VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 181

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6oth Birthdag box 39/3
#arken Barock=Kontraste, die hier zu einer
Valeurs; eine silbergraue, von schweren Farben
Schnitler.
schmerzlich stillen Harmonie verschmelzen. Aber
matt durchleuchtete Herbststimmung ist über das
nicht nur dies eine Motiv, sondern seine ganze
Ganze gebreitet, und die Tragik des Alters, die
entein ir lerhertene
Lebenshaltung ist typisch österreichisch. Es ist
hier angeschlagen wird und bei Schnitzler immer
Von
WLN
jenes Gehenlassen, das im Pestlied des „leben
wiederkehrt, ist
die eigentliche Tragik des
Augustin“ erklingt: „'s ist mir alles eins,“ es
impressionistischen Menschen, der stets die
„Dr. Paul Landau.
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ist das Genießen des Augenblicks, das nicht nach
Stunde genossen hat und sich nun einsam sieht
Arthus Schntzler wurde 60. Der Dichter der
dem Morgen fragt, wie es schon Abraham
mit den Schemen seiner Erinnerung. Die Wir¬
müden, übefreifen Jugend, der so früh die
a Santa Clara an seinen Wienern tadelte. Schnitz¬
rungen und Wandlungen der Seele, die „ein
Tragik, des Alterns, den „einsamen Weg“ ins
ler ist ein geradezu fanatischer Verfechter des
weites Land“ ist, beschäftigen Schnitzler haupt¬
Leeregans Nichts geschildert, hat all die Emp¬
Glaubens, daß der Mensch nichts tun kann gegen
sächlich der als Arzt ein schakfer Beobachter ist
findungen und Erleonisse des absinkenden
sein Schicksal, daß er unfrei ist, eine Puppe in
und sich mit Psychologie nicht nur als Künstler
Lebens vorweg genommen, so daß er uns heut
der Hand eines unsichtbaren Drahtziehers. Es
sondern auch als Gelehrter beschäftigt hat. In
ist dies lustig=traurige Puppenspiel des Lebens,
einem eigenen Buch ist von Theodor Reik auf
Sate ichter dercte Aelstlel l
das die Wiener Volksstücke mit unbewußter
die Beziehung unseres Dichters zu der Psycho¬
Werke hatten etwas Zeitloses, Unpersönliches.
Ironie darstellten, das bei ihm aber mit einem
analyse Freuds hingewiesen worden, der sein
Der unbestrittene Führer der „Wiener Schule",
skeptischen Künstlertum geschildert wird. Das
engster Wiener Landsmann ist und mit dem er
dieser Klassiker des Impressionismus steht heute,
Schicksal spielt mit uns, wir spielen unser
sich auch in seinen wissenschaftlichen Arbeiten
in den Tagen des „sterbenden Wien“, des sieg¬
Leben: „Es fließen ineinander Traum und
über Hypnose und Suggestion berührt. Schnitz¬
haften Expressionismus, fremd in einer ihm
Wachen, Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist
ler ist in seinen Dichtungen von verhältnis¬
fremden Welt. Er spielt noch die alten Melo¬
nirgends. Wir wissen nichts von andern, nichts
mäßig einfachen Gefühlen, auf denen sich sein
dien, die melancholischen Klänge eines raschen
von uns, wir spielen alle, wer es weiß, ist klug,“
bekanntes Drama „Liebelei“ aufbaute, zu immer
Lebensgenusses, einer bitteren Seligkeit, aber
heißt es in seinem tiessinnigen „Paracelsus“.
komplizierteren feelischen Beziehungen und
sie tönen etwas leer, leise, wie fernverweht.
„Das Leben — ein Traum,“ dies Grillparzer¬
Rätseln fortgeschritten, er dringt tief in die Welt
Schnitzler ist an seinem 60. Geburtstag schon
Motiv wird von Schnitzler in vielsachen Wand¬
des Unbewußten, der verdrängten Gefühle und
historisch geworden und als den Vertreter einer
lungen und Spiegelungen aufgenommen, ebenso
gestaltet echt Freudsche Probleme wie in der
abgeschlossenen Epoche, als den Meister eines
wie die Verschmelzung von Liebe und Tod aus
Novelle „Frau Beate und ihr Sohn“. Aber so
vollendeten Stils dürfen wir ihn würdigen.
„Des Meeres und der Liebe Wellen“. Kunst
wichtig diese tief bohrende und zergliedeende
und Natur gehen ineinander über, und das
Analyse für seine Kunst ist, so derf man sein
Die Wiener Dichtung wird stets in der
Leben in der Phantasie ist oft wirklicher als das
Werk doch nicht, wie es Reik getan hat, einseitig
Literaturgeschichte des letzten Vierreljahr¬
reale Leben. Daher seine Verehrung, ja über¬
an der Freudschen Methode messen, sondern
hunderts eine bebeutende Stelle einehmen, sie
schätzung des Künstlers, sein Asthetentum, da¬
muß betrachten, was er aus diesem reichen
ja nicht nur mit den Schlagworten vom
her aber auch die Inbrunst, mit der das For¬
psychologischen Material lebendig gestaltet hat.
„Wiener Walzer“ und „süßen Mädels“ zu er¬
male gegeben ist. In der Feinheit und Grazie
schöpfen, sondern sie hat dem trüben und sach¬
Man hat Schnitzler oft vorgeworfen, daß
seines Stils folgt Schnitzler ebenfalls den besten
lichen norddeutschen Naturalismus erst Anmut
seine Welt und seine Stoffe zu eng begrenzt
heimischen Mustern, und manches aus seiner
verliehen, Weichheit, Feinheit, Musik. Und der
seien. Tatsächlich sind es
nur ganz wenige
letzten Prosa gemahnt an Stisters Erzähler¬
bezeichnende Künstler dieser „Wiener Schule“
Motive, Figuren und Situationen, die sich bei
kunst.
schlechthin ist Schnitzler, nicht etwa Hofmanns¬
ihm in feinen Variationen stets wiederholen.
thal, der viel internationaler ist und mit seinem
Aus seinem Wienertum heraus wurde der
Da ist die Stellung des Mannes zwischen zwei
fabelhaften Formtalent die verschiedenartigsten
Frauen, dem „süßen Madel“ und der verheirate¬
Dichter zu dem bezeichnendsten Vertreter des
Stile neu zu beleben weiß. In Schnitzler findet
ten Dame da ist das „dreieckige“ Verhältnis in
Impressionismus. Da er nur die Empfindung
uralte Wiener Tradition ihre letzte Verfeine¬
der Ehe, da sind die beiden Freunde, die beiden
des Augenblicks anerkennt, sich allein an den
rung, ihren vollen Ausklang. Viel mehr als
Gegner, da ist der Liebe kurze Seligkeit und
flüchtigen Abglanz des Lebens, an den
das Vorbild der Franzosen, wie Donnay und
Mummenschanz perhuschender Schatten klam¬
lange Qual, ist die Hoffnung auf das Kind und
Lavedan, oder Ibsens, sollte man diese heimischen
mert, so wußte er in das Momentane den stärk¬
das Grauen vor dem Alter, ist Duell und Tod.
Einflüsse betonen. Sein Hauptmotiv, die
sten Inhalt zu legen. Seine beiden ersten be¬
Schnitzler schlägt diese Leitmotive schon in seinen
schaurig=schöne Verschwisterung von Liebes¬
deutenderen Arbeiten,
der Einakterzyklus
ersten Dichtungen an, hat sie in „Anatol“ und
genuß und Todesnähe, ist der eigentliche Stim¬
„Anatol“ und die Novelle „Sterben“, drängen
„Liebelei“ reich und dichterisch entwickelt. In
mungsfaktor des Barock, das nicht nur in der
bereits in einzelne Augenblicke ganze Welten
„Reigen“ dieser heut so berüchtigten Szenen¬
Kunst Fischer von Erlachs, sondern auch im
des Erlebens. Das impressionistische Drama
folge, hat der erotische Pessimismus des jungen
österreichtschen Jesuitendrama seine Höhe er¬
hat kein höheres Kunstwerk aufzuweisen als
Dichters seinen stärksten Ausdruck gefunden, es
reichte und die stets wiederkehrende Situation
Schnitzlers „Einsamen Weg“, in dem man auch
ist ein melancholischer „Totentanz der Liebe“,
bei Schnitzler, der Rausch der Liebe im Angesicht wohl sein bestes. Werk sehen darf. Hier ent¬
dessen Motto das Wort Meister Eckhards sein:
des Todes ist nur ein müder Nachball jener faltet sich eine Kunst der Halbtöne, der feinen! könnte: „Die Wollust der Kreaturen ist ver¬