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6oth Birthday box 39/3
für den Dichter so charakteristische Figur wie die des
dieses Werk jetzt sein meistgespieltes ist, und es wäre
scheinbar zynischen Lebenskünstlers Hofreiter, und
sicherlich nicht die schlechteste Feier des 60. Geburts¬
wenn man sich ihn näher ansicht, erkennt man in ihm
tages Schnitzlers, an diesem Abend nirgends den
den gealterten Anatol.
„Reigen“ zu spielen.
Habe ich nun nicht doch aufgezählt, gewürdigt und
Nun müßte ich noch von den graziös tiefsinnigen
klassifiziert? Es geht wohl nicht anders bei solchem
Einaktern „Marionetten“ sprechen, vom „Professor
Anlaß, und sicherlich ist es leichter, über Schnitzler ein
Bernhardi“, von der „Komödie der Worte“, von dem
dickes Buch zu schreiben, als einen kurzen Essay. Und
Casanova-Spiel „Die Schwestern“ — nein, es ist ganz
dabei hätte ich noch so viel auf dem Herzen gehabt.
unmöglich, in einem Geburtstagsaufsatz auch nur an¬
Den Eindruck zu schildern, den Schnitzler auf jeden
deutungsweise alles das auszusprechen, was über das
macht, der ihn in seiner Cottagevilla in der Sternwarte¬
reiche und vielgestaltige Werk des Sechzigjährigen zu
straße aufsucht, wo er ein literatur- und gesellschafts¬
sagen wäre. Nur noch ein Wort über den Erzähler
abgewandtes Gelehrtendasein führt, jeder Sensations¬
Schnitzler, der, vielleicht noch mehr als der Dramatiker,
affaire, jedem Interview und jeder öffentlichen Debatte
der modernen Wiener Literatur die Grundlage gegeben
unzugänglich. Wer mit Schnitzler ins Gespräch kommt,
hat: mit seinem Novellenband „Die Frau des Weisen“,
der lernt ihn als einen innerlich vornehmen, lächelnd
mit dem erotischen Roman „Frau Berta Garlan“, mit
weisen und von jeder falschen Bescheidenheit, jeder
dem „Leutnant Gustl“, dessen Lebensechtheit die Ur¬
Selbstüberhebung, jeder Literaturpose freien, liebens¬
sache war, daß Schnitzler im alten Österreich seine
werten Menschen kennen. Auch von seinem Einflusse
Charge als Regimentsarzt aberkannt wurde. Einmal
auf die literarischen Wiener Zeitgenossen hätte ich gern
hat er zu einem größeren Roman ausgeholt, dem „Weg
noch einiges gesagt, die fast alle, bewußt und un¬
ins Freie“, um sich mit dem Problem des modernen
bewußt, in ihren Stücken und Novellen von ihm ab¬
Judentums auseinanderzusetzen, aber am dichterische¬
hängig waren. Von seiner Geltung im Auslande, in
sten ist der Erzähler Schnitzler doch dort, wo er nur
Amerika, in Holland und Skandinavien, wo man ihn als
erzählt und geheimnisvolle Dinge gestaitet, wie in dem
den einzigen österreichischen und vielleicht sogar deut¬
Bande „Dämmerseelen“, und auch das Motiv des
schen Autor nicht bloß kennt, sondern auch liest, spielt,
Alterns hat er in seiner letzten Novelle „Casanovas
und schätzt. Und trotzdem wird über ihn in den meisten
Heimfahrt“ mit reifer Epik geformt.
neueren deutschen Literaturgeschichten ein wenig von
Und der „Reigen“? Diese erotischen Dialoge, die
oben herab geurteilt. Es gibt tatsächlich mit Germa¬
in ihrer geistreichen Beobachtung, ihrer genial frechen
nistenblindheit geschlagene Literarhistoriker, die Schön¬
Aufrichtigkeit zum Kühnsten und Bedeutendsten ge¬
herr wegen seines Bauerntums über Schnitzler, den
hören, was über menschliche Liebesdinge gesagt
Dichter der Großstadterotik, stellen und an ihm Ur¬
wurde, sind bekanntlich vor zwanzig Jahren als Privat¬
sprünglichkeit und Lebensernst vermissen. Die Litera¬
druck für die Freunde des Dichters erschienen. Von
turgeschichte versteht ja die Gegenwart immer erst
einem Privatdruck bis zu allabendlichen Theaterauf¬
dann, wenn sie vergangen ist, und eines Tages werden
führungen ist ein weiter Weg. Die Skandale und Pro¬
auch die Gernranisten die Entdeckung machen, um die
zesse, von denen diese Aufführungen begleitet waren,
wir schon längst wissen: daß Arthur Schnitzler der
können den künstlerischen Wert des „Reigen“ nicht
stärkste geistige und künstlerische Ausdruck des Wiens
herabsetzen. Aber gerade der aufrichtige Verehrer des
der letzten dreißig Jahre ist und der größte österreichi¬
Dichters empfindet es irgendwie unbehaglich, daß sche Dichter seit Grillparzer.
—
OAA
Odeon-Musik-Haus
Inhaber: Robert Genzkow
Flügel — Pianinos
Dresden-A., Prager Str. 18
DRESDEN
Fernsprecher 23671
3 Vorführungsräume.
Dresdner Künstler wie Rethberg, Forti, Tauber sind nur auf Odeon-Platten
Dlathnel Prager Str. 12 Tel. 16378
zu hören. Vorführungen der Odeon-Platten unverbindlich und kostenlos
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für den Dichter so charakteristische Figur wie die des
dieses Werk jetzt sein meistgespieltes ist, und es wäre
scheinbar zynischen Lebenskünstlers Hofreiter, und
sicherlich nicht die schlechteste Feier des 60. Geburts¬
wenn man sich ihn näher ansicht, erkennt man in ihm
tages Schnitzlers, an diesem Abend nirgends den
den gealterten Anatol.
„Reigen“ zu spielen.
Habe ich nun nicht doch aufgezählt, gewürdigt und
Nun müßte ich noch von den graziös tiefsinnigen
klassifiziert? Es geht wohl nicht anders bei solchem
Einaktern „Marionetten“ sprechen, vom „Professor
Anlaß, und sicherlich ist es leichter, über Schnitzler ein
Bernhardi“, von der „Komödie der Worte“, von dem
dickes Buch zu schreiben, als einen kurzen Essay. Und
Casanova-Spiel „Die Schwestern“ — nein, es ist ganz
dabei hätte ich noch so viel auf dem Herzen gehabt.
unmöglich, in einem Geburtstagsaufsatz auch nur an¬
Den Eindruck zu schildern, den Schnitzler auf jeden
deutungsweise alles das auszusprechen, was über das
macht, der ihn in seiner Cottagevilla in der Sternwarte¬
reiche und vielgestaltige Werk des Sechzigjährigen zu
straße aufsucht, wo er ein literatur- und gesellschafts¬
sagen wäre. Nur noch ein Wort über den Erzähler
abgewandtes Gelehrtendasein führt, jeder Sensations¬
Schnitzler, der, vielleicht noch mehr als der Dramatiker,
affaire, jedem Interview und jeder öffentlichen Debatte
der modernen Wiener Literatur die Grundlage gegeben
unzugänglich. Wer mit Schnitzler ins Gespräch kommt,
hat: mit seinem Novellenband „Die Frau des Weisen“,
der lernt ihn als einen innerlich vornehmen, lächelnd
mit dem erotischen Roman „Frau Berta Garlan“, mit
weisen und von jeder falschen Bescheidenheit, jeder
dem „Leutnant Gustl“, dessen Lebensechtheit die Ur¬
Selbstüberhebung, jeder Literaturpose freien, liebens¬
sache war, daß Schnitzler im alten Österreich seine
werten Menschen kennen. Auch von seinem Einflusse
Charge als Regimentsarzt aberkannt wurde. Einmal
auf die literarischen Wiener Zeitgenossen hätte ich gern
hat er zu einem größeren Roman ausgeholt, dem „Weg
noch einiges gesagt, die fast alle, bewußt und un¬
ins Freie“, um sich mit dem Problem des modernen
bewußt, in ihren Stücken und Novellen von ihm ab¬
Judentums auseinanderzusetzen, aber am dichterische¬
hängig waren. Von seiner Geltung im Auslande, in
sten ist der Erzähler Schnitzler doch dort, wo er nur
Amerika, in Holland und Skandinavien, wo man ihn als
erzählt und geheimnisvolle Dinge gestaitet, wie in dem
den einzigen österreichischen und vielleicht sogar deut¬
Bande „Dämmerseelen“, und auch das Motiv des
schen Autor nicht bloß kennt, sondern auch liest, spielt,
Alterns hat er in seiner letzten Novelle „Casanovas
und schätzt. Und trotzdem wird über ihn in den meisten
Heimfahrt“ mit reifer Epik geformt.
neueren deutschen Literaturgeschichten ein wenig von
Und der „Reigen“? Diese erotischen Dialoge, die
oben herab geurteilt. Es gibt tatsächlich mit Germa¬
in ihrer geistreichen Beobachtung, ihrer genial frechen
nistenblindheit geschlagene Literarhistoriker, die Schön¬
Aufrichtigkeit zum Kühnsten und Bedeutendsten ge¬
herr wegen seines Bauerntums über Schnitzler, den
hören, was über menschliche Liebesdinge gesagt
Dichter der Großstadterotik, stellen und an ihm Ur¬
wurde, sind bekanntlich vor zwanzig Jahren als Privat¬
sprünglichkeit und Lebensernst vermissen. Die Litera¬
druck für die Freunde des Dichters erschienen. Von
turgeschichte versteht ja die Gegenwart immer erst
einem Privatdruck bis zu allabendlichen Theaterauf¬
dann, wenn sie vergangen ist, und eines Tages werden
führungen ist ein weiter Weg. Die Skandale und Pro¬
auch die Gernranisten die Entdeckung machen, um die
zesse, von denen diese Aufführungen begleitet waren,
wir schon längst wissen: daß Arthur Schnitzler der
können den künstlerischen Wert des „Reigen“ nicht
stärkste geistige und künstlerische Ausdruck des Wiens
herabsetzen. Aber gerade der aufrichtige Verehrer des
der letzten dreißig Jahre ist und der größte österreichi¬
Dichters empfindet es irgendwie unbehaglich, daß sche Dichter seit Grillparzer.
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Inhaber: Robert Genzkow
Flügel — Pianinos
Dresden-A., Prager Str. 18
DRESDEN
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3 Vorführungsräume.
Dresdner Künstler wie Rethberg, Forti, Tauber sind nur auf Odeon-Platten
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zu hören. Vorführungen der Odeon-Platten unverbindlich und kostenlos