VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 178

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GLOSSEN
her. Sie lehrten den jungen Men¬
VON DER KLEINEN LIEBE
schen, daß es nicht nur die große
Es war Sinn darin, daß Arthur
pathetische Liebe gibt, Tristan la,
Schnitzler, seinen sechzigsten
sondern auch die kleine, mensch¬
Geburtstag in Berlin feierte, nicht
lichere, die liebenswürdige Liebe,
zuhause, im Wiener Cottage. Sein
von der Liebelei bis zur heiteren
literarischer Geburtsort ist Berlin,
Liebe. Dem deutschen Studenten¬
wie ja alle stärkeren Österreicher
tum eignet oft eine beschämende
nicht hätten leben können ohne die
Verachtung der kleinen, nichts als
Kräftigung und den Rückhalt, den
leiblichen Liebe. Er ist oft ein
sie in Deutschland fanden. Glauben
undankbarer Schnellieber, der nur
Sie nun, verehrter Arthur Schnitzler,
an sich, nicht an sein Opfer denkt.
daß wir Ihnen jetzt vorrechnen wol¬
Sie, Arthur Schnitzler, gaben dem
len, was Sie Preußen schulden? Un¬
sogenannten kleinen Erlebnis seine
sinn, lassen Sie mich über die Ein¬
Schönheit zurück, seine Herzlichkeit
leitung hinauskommen und mich sa¬
und seine Grazie. Vielen Nähmäd¬
gen, was Neudeutschland Ihnen
chen, Erzieherinnen, Tippmamsells
schuldet!
haben Sie eine menschenwürdigere
Der junge Mensch, der Student
Art, geliebt zu werden, verschafft
und der höhere Handlungsgehilfe in
und diese reizende Hilfsaktion wird
Deutschland, ist entweder Tristan
Ihnen vor Gottes Thron noch höher
oder er besitzt Kellnerinnen und geht
angerechnet werden als Ihre gesam¬
ins Puff. Die Liebe ist entweder
melten Werke. Sie haben dem „Ver¬
eine enorm pathetische Angelegen¬
hältnis“ seine Humanität gegeben!
heit oder sie ist eine ziemlich wüste,
Ich begreife, daß man lhnen in
nichts als physische Sache. Tristan
Wien nicht so begeistert denkt wie
und der Studentenpuff gehören zu¬
in Berlin. Der Wiener leidet an dem
sammen. Wenn der Ekel vor dem
„Laster der Analyse“, in Wien wird
gemeinschaftlichen Kellnerinnenbe¬
viel zu viel psychologisiert und das
sitz im deutschen Studenten über¬
bohrt die starken Triebkräfte an.
mächtig wurde, dann wurde er
tristanreif. Dann kam die „heilige
Bücherstube am Mluseum
Leidenschaft“, bei der sich übrigens
der trinkfeste Tristan zuweilen über¬
Hermann Kempf Dr. Walter Haeder
nahm, die Sache wurde oft gar zu

edel und dann führte ein Weg in
den Studentenpuff zurück. Nie war
die Studentenzeit dem jungen Deut¬
Bücher
Moderne
schen, was sie gewöhnlich dem jun¬
In
und
gen Franzosen ist, eine heitere
schönen
klassische
Hochschule der Liebe. Der deutsche
Uiersier Eindinden
Student studierte oder focht oder
soff, ars amandi war seine Sache
nie.
Wiesbaden Wilhelmstraße 6
Da, Arthur Schnitzler, wurden Sie
Vielen der liebenswürdigste Erzie¬
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