VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 175

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Lessing abbricht. Bewundernswert ist des Meisters Formensinn, sein
schüldung am Leben, die Todesängst als Folge des „Nichtgeliebt¬
Takt, sein Gefühl für Gleichgewichtsverteilung, für Steigerungen
haben“.
und Pausen. Diese gelungenen Maße allein schön bereiten dem Leser
So ist er der dichterisch große, vollkommene Ausdruck des un¬
der Novellen die seltene ästhetische Befriedigung: dies ist richtig. —
eingestandenen Schuldgefühls der bürgerlichen Epoche. Sein mensch¬
urtstag.
Aber in diesen menschlichen Tugenden der Form bewährt sich nur
lich hohes. künstlerisch ungemein präzises, anmutiges und bedeutendes
der Meister und sein reiner Wille. Tiefer bewährt sich der Dichter.
dschau“ (Verlag
Werk lebt und wird leben. — Aber da er hinter der Maske der
itler=Heft er¬
Was ist das zentrale Gefühl dieses Dichters, was die Quelle
Skepsis und Ironie tief gelitten hat. so gehört er zu den Geretteten,
n zeitgenöffischen
zu den Menschen, die weiterschreiten!!
seines Schaffensdrangs, sein Urkonflikt, seine trägische Problematik,
tag des Dichters
sein Wesensnerv, sein Abgrund, aus dem Erkenntnis und Bekenntnis
Wer je in die blauschönen, leidenschäftlich klaren Augen dieses
ute aus den Bei¬
aufsteigt? — Soweit aus den Geheimnissen eines künstlerischen
nunmehr Sechzigjährigen, in diese jungen Feuer geblickt hat, der
Bahr, Blei, Ger¬
Werkes die Lösung dieser Frage versucht werden darf, möcht ich dies
weiß, daß noch in manchem Werk der Dichter uns die Auflösung und
Heinrich und
antworten: Wesensnerv ist die uneingestandene, bange, leidenschaft¬
Lösung seiner Musik schenken wird, und daß der einsame Weg noch
n Zweig nennen
lange nicht sein strahlendes Ziel gefunden hat.
liche Sehnsucht, zu lieben und geliebt zu werden. In der Welt
nnsthal
Schnitzlers herrscht eine fatale Einsamkeit, eine prädestinierte Be¬
ed.
Franz Wertél.
*
ziehungslosigkeit der Seelen. Aber auch Eros herrscht, die zu ein¬
aum, üb
einen
ander gewandten Seelen reißen an der Kette; vergeblich, sie sind allzu
Schnitzlers Theaterstücke sind vollkommene Theaterstücke, gebäut,
Wahrheitsfinn be¬
bedingt, unbewußt bejahen sie ihre Einsamkeit. — So auch muß man
um zu fesseln, zu beschäftigen, zu unterhalten, in geistreicher Weise
ismus erregt ein
die Rolle des Todes in diesen Dichtungen verstehen. Nicht der
zu überraschen; sie tun dem Augenblick genug und vermögen noch
nisse, es wechselt
heroische, nicht der religiöse Tod wird geschaut, nicht der notwendige
nachträglich das Gemüt und die Gedanken zu beschäftigen; ihre
sälter Farbe und
Tod, in den sich der Mensch nach den Worten des alten Testaments
Handlung und ihr Dialog beschwingen einander wechselweise, die
ächsten Meischen,
„gesättigt an Leben“ ergibt, nicht der Tod, der nur eine durchbrochene
Charaktere sind vorzüglich erfunden, leben ihr eigenes Leben und
# dem geheimnis¬
Larve bedeutet!! — Von den Schnitzlerschen Menschen wird der Tod,
dienen doch nur dem Ganzen. Wenn man diese Stücke auf der
so viele die kecke
das Vergehen, das Aufhören gefürchtet, weil Lieben und Geliebt¬
Bühne sieht, hat man das Gefühl: derjenige, der sie gemacht hat,
nfriedet von den
werden ihnen niemals erschöpfend gelingt, weil der unendliche Vor¬
ist auf den Brettern zu Hause und hat keinen anderen Ehrgeiz, als
mner wieder neue
halt nicht aufgelöst ist, die Melodie ihre Kadenz nicht fand, auf Kind¬
durch das Theater zu wirken.
s ist, Gedicht!
stufe der Eros stehen geblieben, der Stand der Sehnsucht nicht über¬
Schnitzlers Erzählungen sind lebendig, spannend; sie haben immer
n Deutschen ein
schritten ward.
tigen Schriftium
das nötige Detail, abet nie zuviel davön, sie haben Psychologie, aber
Schnitzler sieht nicht — wie ihm seit manchem Jahrzehnt die
diesem Wort ver¬
die Psychvlogie dient nur dazu, den Gung des Ganzeit in einem
Kritik nachsagt — den Tod als Arzt; er sieht ihn als Ethiker. In
weigten, Roman¬
reizenden Rhythmus bald zu verlangsamen, bald zu beschleunigen,
dem vielleicht unbewußten System seiner Weltanschauung bedentet
sie
n, geschmeidigen
stecken voll Beobachtung, aber auch die Beobachtung ist dem
Tod die Strafe für Einsamkeit.
allem zeigen die
eigentlichen Reiz der Erzählung untergeordnet. Man hat das Ge¬
1 Menschen, des
Des Dichters Frauengestalten sind im Gegensatz zu seinen Männer¬
fühl, daß sie von einem Mann herrühren, dessen primäres Talent
lung, die rapide
figuren das heroische Element des Werks. Die Frau, als die dem
das Talent des Erzählers kurzer oder eigentlich mittellanger Er¬
und Verweilen
Leben Nähere, durchbricht zuweilen die Mauer der Vereinsamung,
zählungen ist. In beiden Formen: Drania und Erzählung ist er
Leutnant Guste“,
sie erliegt dem Ruf des Lebens, sie verliert ihr Ich an die Liebe.
durchaus ein Künstler, und war es vom ersten Tage an. Es ist
nen „Der grüne
Ich denke hier vor allem an Schnitzlers herrliche Novelle: „Die
ein erstäunlicher Gedanke, daß die kleinen Szenen aus dem Leben
se Mizzi“. — In
Hirtenflöte.“ Das Weib ist das endämonische Prinzip, und es klingt
einer erfundenen Figur „Anatol“, die heute aller Welt in Euröpa
, die erschüttert,
unter dem Spiegel all dieser Schriften, trotz Zweifels und analyti¬
und über Europa hinaus geläufig ist, und eine kurze, in ihrer Art
ät verbirgt. Es
scher Schärfe, ein verborgener Hymnus an die einsamkeitsvernich¬
vollkommen reife und meisterhafte Erzählung „Reichtum“ das erste
tende Kraft des Weibes mit.
es, der mit be¬
waren, womit er vor so vielen Jahren hervortrat.
trag die Leiden¬
Schnitzler arbeitet mit den antipathetischen, ametaphysischen, un¬
Ihm sind alle Instrumente zu Dienst, die das Handwerk einem
mit Lessing zu
parteiischen Mitteln seiner Generation, dennoch empfinde ich ihn vor
erfahrenen und sehr nachdenklichen Künstler in die Hand gibt, um
sung des Spiels
allem als Ethiker. — Für einen tieferen Blick zeigt er immer wieder
selbst den scheinbar unergiebigen Stoff ganz zu bezwingen und
der auf, die mit
ein und dieselbe Leidenssituation: „Den einsamen Weg“, die Ver=! der Materie ihren inneren Reichtum zu entlock Kein#######—
braucht er mit größerer und reizvollerer Virtuosität als die Ironiel
Je kühner er diese anwendet, je mehr er seinen Stoff und seine
Motive mit ihr in die Enge treibt, desto weiter erscheint paradoxer=

weise sein geistiger Horizont. So würde ich sagen, daß neben der
„Liebelei“, die eine Arbeit von ganz einziget Art ist, einige seiner
kleinen Kunstwerke — Erzählungen oder Dramen — durch den
Zauber der Ironie als die größten erscheinen. Ihnen allen wohnt
nicht nur die Andeutung inne, daß der Schöpfer dieser kleinen
Welten mehr von der Welt weiß, als er zu sagen vorhat — dies is
ein gewöhnlicher Reflex aller Ironie —, sondern auch dieses Be¬
sondere: man ahnt, er hätte noch mehr und vielleicht noch Stärkeres
zu geben, als ihm bisher zu geben gefallen hat oder gestattet war.
Unter diesen Umständen kann man nicht vom Alter eines solchen
Menschen sprechen, denn es ist durchaus möglich, daß ein solcher
von einem Teil seiner Kräfte noch niemals sichtbaren Gebrauch ge¬
macht und auch einen Teil seiner Jugend irgendwo zurückbehalten
Hugo v. Hofmannsthal.
oder verborgen hat.
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