgen bleibt. Seine lebendigen¬
Gestalten selber sind die Prismen seiner Wiener Welt ...“