VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 162

6oth Birthday box 39/3
Z1o1 ——
" Beran, 10. Stal. (eutor=p1ef, —
u, eine:
starker Drang wohnt in diesem Nordwest= fü
Sp. Königsberg, 13. Mai. ag. Die „Ostpreußischenisten haben im Reichstag und im preußischen
bis ans
Basels Geld greift weit über Wiese und Rhei
Zeitung“ meldet aus Moskau: Der Vertreter Po¬
insel, die
[lens bei der Räteregierung überreichte Karg= Landtag einen Antrag eingebracht zur Verhinde=erfreulicher Wechselwirkung sitzen des Schwal
chan eine scharse Note, in der gegen den Ueber=dung der Auslie jerung der von den deutschen wagemutige Söhne am Rheinknie jenseits der
M0
zessionen fall auf die polnischen Grenzposten durch russische Trup= Behörden festgenommenen italienischen Revolu=Neymt die Schlagbäume fort, die sich der ##
Klauseln! pen protestiert wird. Polen verlangt umgehende Zu=ltionären Ghezzi und Vacch: Die Kommuni= und dem Verkehr zwischen diesen Gebieten ben
n immer soder zwei und ist deshalb in der Historie so gut be=[Arzt. Aber schon in seinen ersten Arbeiten, in den nach= dringt nichts von Brutalität und Kampf. Man
denklich tändelnden „Anatol“=Szenen, hatte er seine Me=sich, man leidet an sich und den Anderen, ma
n Früh= schlagen. Zwischen Reformation, Bauernkrieg und
aber nicht von sich los und verschwendet sich ni
lodie gefunden, er ## sie nachher vartiert und instru¬
Martin Luther schmettert der Kanari aus seinem
Noch in seiner Heiterkeit ist Ironie und Wehmi
noch so
mentiert, hat in vie n Bänden die heutige Literamr
jedem Genusse lauert der Gedanke an das Ende
Häuslein und gibt nicht Ruh, bis er mitten in den
bereichert, in der er nicht zu den ragendsten, aber
ind läßt
Tod. Für Verschlungenheit und inneren Wi
Reichstag von Worms hinein seinen Schnitz gelbe liebenswürdigsten Gestalten gehört, doch schon in seiner
in Gefühlen entdeckt er die amüsantesten Zu
Rübe bekommt. — Und wenn der Freiwanger glü=Knospe war Blume und Frucht. Sein sicheres Takt¬
hänge; man denke bloß an seine „Reigen“=Dia
hender Sympathien voll mit Danton im Konvent zu gefühl, sein untrüglicher Geschmack bewahrte ihn davor,
ganz unabhängig von der bedenklichen Spekula#
asenein=Paris für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eine seine Kräfte zu überspannen, sich jemals zu verirren und
öffentlichen Aufführung, bei all ihrer ansch
zu verlieren. Es wäre ungerecht, wollte man in ihm
ien eine Rede hält, dann mag es wohl sein, daß die Frei¬
Leichtigkeit doch geradezu tief sind. Er gibt se
wangerin über Jakobiner, Hebertisten und Danto=nur den Poeten der Wiener „Gesellschaft“ vor ihrem
Vorüber¬
in kleinen Stücken und Novellen; zum großen
Untergang sehen, auch abseits dieses Kreises hat er viel
er nicht den vollen Atem, zum großen Tragiker
g eines
nisten hinweg ihren Michel zum Kaffee ruft und
Schönes gespendet, das lebendig bleiben wird. Man
denke an seine Meistergroteske vom „Grünen Kakadu“, seutschlossene Leidenschaft. Er ist nicht stark
nit Aug schon ein bißchen ungut sagt: Komm gschwind,
in welcher ins Unheimlich=Spielerische gewendet die unbedingt genug für einen solchen Wurf. A
illen die Michel, sunst wird er kalt! Und er, der Freiwanger,
der Mitlebenden erreicht ihn an Anmut und V##
ganze Weltuntergangsstimmung des Bastillensturmes ist.
itzt eine dem Männerstolz vor Königsthronen fremd ist, der
keit des Einfalls, keiner ist so gepflegt, so sich
Wie man es vor vier Jahren mit Moissi in Basel sah,
ein und
mit Mirabeau dem verrotteten französischen Adel die
selbst und so unerschütterlich abwehrend gegen
schlug unter dem Eindruck des Kriegendes und des roten
Gröberen ordentlich heruntertut, verläßt auf eine
s Gro߬
sionen an das Wirksame und an den schles¬
Rußland der Atem des Meisterwerkes uns so heiß ent¬
Viertelstunde die Weltgeschichte und trinkt seine
schmack. Inmitten offizieller Bewunderung ist#
gegen, daß man fast erschrak. Oder die zeitlos schöne
sehr geneigt, mit den Sechzigjährigen in der ###
Schale Feigenmokka.
Novelle vom „Blinden Geronimo und seinem Bruder“,
strenge zu sein; hart und undankbar stellt
russisch seelenhaft, nur straffer, tritt vor die Erinnerung.
mehr.. Dann wendet er sich wieder seinem Schmöker zu,
heranwachsende Geschlecht gegen sie, die ihnen
nntags= verfolgt, beschaulich an seiner Gamskopfpfeife schmau= Oder sein zugleich objektiver und doch guter, hassender
den verstellen, verkennt sie, verhöhnt sie,
„Professor Bernhardt“ oder sein „Tapferer Kassian“, um
n grün=schend, die Schicksale der Länder, Völker, Fürsten und
schlimmer, vergißt sie. In diesem Kampfe der
aus seinem gefüllten Schrein nur einige Juwelen durch
tion sind einige von den jüngst Unsterblichen a
n einer Generale und Diplomaten, zieht mit Bonaparte durch
die Hand gleiten zu lassen. Aber in seinem Wesentlichen
zwei Erdteile und verfolgt mit schwerem braunem
lich ins Hintertreffen geraten: Ibsen und Boc
bleibt er doch zumeist der Dichter des franzeskojosefini¬
m früh¬
bloß einige der am stärksten Betroffenen zu neu
ispielen. Finger die Zeilen. Wenn er genug hat am großen
schen Wiens, seiner arrivierten Sozietät, die von keinen
Wagner und Hodler zeigen sich die ersten Anzel
Lebenssorgen geplagt ist, sich in Spiel mit dem Dasein
ed vom Geschehen, schließt er ein Weilchen die Augen, läßt
solchen Entwicklung. Es wäre ein Wunder,
und Erotik zurückgezogen hat, ist er der Dichter der
die Frühlingssonne wohlig auf die alte Haut brennen
Expressionisten, die Stammler und die Maßlo
Schmelz
Tragikomödien des Wiener Cottage, wo die Landhäuser
und weiß über aller Wissenschaft, daß über dem Auf
Schnitzler fanfter wären. Er kann diesen Anstu
Wasser
der Reichen hingelagert sind am Rande der großen
und Ab der Jahrhunderte, der Völker und Zeiten
überdauern, wenn er auch sein poetisches Hand
torgelt
Stadt, weich geschmiegt in die Wiener Landschaft.
immer wieder ein Frühling wärmend strahlt, ein
modern gut meistert und seine literarische Abs#
in seine
Das Spiel des Schicksals ist ein Grundmotiv des
Schwalbenflug ins Blaue geht und die Knospen am
von dem älteren Oesterreich und von der g
ten her¬
Schnitzlerschen Schaffens; das andere ist die Beziehung
Kastanienbaum schwellen, und solange die Erde steht,
wohlerzogenen Pariser Gesellschaft= und Proble
das Hei¬
zwischen Tod und Liebe. Auf diesen beiden Säulen
tik nicht verleugnet.
nicht aufhören wird Säen und Ernten. Werden und
ruht sein dichterisches Lebenswerk. Manchmal wie in
Julius Kreis.
Wien, die Stadt der Tradltion und der
Vergehen.
seiner Meisterzählung vom „Schickfal des Freiherrn von
—. Die
misse bis 1918, konnte niemals leidenschaftlich,
Leisenbogh“ verknüpfen sich beide. Warheit und Lüge
Arthur Schnitzler.
en Tag
dig kraftgenialische Genies erzeugen. Aengstlich
verschlingen, wir spielen alle. „Wer es weiß, ist klug.“
sich vom Wirklichen ab, daß entfesselt Stadt i
igssenti¬
VZu seinem sechzigsten Geburtstag. 15. Mai.)
Diese Wahrheit verkündet schon sein „Paracelfus.“ Leise
von ihrer Geltung herunterstürzen mußte. D#
Resignation, beste seelische Haltung ist das Merkmal
Es gilt, heute des repräsentativen Dichters der letzten
pflegte es seine Anmut, verfeinerte es sich, hie
seiner Gestalten. Anatol altert, und er wird der Herr
wienerischen Generation zu gedenken, und wenn jemals,
gute Formen, verstand es die Kunst der Andeut
v. Sala in dem „Einsamen Weg“, diesem zarten herbst¬
immels=so ist hier Melancholie subjektiv wie objektiv berechtigt.
Schnitzlers Stellung war und ist es, dieses B
lichen Schauspiel, das viel zu wenig bekannt ist. Zufall
sitzt der Subjektiv: denn der dies schreibt, ist dem Dichter und
Wiener Bourgeoisie in die ganze Problematik
oder Schicksal führt zum Fehltritt einer Ehefrau, und
seinem Aufstieg stets nahe gewesen und dazwischen liegt
mehr abgeschlossenen Epoche hinübergeführt
it seine
nachher sehen wir den Sohn zwischen den zwei Vätern,
ein Menschenalter. Objektiv: denn Schnitzler ist der
Das Jüdische, das man öfters gegen ihn beton
dem wirklichen, der ihn verloren hat, dem falschen, der
ergilbte
Dichter einer verschwindenden Welt und Kultur, die
bei nicht das Dominierende; der Wiener Jul
ihn sich erobert hat durch ein Leben voll Güte. Niemals
Trödel=feiner, anmutiger und weicher als jene, die nun über
allem Wiener und vom deutschen, vom ungari
ist falsches, lärmendes Pathos in Schnitzlerischen Men¬
zier ist
uns verbängt ist. Er ist nicht als Junger in den Ruhm
gestiegen. kam zur Dichtung aus ganz anderen Lebens=Ischen; in ihre behütete, kränkelnde Welt, die etwas von vom russischen Juden grundverschieden. Das
Darin
tündlein kreisen, Sohn und Bruder von großen Aerzten und selbst der linden unnatürlichen Wärme der Treibhäufer hat, tum hatte stets diese sonderbare Kraft der Au