VII, Verschiedenes 3, 60ster Geburtstag, Seite 211

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seiner Komödien dieser ernste Kern liegt, hloß nicht tragisch
modernen Fühlens überhaupt, sie kommen in allen Sphären
aufgemacht, daß er das Leben zwar liebt, aber sich dach mit
utchland.
vor, nur unklarer, mehr verdeckt durch materiellen Zwang
ihm herumschlägt, daß er frivol ist, weil er eine frivole Ge¬
und daher weniger geeignet für die reine und untendenziöse
Mai 1922.
sellschaft schildert, daß er zwar lächelnd mit ihr philosophiert,
künstierische Dorstellung.
aber sie dennoch im Grunde geißelt.
Denn Schnitzler haßt das Pathos und die Tendenz; ich
Und so ist Schnitzler mehr denn jeder andere geeignet,
weiß es nicht, aber ich möchte es fast glauben, daß er seinen
uns aus der Not des deruschen Theaters — das ist nämlich
„Professor Bernhardi“, den wir so sehr lieben, weit weniger
cht, so wird man
Teil die Not des deutschen Theaters
mag als andere Stücke. Der Vorwurf ist ein Erlebmis des
zum großen
Wenn
en verlieren, daß
herauszuhelfen.
Publikum
Vaters des Dichters, des berühmten Wiener Arztes Profesior
mit seinem
diesen Tagen
neinstellen in den
von einem Schweizer Bühnenleiter
Schnitzler und mag sich ihm mit solcher Wucht eingeprägt
rache und seines
gesagt wurde, Deutschland habe in den letzten Jahren nichts
haben, daß er keine andre als diese unmittelbare Gestaltung
d man wird ihm
hervorgebracht als Kriegsliteratur, Revolutionsliteratur und
erlaubte. Sonst aber meidet Schnitzler die starken Worte
de Werke ledig¬
nachgeahmte französische Erotik, s0 dürfen wir neben
und Beweise; was er von ihm.n hält, zeigt er in seinem
hllen oder sogar
Hauptmann und Georg Kaiser auch auf Schnitzler
„Jungen Medardus“ dem liebenswerten und doch ein
schen Wesens an¬
hinweisen. Und er wird.es sein, der am leichtesten das große
wenig lächerlichen Helden und Draufgänger, der zum Schluß
r Dichter mit dem
Püblikum zu gewinnen vermag, denn seine graziöse und
so viele ideale Forderungen an sich stellen muß, daß er für
lem seinen Platz
prickelnde Art wird auch diejenigen anzlehen, die sich heute
keine leben, sondern nur noch sterben kann.
ng und Kultur, so
vo. „etwas Schwerem“ fürchten.
Sie haben daher auch alle etwas Behutsames an sich,
hrer Könner noch
die Schnitzlermenschen; man lauscht ihren langen Gesprächen,
he der deutschen
in denen sie niemals das Letzte, Eigentliche zu sagen wagen
Abends im Residenztheater.
st zu trennen.
mit der schmerzhaft gespannten Aufmerksamkeit dessen, der
Es ist gedrängt voll, sogur die Seiteng#nge hat men
anifestation dieses
jeden Augenblick eine Enthüllung seines Selbst fürchtet. In
mit Stühlen verstellen müssen. Im Publcum ist halb
lin gekommen ist,
diesem Sinne besteht eine eigentümliche Verwandtschaft
feierliche, halb erwartungsvolle Stimmung; mon flüstert sich
— vielleicht aber
zwischen Schnitzlers Dramen und seinen Novellen: die
zu, was noch nicht Alle wußten, daß der Dichter anwesend
inn. Es ist eine
ersteren gewinnen ihre Spannung weit mehr aus der
sei. Man zeigt sie seinen Kopf in der ersten Loge vorn ##
rübnis konstatierte
Analyse der Persönlichkeit, als aus der Handlung, die letzteren
links, unverkennbar seine schmale Form mit dem buschigen;
großen Masse des
sind weit weniger Ereignis als Charakteristik.
Haarkranz und dem Spitzbart, trotzdem er mit dem Rücken
n besonders guten
Man kommt dem Wesen des Dichters am tiefsten auf die
zum Publikum sitzt und sich ein wenig in die Ecke drückt,
öchst bedenklichen
Spur, wenn man ihn einmal eine seiner Novellen selbst hat
wie um nicht gesehen zu werden. Neben ihm seine Frau
en noch kaum eine
vorlesen hören. Er tut dies zuweilen im kleinen Kreise
und Tochter.
dem Wesen seines
irgend eines ganz ernst zu nehmenden Wohlfahrtsvereins
Das Spiel beginnt; „Das weite Land“, ein seltsames
Furcht beschleicht,
in Wien und die Menschen, die sich da um ihn scharen, können
Stück eigentlich, sagt man sich immer wieder, mit seiner dem
l verfallen, drüben
so sellsam das klingen mag — für ihre Arbeit am Men¬
Leben nachgezeichneten Wirrnis, eigentlich endlos verklingend.
essen zu sein.
schen manches leinen von ihm, der mit kühler, scharf
Die Schauspieler tun ihr Bestes, die Triesch und
nen unverdienter
accentieierender Stinme liest und dadurch den Eindruck noch
Korff ganz groß aus der Masse hervorragend. Zuweilen
m letzten Grunde
verschärft, den Eindruck des Arztes, der die Sonde an die
fühlt man leisen Kontakt zwischen ihnen und dem Dichter,
Die Menschen, die
Seelen der Menschen legt.
bei den halb ironischen Worten des Dichters im Stück, in
haben zwar durch
Dies alles, was ich hier gesagt habe, wird, so glaube ich,
dem sympathischen Wesen des Arztes, in dem man den Leib¬
us verloren, aber
bei meinen Lesern ein gewisses Erstaunen hervorrufen; sie
deckten, Fäden der
arzt Dr. Schnitzler ahnt.
kannten Schmitzler nur als den Dichter des leichten, zwar
Bereits nach dem zweiten Akt rief stürmischer Beifall
ftlichen Sitte und
formschönen, aber etwas frivolen Spie's, von dem sie nur
ihres Seins. Die
den Gefeierten auf die Bühne; mit jedem Akt steigerte sich
seinen „Professor Bernhardi“ und „Liebelei“ und vielleicht
die Begeisterung, für die Dr. Schnitzler mit sichtlicher
Welt des satten
noch den sehr tapferen Roman um das Judenprob'em „Der
tler, wo sie am
die Konflikte des Weg ins Freie“ ernst nahmen. Sie sehen nicht, daß in jeder Freude dankte.
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