VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 173

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mungskraft und psychologisch reizvoll gibt er sich in kürzeren
Novellen, wie die bekannte vom „Leutnant Gustel“ oder „Frau
Beate und ihr Sohn". Hier zeigt er sich in der Schilderung sub¬
tiler seelischer Beziehungen als Meister der Beobachtung und der
Form, als den wir ihn heute dankbaren Herzens grüßen.
O. Sch.
#.
Theater und Musik.
O. Sch. Hamburger Kammerspiele. Eine Woche hindurch hat
am Besenbinderhof das Jüdische Künstlertheater ge¬
spielt. Am Sonnabend sah ich dort von dieser Truppe, die in Wilna
beheimatet ist, „Grüne Felder“ spielen, in einem Jiddisch,
von dem ich kaum ein Wort verstand. Aber das Nichtverstehen des
Idioms war völlig Nebensache, angesichts der menschlich außer¬
ordentlich lebendigen und vieltönig gestuften Ausdruckssprache in
Mimik und Gestus, daß allein die ästhetische Betrachtung dieser
Schauspielkunst zum Genuß wurde. Wie hier eine Reihe von Juden
ein galizisches Dorfidyll, von ländlicher Einfalt und herzlicher
Schlichtheit durchsonnt, — der Autor ist Perez Hirschbein —,
in bühnengemäße Wirklichkeit umsetzen, ist von so überzeugender
Echtheit, daß die darstellerischen Eindrücke, von meisterlicher Regie
geformt und musikalisch gegeneinander abgetönt, lange nachwirken.
Man spürt hier eine fanatische Hingabe an die künstlerische Auf¬
gabe, eine fast religiöse überzeugungstreue, ein Sichverschmelzen
mit Umwelt und Mitmenschen, daß eine künstlerische Einheit des
Zusammenspiels herauskommt, wie sie in dem hastigen und ober¬
flächlichen Betrieb unserer Sprechbühnen heutigen Tages nur noch
in den allerseltensten Fällen anzutreffen ist. Man notiert den
Hochstand dieser schauspielerischen Kunst mit höchster Achtung.
* Max=Reger=Gesellschaft. Im Anschluß an das erste Fest
in Breslau hielt die Max=Reger=Gesellschaft am 1. Mai unter
Leitung ihres ersten Vorsitzenden Generalmusikdirektors Fritz
Busch und dem Ehrenvorsitz von Frau Max Reger im Musik¬
saal der Universität Breslau ihre erste ordentliche Mitglieder¬
versammlung ab. Der Vorsitzende gedachte der verstorbenen Mit¬
glieder und stellte fest, daß der Mitgliederstand sich im Lauf des
letzten Jahres beinahe verdretfacht und bald 600 erreicht habe.
Die Versammlung erteilte nachträglich die Genehmigung zu der
Verlegung der Geschäftsstelle nach Stuttgart, Silberburgstraße 189,
und beschloß ferner, für die Veranstaltung des nächsten Reger¬
Festes im Frühjahr 1923 Wien in Aussicht zu nehmen und
weitere Reger=Feiern anläßlich des 50. Geburtstages Regers in
Reichsdeutschland zu erwägen.
* Die Deutsche Opernwoche des Mannheimer Nationaltheaters
sieht vom 16. bis 31. Mai folgende Opern vor: „Jidelio“
ihr
(Leonore: Beatrice Lauer=Kottlar aus Frau#su# a. M.), „Doktor
Eisenbart" von Hermann Zilcher (Urauuführung),
„Die Meistersinger von Nürnberg", „Rosen¬
kavalier", „Die Vögel“ von Walter Braunfels (unter
persönlicher Leitung des Komponisten) und „Tristan und
Kfolbe“.
+h Georg Kaisers „Von Morgens bis Mitternachts“ ist von
einem der größten amerikanischen Theater=Konzerne,
zur Aufführung in Amerika,
nämlich „The Theatre Guild",
Kanada. Australien und den englischen Kolonien erworben worden.