VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 163

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60th Birthdar
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1.) Bernn, 10. Staneutererte —
starker Drang wohnt in diesem Nordwest= südostgang:
sberg, 13. Mai. ag. Die „Ostpreußischeinisten haben im Reichstag und im preußischen Gasels Geld greift weit über Wiese und Rhein und in
det aus Moskau: Der Vertreter Po¬
Näteregierung überreichte Karo= Landtag einen Antrag eingebracht zur Verhinde= erfreulicher Wechselwirkung sitzen des Schwabenlands
sharse Note, in der gegen den Ueber=rung der Auslie ferung der von den deutschen wagemutige Söhne am Rheinknie jenseits der „Grenze“.
olnischen Grenzposten durch russische Trup= Behörden festgenommenen italienischen Revolu=Nehmt die Schlagbäume fort, die sich der Wirtschaft
Et wird. Polen verlangt umgehende Zu=Itionären Ghezzi und Vacchi. Die Kommuni= und dem Verkehr zwischen diesen Gebieten hemmend in
din derhand in der histere sa gun der mist Aer schen in henen eien Andelen n ene e e e e eene
sich, man leidet an sich und den Anderen, man kommt
denklich tändelnden „Tnatol“=Szenen, hatte er seine Me¬
wischen Reformation, Bauernkrieg und
aber nicht von sich los und verschwendet sich nicht selbst.
lodie gefunden, er hat sie nachher variiert und instru¬
her schmettert der Kanari aus seinem
Noch in seiner Heiterkeit ist Ironie und Wehmut, hinter
mentiert, hat in vielen Bänden die heutige Literamr
d gibt nicht Ruh, bis er mitten in den
jedem Genusse lauert der Gedanke an das Ende und den
bereichert, in der er nicht zu den ragendsten, aber
nWorms hinein seinen Schnitz gelbe
Tod. Für Verschlungenheit und inneren Widerspruch
liebenswürdigsten Gestalten gehört, doch schon in seiner
in Gefühlen entdeckt er die amüsantesten Zusammen¬
nt.
— Und wenn der Freiwanger glü=Knospe war Blume und Frucht. Sein sicheres Takt¬
hänge: man denke bloß an seine „Reigen“=Dialoge, die,
athien voll mit Danton im Konvent zu gefühl, sein untrüglicher Geschmack bewahrte ihn davor,
ganz unabhängig von der bedenklichen Spekulation ihrer
eiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eine seine Kräfte zu überspannen, sich jemals zu verirren und
öffentlichen Aufführung, bei all ihrer anscheinenden
zu verlieren. Es wäre ungerecht, wollte man in ihm
ann mag es wohl sein, daß die Frei¬
Leichtigkeit doch geradezu tief sind. Er gibt sein Bestes
nur den Poeten der Wiener „Gesellschaft“ vor ihrem
er Jakobiner, Hebertisten und Danto¬
in kleinen Stücken und Novellen; zum großen Epiker hat
Untergang sehen, auch abseits dieses Kreises hat er viel
gihren Michel zum Kaffee ruft und
er nicht den vollen Atem, zum großen Tragiker nicht die
Schönes gespendet, das lebendig bleiben wird. Man
bißchen ungut sagt: Komm gschwind,
eutschlossene Leidenschaft. Er ist nicht stark und nicht
denke an seine Meistergroteske vom „Grünen Kakadu“,
wird er kalt! Und er, der Freiwanger,
unbedingt genug für einen solchen Wurf. Aber keiner
in welcher ins Unheimlich=Spielerische gewendet die
der Mitlebenden erreicht ihn an Anmut und Vieldeutig¬
gan Weltuntergangsstimmung des Bastillensturmes ist.
stolz vor Königsthronen fremd ist, der
keit des Einfalls, keiner ist so gepflegt, so sicher seiner
Wi man es vor vier Jahren mit Moissi in Basel sah,
u dem verrotteten französischen Adel die
selbst und so unerschütterlich abwehrend gegen Konzes¬
schlug unter dem Eindruck des Kriegendes und des roten
dentlich heruntertut, verläßt auf eine
sionen an das Wirksame und an den schlechten Ge¬
Rußland der Atem des Meisterwerkes uns so heiß ent¬
die Weltgeschichte und trinkt seine
schmack. Inmitten offizieller Bewunderung ist man meist
begen, daß man fast erschrak. Oder die zeitlos schöne
nmokka.
sehr geneigt, mit den Sechzigjährigen in der Kunst sehr
Novelle vom „Blinden Geronimo und seinem Bruder“,
strenge zu sein; hart und undankbar stellt sich das
ndet er sich wieder seinem Schmöker zu, russisch seelenhaft, nur straffer, tritt vor die Erinnerung.
heranwachsende Geschlecht gegen sie, die ihnen den Bo¬
haulich an seiner Gamskopfpfeife schmau= Oder sein zugleich objektiver und doch guter, hassender
den verstellen, verkennt sie, verhöhnt sie, oder, noch
„Professor Bernhardi“ oder sein „Tapferer Kassian“, um
hicksale der Länder, Völker, Fürsten und
schlimmer, vergißt sie. In diesem Kampfe der Genera¬
aus seinem gefüllten Schrein nur einige Juwelen durch
Diplomaten, zieht mit Bonaparte durch
tion sind einige von den jüngst Unsterblichen augenblick¬
die Hand gleiten zu lassen. Aber in seinem Wesentlichen
eund verfolgt mit schwerem braunem
lich ins Hintertreffen geraten: Ibsen und Boecklin, um
bleibt er doch zumeist der Dichter des franzeskojosefini¬
Beilen. Wenn er genug hat am großen
bloß einige der am stärksten Betroffenen zu nennen; bei
schen Wiens, seiner arrivierten Sozietät, die von keinen
hließt er ein Weilchen die Augen, läßt
Wagner und Hodler zeigen sich die ersten Anzeichen einer
Lebenssorgen geplagt ist, sich in Spiel mit dem Dasein
sonne wohlig auf die alte Haut brennen
solchen Entwicklung. Es wäre ein Wunder, wenn die
und Erotik zurückgezogen hat, ist er der Dichter der
Expressionisten, die Stammler und die Maßlosen gegen
Tragikomödien des Wiener Cottage, wo die Landhäuser
er aller Wissenschaft, doß über dem Auf
Schnitzler sanfter wären. Er kann diesen Ansturm ruhig
der Reichen hingelagert sind am Rande der großen
Jahrhunderte, der Völker und Zeiten
überdauern, wenn er auch sein poetisches Handwerk un¬
Stadt, weich geschmiegt in die Wiener Landschaft.
er ein Frühling wärmend strahlt, ein
modern gut meistert und seine literarische Abstammung
Das Spiel des Schicksalsi ein Grundmotiv des
g ins Blaue geht und die Knospen am
von dem älteren Oesterreich und von der gepflegten,
Schnitzlerschen Schaffens; das undere ist die Beziehung
m schwellen, und solange die Erde steht,
wohlerzogenen Pariser Gesellschaft= und Problemdrama¬
zwischen Tod und Liebe. Auf diesen beiden Säulen
n wird Säen und Ernten. Werden und
tik nicht verleugnet.
ruht sein dichterisches Lebenswerk. Manchmal wie in
Julius Kreis.
Wien, die Stadt der Tradition und der Kompro¬
seiner Meisterzählung vom „Schickfal des Freiherrn von
misse bis 1918, konnte niemals leidenschaftlich, ungeber¬
Leisenbogh“ verknüpfen sich beide. Warheit und Lüge
Arthur Schnitzler.
dig kraftgenialische Genies erzeugen. Aengstlich hielt es
verschlingen, wir spielen alle. „Wer es weiß, ist klug.“
em sechzigsten Geburtstag. 15. Mai.)
sich vom Wirklichen ab, daß entfesselt Stadt und Reich
Diese Wahrheit verkündet schon sein „Paracelsus.“ Leise
von ihrer Geltung herunterstürzen mußte. Desto mehr
Resignation, beste seelische Haltung ist das Merkmal
ute des repräsentativen Dichters der letzten
pflegte es seine Anmut, verfeinerte es sich, hielt es auf
seiner Gestalten. Anatol altert, und er wird der Herr
eneration zu gedenken, und wenn jemals,
gute Formen, verstand es die Kunst der Andeutung, und
v. Sala in dem „Einsamen Weg“, diesem zarten herbst¬
elancholie subjektiv wie objektiv berechtigt.
Schnitzlers Stellung war und ist es, dieses Wesen der
lichen Schauspiel, das viel zu wenig bekannt ist. Zufall
kenn der dies schreibt, ist dem Dichter und
Wiener Bourger sie in die ganze Problematik der nun¬
oder Schicksal führt zum Fehltritt einer Ehefrau, und
eg stets nahe gewesen und dazwischen liegt
mehr abgeschlossenen Epoche hinübergeführt zu haben.
nachher sehen wir den Sohn zwischen den zwei Vätern,
halter. Objektiv: denn Schnitzler ist der
Das Jüdische, das man östers gegen ihn betonte, ist da¬
dem wirklichen, der ihn verloren hat, dem falschen, der
verschwindenden Welt und Kultur, die
bei nicht das Dominierende; der Wiener Jude ist vor
ihn sich erobert hat durch ein Leben voll Güte. Niemals
iger und weicher als jene, die nun über
allem Wiener und vom deutschen, vom ungarischen und
ist falsches, lärmendes Pathos in Schnitzlerischen Men¬
ist. Er ist nicht als Junger in den Ruhm
zur Dichtung aus ganz anderen Lebens=Ischen; in ihre behütete, kränkelnde Welt, die etwas von vom russischen Juden grundverschieden. Das Wiener¬
und Bruder von großen Aerzten und selbst der linden unnatürlichen Wärme der Treibhäufer hat, tum hatte stets diese sonderbare Kraft der Aufsaugung