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6oth Birthdar
seite 95
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singen. Die diskrete Art des Herrn Ma= Darsteller erzwang sich denn auch die Teitt, ##8 Lustivieltheater. „Graf Toni“
10
rischka kommt dem Komponisten da sehr nahme jener Zuschauer, die den Duft dieser
½28 Rolandbühne. (Gastspiel der Freien
entgegen. Ihren vereinten Kräften gelingt es. Dichtung gemeinhin als Dunst aufnehmen.
süd. Volksbühne) „Jedem sein
Gott“
. 10
was sonst in Wien wenigstens keinem Kompo= Jarno selbst verwandelt sich in einen Alten
½8 Apollotheater. „Offenbach“.
nisten und keinem Operettentheater gelingt, das voll abgründiger Dämonie; in seiner Stimme
½28 Monacher. „Hypnose“.
schwingt das Wissen um alle Zusammenhänge
gewisse fettige pfeudo=gemütvolle Operetten¬
9 Parisien. Tanzpalast.
des Mysteriums Leben. Laura Zeller traf
½29 Lurion. „Im Massenquartier“
timbre zu vermeiden. „Frasquita“ setzt mit
8 Chat noir. Robert Valbert. Bera Forst 2c.
trefflich den schwierigen Ton der Mumien¬
einem Chor ein, der an Tempo und Einfall
248 Künstlerspiele „Pau“. Kartousch, Tauten¬
gestalt, die bald pathologische, bald übersinn¬
das beste der ganzen Operette ist. Dieser Höhe¬
hayn. Forest, Guttmann. Hegner=Laszky 2c.
punkt wird dann leider den ganzen Abend liche Erscheinung ist. Heinrich Fuchs spielte
9 Konzericafé Haag u. Ganauser, 1 B
hindurch kaum mehr erreicht. Zwischen dem den Studenten diesseits der Realität, folge¬
zirk. Lugeck Nr. 1. Ehem. Deutschmeister¬
kavelle Harfen=Soli von Max Geißler.
„Reißer“ und dem „Musizieren an sich“ gibt es richtig, doch ohne die seelische und stimmliche
sphäre gestellt, die vollkommen Schnitzlers schwingen zu lassen. Dies Vermögen, in all seinen Wurzeln und Blüten. Das
Wesen und Eig nart spiegelt. Wie sie jetzt Zwischentöne der Seele, Unterstimmen Frühlingshafte, das Maienhafte, das
einer nach dem andern an mir vorüber= des Bewußtseins frei zu machen, psycho= Lenzliche, das Wiens eigensten und
ziehen, fällt es mir auf: von einer merk= logische Konflikte von einer Zartheit, die süßesten Zauber ausmacht, durchdringt
sich zuvor weder anrühren noch gestalten auch die Art, durchdringt das Schaffen
würdigen Milde und Reinheit sind sie
ließ, anzurühren und zu gestalten. Diese dieses maigebornen Wiener Dichters,
alle. Auf keinem von ihnen hat ein trüber
merkwürdig weiche, nachgiebige, scheinbar der nun sechzig Jahre alt geworden ist,
Blick des Hasses geruht. Schuldlos sind
sorglose Technik, in der dennoch so viel
reif und meisterlich vollendet, berühmt
sie alle. Oder Entschuldigte.
wache Aufmerksamkeit, so viel Selbst¬
und geliebt. Und in allen seinen Werken
v.
erziehung, Straffheit und Frische lebt.
grüßt uns die Jugend. In allen seinen
Der Generation, die jetzt die reifen
Mit dieser nachspürenden, ausgewogenen,
Werken duftet der Flieder. Wenn wir ihn
Mannesjahre lebt, die jetzt sacht schon
nervenzarten Technik ist er auf die leiden= jetzt schon historisch empfinden dürfen,
dem Alter entgegenschreitet, ist Artur
schaftliche Suche nach den Zusammen¬
dann steht er, als letzter, in jener Reihe
Schnitzler innig verbunden. Er ist eines
hängen gegangen. Sein kühnstes Experi¬
wienerischer Gestalten, d
uns am
ihrer stärksten künstlerischen Ereignisse,
ment, die Zusammenhänge zu enträtseln:
liebsten sind. Von Schubert weht ein
ist eines ihrer suggestiven Vorbilder.
Klang zärtlicher Lieder um ihn her, von
Von seiner Art, die Liebe zu sehen, ist „Der Ruf des Lebens“. Sein inter¬
Schwinds holder Phantastik schwingt
das Liebesgefühl dieser Generation be= essantester Versuch: „Das weite Land“
manche feine Linie an den Konturen
einflußt worden; von seiner Art, den und „Der junge Medardus“ Sein über¬
Tod zu denken, ward ihr Vergänglich= mütigstes und freiestes Ergreifen der Zu= Schnitzlerscher Mädchen, und zu Grill¬
keitsgedanke angefärbt, von seiner In¬ sammenhänge: „Reigen“. Mit dieser an= parzers Melancholie ließe sich mancher
brunst, das Leben zu verehren, ihre Da= mutig federnden, in ihrem Reichtum vetternhaft verwandte Zug an ihm finden.
seinslust erhöht und befeuert. Seine schwelgerischen Technik hat er die Farbig= Abgeschlossen, wie dieser Garten, hegt
weltliche Anmut und seine äußerste Kulti= keit eines modernen Lebens, den Prunk sein Werk wie dieser seine eigene, reine
viertheit haben erzieherische Wirkung ge= und die Schönheit einer vornehmen und stille, besondere Welt, in der nicht alles
übt, und der exklusiv empfindliche Ge, weiten Welt herausgebracht. Man hat durcheinander stürzen darf wie draußen
auf der breiten Straße. Dennoch ist die
schmack seiner Kunstmittel hat viele ost, und in einer nur zu nahe liegenden
„deenverbindung, gesagt, aus Schnitzlers
Straße nahe und vernehmlich, dennoch ist
andre ähnliche Exklusivitäten und gute
Werken sei der Jubel und die Schwermut es die Wiener Luft, die darüber hin¬
Empfindlichkeiten ermutigt. Seine Tech= Wiener Walzer zu hören. Vielleicht ist streicht, über diesen Garten wie über
nik ist in ihrer frühesten Jugend von den
es ebenso wahr, daß seine Instrumen¬
Schnitzlers Werk; dennoch bebt und
Franzosen erzogen und angeregt worden. tatien gelegentlich an den blendenden
dröhnt und atmet rings um beide das Da¬
Daher rührt der leise Duft nach allerlei Geigenglanz Puccinis erinnert, darin
sein der ungeheuren Stadt. Irgendwo in
mondänen Parfümen in seinen ersten das verführerische, sinnliche Stahlen
der Ferne spielt ein Leierkasten, irgendwo
Büchern; daher der Name Anatol, der
und die prächtig verwirrende Erhaben¬
klingt der Hufschlag trabender Fiaker¬
wie ein Echo, aus Frankreich herüber¬
heit der Großstadt manchmal aufleuchten.
pferde irgendwo in der Ferne singen
weht, in seinen ersten Dialogen auf¬
Menschen wienerische Lieder — man
VI.
klingt; daher auch die elegante, höflich
kann in der Einsamkeit dieses Gartens
Wie diese Frühlingsabenddämme¬
grüßende Verbeugung, mit der sich man¬
sich's nicht einbilden, daß man irgendwo
ches seiner Worte zur Pointe schmiegt rung, die jetzt um mich niedergleitet,
und rundet. Dann aber ist ihm aus der sanft ist und doch so erschütternd, so ist anders sei in der Welt. Und kann in der
rastlos arbeitsamen und tiefen Echtheit sein Werk mild und gelind und dabei an= Exklusivität Schnitzlers Werks alles Ge¬
seines Wesens die eigene Technik er= schwellend bis zu einer wühlenden Tragik. schehene niemals anderswo denken als in
Wien.
wachsen, dieses wundervolle Vermögen, Und wie dieser alte blühende Garten hier
in einfachen Sätzen Unsagbares mit= wienerisch ist, so ist sein Werk wienerisch!
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singen. Die diskrete Art des Herrn Ma= Darsteller erzwang sich denn auch die Teitt, ##8 Lustivieltheater. „Graf Toni“
10
rischka kommt dem Komponisten da sehr nahme jener Zuschauer, die den Duft dieser
½28 Rolandbühne. (Gastspiel der Freien
entgegen. Ihren vereinten Kräften gelingt es. Dichtung gemeinhin als Dunst aufnehmen.
süd. Volksbühne) „Jedem sein
Gott“
. 10
was sonst in Wien wenigstens keinem Kompo= Jarno selbst verwandelt sich in einen Alten
½8 Apollotheater. „Offenbach“.
nisten und keinem Operettentheater gelingt, das voll abgründiger Dämonie; in seiner Stimme
½28 Monacher. „Hypnose“.
schwingt das Wissen um alle Zusammenhänge
gewisse fettige pfeudo=gemütvolle Operetten¬
9 Parisien. Tanzpalast.
des Mysteriums Leben. Laura Zeller traf
½29 Lurion. „Im Massenquartier“
timbre zu vermeiden. „Frasquita“ setzt mit
8 Chat noir. Robert Valbert. Bera Forst 2c.
trefflich den schwierigen Ton der Mumien¬
einem Chor ein, der an Tempo und Einfall
248 Künstlerspiele „Pau“. Kartousch, Tauten¬
gestalt, die bald pathologische, bald übersinn¬
das beste der ganzen Operette ist. Dieser Höhe¬
hayn. Forest, Guttmann. Hegner=Laszky 2c.
punkt wird dann leider den ganzen Abend liche Erscheinung ist. Heinrich Fuchs spielte
9 Konzericafé Haag u. Ganauser, 1 B
hindurch kaum mehr erreicht. Zwischen dem den Studenten diesseits der Realität, folge¬
zirk. Lugeck Nr. 1. Ehem. Deutschmeister¬
kavelle Harfen=Soli von Max Geißler.
„Reißer“ und dem „Musizieren an sich“ gibt es richtig, doch ohne die seelische und stimmliche
sphäre gestellt, die vollkommen Schnitzlers schwingen zu lassen. Dies Vermögen, in all seinen Wurzeln und Blüten. Das
Wesen und Eig nart spiegelt. Wie sie jetzt Zwischentöne der Seele, Unterstimmen Frühlingshafte, das Maienhafte, das
einer nach dem andern an mir vorüber= des Bewußtseins frei zu machen, psycho= Lenzliche, das Wiens eigensten und
ziehen, fällt es mir auf: von einer merk= logische Konflikte von einer Zartheit, die süßesten Zauber ausmacht, durchdringt
sich zuvor weder anrühren noch gestalten auch die Art, durchdringt das Schaffen
würdigen Milde und Reinheit sind sie
ließ, anzurühren und zu gestalten. Diese dieses maigebornen Wiener Dichters,
alle. Auf keinem von ihnen hat ein trüber
merkwürdig weiche, nachgiebige, scheinbar der nun sechzig Jahre alt geworden ist,
Blick des Hasses geruht. Schuldlos sind
sorglose Technik, in der dennoch so viel
reif und meisterlich vollendet, berühmt
sie alle. Oder Entschuldigte.
wache Aufmerksamkeit, so viel Selbst¬
und geliebt. Und in allen seinen Werken
v.
erziehung, Straffheit und Frische lebt.
grüßt uns die Jugend. In allen seinen
Der Generation, die jetzt die reifen
Mit dieser nachspürenden, ausgewogenen,
Werken duftet der Flieder. Wenn wir ihn
Mannesjahre lebt, die jetzt sacht schon
nervenzarten Technik ist er auf die leiden= jetzt schon historisch empfinden dürfen,
dem Alter entgegenschreitet, ist Artur
schaftliche Suche nach den Zusammen¬
dann steht er, als letzter, in jener Reihe
Schnitzler innig verbunden. Er ist eines
hängen gegangen. Sein kühnstes Experi¬
wienerischer Gestalten, d
uns am
ihrer stärksten künstlerischen Ereignisse,
ment, die Zusammenhänge zu enträtseln:
liebsten sind. Von Schubert weht ein
ist eines ihrer suggestiven Vorbilder.
Klang zärtlicher Lieder um ihn her, von
Von seiner Art, die Liebe zu sehen, ist „Der Ruf des Lebens“. Sein inter¬
Schwinds holder Phantastik schwingt
das Liebesgefühl dieser Generation be= essantester Versuch: „Das weite Land“
manche feine Linie an den Konturen
einflußt worden; von seiner Art, den und „Der junge Medardus“ Sein über¬
Tod zu denken, ward ihr Vergänglich= mütigstes und freiestes Ergreifen der Zu= Schnitzlerscher Mädchen, und zu Grill¬
keitsgedanke angefärbt, von seiner In¬ sammenhänge: „Reigen“. Mit dieser an= parzers Melancholie ließe sich mancher
brunst, das Leben zu verehren, ihre Da= mutig federnden, in ihrem Reichtum vetternhaft verwandte Zug an ihm finden.
seinslust erhöht und befeuert. Seine schwelgerischen Technik hat er die Farbig= Abgeschlossen, wie dieser Garten, hegt
weltliche Anmut und seine äußerste Kulti= keit eines modernen Lebens, den Prunk sein Werk wie dieser seine eigene, reine
viertheit haben erzieherische Wirkung ge= und die Schönheit einer vornehmen und stille, besondere Welt, in der nicht alles
übt, und der exklusiv empfindliche Ge, weiten Welt herausgebracht. Man hat durcheinander stürzen darf wie draußen
auf der breiten Straße. Dennoch ist die
schmack seiner Kunstmittel hat viele ost, und in einer nur zu nahe liegenden
„deenverbindung, gesagt, aus Schnitzlers
Straße nahe und vernehmlich, dennoch ist
andre ähnliche Exklusivitäten und gute
Werken sei der Jubel und die Schwermut es die Wiener Luft, die darüber hin¬
Empfindlichkeiten ermutigt. Seine Tech= Wiener Walzer zu hören. Vielleicht ist streicht, über diesen Garten wie über
nik ist in ihrer frühesten Jugend von den
es ebenso wahr, daß seine Instrumen¬
Schnitzlers Werk; dennoch bebt und
Franzosen erzogen und angeregt worden. tatien gelegentlich an den blendenden
dröhnt und atmet rings um beide das Da¬
Daher rührt der leise Duft nach allerlei Geigenglanz Puccinis erinnert, darin
sein der ungeheuren Stadt. Irgendwo in
mondänen Parfümen in seinen ersten das verführerische, sinnliche Stahlen
der Ferne spielt ein Leierkasten, irgendwo
Büchern; daher der Name Anatol, der
und die prächtig verwirrende Erhaben¬
klingt der Hufschlag trabender Fiaker¬
wie ein Echo, aus Frankreich herüber¬
heit der Großstadt manchmal aufleuchten.
pferde irgendwo in der Ferne singen
weht, in seinen ersten Dialogen auf¬
Menschen wienerische Lieder — man
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klingt; daher auch die elegante, höflich
kann in der Einsamkeit dieses Gartens
Wie diese Frühlingsabenddämme¬
grüßende Verbeugung, mit der sich man¬
sich's nicht einbilden, daß man irgendwo
ches seiner Worte zur Pointe schmiegt rung, die jetzt um mich niedergleitet,
und rundet. Dann aber ist ihm aus der sanft ist und doch so erschütternd, so ist anders sei in der Welt. Und kann in der
rastlos arbeitsamen und tiefen Echtheit sein Werk mild und gelind und dabei an= Exklusivität Schnitzlers Werks alles Ge¬
seines Wesens die eigene Technik er= schwellend bis zu einer wühlenden Tragik. schehene niemals anderswo denken als in
Wien.
wachsen, dieses wundervolle Vermögen, Und wie dieser alte blühende Garten hier
in einfachen Sätzen Unsagbares mit= wienerisch ist, so ist sein Werk wienerisch!