VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 205

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führerisch vielstimmigen Wie, auch in diesen Werken schon ohne es zu erkennen, im Grunde doch die Glückli
Arthur Schnitzler. 7/2##0
sind.
charakteristisch zu erkennen ist: Die Stellung des Dichters
zum Konflikt. Schnitzlers Helden gehen nicht als Kämpfer
Schnitzler hat es einmal das Charakteristische
Zum 30. Geburtstag des Dichters am 15. Mai. “
wider die Konvention zugrunde. Sie sind in der Tiese. Uebergangsepochen genannt, „daß Verwicklungen,
Von Dr. Paul Neuburger.
ihrer Seele selbst Fahnenflüchtige, die die Berechtigung
die nächste Generation vielleicht gar nicht mehrer
des Lebens wie es ist, deshalb weil es ist, noch da auer¬
Archürz Schnitzlers Bild im Bewustsein der Oeffent¬
werden, tragisch enden müssen, wenn ein leiblich
kennen, wo es im fragwürhigen Mantel der gesellschaft¬
lichkeit Zeigk eine leichte Verzerrung. Seine Persönlichkeit,
diger Mensch hineingerät“. Manche von den Ve
lichen Konoention auftritt: der Verächter des „Märchens“
lungen, in denen sich für Schnitzlers Menschen d
wie ste sich dem großen Publikum darsteilt, erscheint über
vom Belastetsein der Gefallenen empfindet selbst gegen¬
überwindliche des Lebens darstellt, haben sch
Gebühr durch seine frühen Werke bestimmt. Diese ersten
über dem, worüber „kein Mann hinweg kann“, schließlich
für uns ihr Ueberzeugendes verloren, schon füh
Stücke, vor allem die Anatolszenen und „Liebelei", sind
doch wie die andern, der Bekämpfer der Duellmoral, dem
seine großen, immer wieder auflebenden Bühnenerfolge
uns fremd in einer Welt, der selbst in des Mam
das Leben das höchste Gut erscheint, vermag es am Ende
die Liebe als das einzige und wesentliche erscheine
gewesen. Hier und in anderen Jugendwerken, wie dem
doch nicht, den Selbstvorwurf der Feigheit zu ertragen.
Das ändert n bts dgran, da“ as Grund zefühl¬
„Freiwild“ und dem wenig geglückten uno wenig erfolg¬
Hier ist der Punkt, wo die weitere Entwicklung einsetzen
reichen „Märchen“, gibt der Stoff das Liebesleben — wenn
Allmacht des Lebens über ####'zeitlichen
kann, weil hier bereits die grundsätzliche Abweichung in
man es so nennen will — des wohlhabenden, von einem
hinweg seine Gültigkeit behält, und daß sola.
Schnitzlers Auflassung der konventionellen Lüge gegeben
Beruf kaum oder gar nicht in Anspruch genommenen jungen
die Gewalt des bunten Seins, mit so bestritkende
war, hier der Punkt, wo es sich zeigt, daß Schnitzlers
Mannes, die Stimmung eine unablösbare Wiener Lokal¬
kunst und Grazie vorgetragen, wie sie in Deut
Musik ihre Klangfarbe von des Dichters ethischer und
farbe und eine weiche, leichtfertig=sentimentale Grazie her.
seltene Gabe ist, auch den zu fesseln verma
weltanschaulicher Grundeinstellung hernahm: Schnitzler
Der Konslikt, wo sich ein solcher greifbar und beherr¬
unserer ringenden Epoche vorziebt, Stärkungbei Die
empfindet die Lüge des Lebens so sehr wie Ibsen, sie bildet
schend herausbildet, ist ein Kampf des Individuums
zu suchen, deren Herz mit dem Kämpfer schlägt.
eigentlich den Gegenstand seiner ganzen Dichtung, aber er
wider die Konvention, etwa wider die Unsitte des Zwei¬
nimmt sie webmütig lächelns hin, wei' sie ihm untrenn¬
kampfs oder das gesellschaftliche Vorurteil, das die Ge¬
barer Inhalt des Leben? scheint. So wird die Lebens¬
fallene trifft. Wenn die Konflikte tragisch enden,
lüge, die ihm zuerst im Gewand gesellschaftlicher Vorur¬
und wenn dabei offenbar die Sympathie des Dichters die
teile erschienen ist, und die sich auch in seinem späteren
gefallenen Opfer des Vorurteils begleitet, so scheint er
Schaffen noch manchmal in solchen Gestalten zeigt, zu
damit in die Reihe der Ibsenschen Kämpfer ,gegen die
einem Grundbestandteil des menschlichen Lebens, vor
gesellschaftliche Lüge zu treten, nur daß er diesen Kampf
allem der Beziehungen der Geschlechter zueinander, deren
mit dem teichten Florett, statt mit dem wuchtigen Schwert
verwirrende Mannigfaltigk it von Anfang an den Stoff
des nordischen Recken führt.
bildet, an dem sich für Schnitzler das Leben darstellt. Jene:
Hätte Schnitzler, wie mancher andere, eines Tages das
Lüge zu bekämpfen, ist daber eine fragwürdige Aufgabe:
Publikum mit einem Werk völlig abweichenden Gepräges
die Stunden des Erkennens, die in des Dichters Werken
herausgefordert und es vor die Entscheidung gestellt, ent¬
immer wiederkehren, bringen selten Befreiung: häufig,
weder des Dichters Vielgestalt binzunehmen oder die eine
wenn sie wirkliche Erkenntnis gaben und nicht an Stelle
Seite seines Wesens zu bejaben, die andere abzulehnen,
der einen Lüge einegandere setzten, Ekel oder Verzweiflung.
so würde es nicht nötig sein, den späteren Schnitzler aus
Wer klug ist, weißAdaß eine Lüge, die ein menschliches
den Anfängen des früheren berauszulösen, die Züge des
Dasein zu tragen vetmag, besser ist, als eine zerstörende
jüngeren noch im Bilde des älteren aufzuzeigen. Dem¬
Wahrheit, er weid, daß wir immer svielen, und daß wir
gegenüber steht Schnitzlers Schaffen unter dem Gesetz
nichts von uns und nichts von anderen wissen. Nur die
einer fortschreitenden folgerichtigen Entwicklung, die nie¬
Toren wollen erkennen und zur Erkenntnis verhelfen,
mals aus ihrer Bahn bricht, und der Gereifte hat kaum
nur die Toren suchen das Leben zu meistern; es ist
Töne gefunden, die nicht ihren Vorklang schon in den
Traum, Spiel, Lüge, Chaos, aber auch einzige Macht und
Jugendwerken besäßen. Aber die Akzente haben sich lang¬
Wirklichkeit; die Hand, die sich vermißt zu lenken, greift!
sam verschoben, und so bebeutet die Entwicklung doch eine
ins Leere, und wer zu sehen glaubt, wird blind dahinge¬
stetige Wandlung.
trieben, wohin zu kommen ihm bestimmt war.
In Schnitzlers Jugendstücken sind die Linien einfach,
Auf solchem Boden gedeihen keine Helden. Die
die Probleme treten klar bervor. Umgeben aber werden
Lebenskämpfer kommen denn auch bei Schnitzler schlecht
sie von der berauschenden Polyphonie, einer den Lokal¬
genug weg. Immer wieder stehen sie als betrogene Be¬
ton mit unvergleichlicher Meisterschaft treffenden Stim¬
mung. So wird das leicht überhör was zwischen diesen trüger da, und mit zunehmender Reise wächst des Dichters
beiben Elementen, dem einfach klaren Was und dem ver= müdlächelnde Sympathie mit den Gütigen, die, betrogen,