VII, Verschiedenes 5, Bauernfeld Preis, Seite 66

Telephon 12801.
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
„OBSERVER“
Nr. 69
I. österr. behördl. conc. Bureau für Zeitungsberichte u. Personalnachrichten
Wien, I., Concondiaplatz 4.
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Stockholm, Kristiania, St. Petersburg.
Liftihalungen aus Gn Vrmhn 2n
Ausschnitt aus: Abucär 603 Aufieeraitissade, Bedia
vom: 7/h 14 75
KKSPL
Litteratur und Antisemitismus. Der Protest
ders Wiener Antisemiten gegen die Ver¬
leihjungddes Bauernfeld=Preises an Schnitzler
worüber wir in Nr. 12 der „Mittheilungen“ berichteten,
veranlaßte den österreichischen Unterrichtsminister Hartel
zu einer Aeußerung im Reichsrath. Aus Wien, 31. März,
wird telegraphirt:
Vor acht Tagen interpellirte der antisemitische Ab¬
geordnete Dr. Pattai den Unterrichtsminister, warum der
Fut Preis von 2000 Kronen aus der Bauernfeld=Stiftung einem
lusive

Juden, dem Dr. Arthur Schnitzler, zugewendet worden sei. rto.

Man glaubte schon, die Interpellation würde nicht beant= bar
n
wortet werden, als heute Minister Hartel sagte: Die Inter= Voraus.

pellanten scheinen von der Voraussetzung auszugehen, daß igt aus
Ab ich als Unterrichtsminister Mitglied des betreffenden Kura= es den
Ab toriums und als solcher für die Beschlüsse desselben verant¬
wortlich sei. Dem gegenüber beehre ich mich zu konstatiren,
nd die
Inj daß ich nicht etwa als Unterrichtsminister in das Kuratorium „gen¬
bi dieser Stiftung berufen wurde, sondern auf Grund des jtung")
wo Stiftungsbriefes vom 13. Januar 1894 demselben angehöre. aftliche
Obwohl ich mich demnach nicht verpflichtet fühle, für se Mit¬
meine Handlungen als Privatmann Rechenschaft zu geben,
so steh“ ich doch nicht an, zuzugestehen, daß unter
meiner Theilnahme Gerechte und Sünder, Christen und
Juden, Ausländer und Inländer durch Ehrengaben und
Preise ausgezeichnet wurden, indem nach dem Wortlaut und
dem Geiste des Stiftsbriefes hierbei nicht der Tauf¬
schein, sondern litterarische Leistungen!
maßgebend waren. Parteipolitische Rücksichten welcher Art
immer, wird die Kommission von sich fernhalten müssen,
wenn sie im Sinne des Stifters weiter wirken soll.
eersragesichten
Alex. Weigl’s Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
S.. Ausschhitt
N. 105
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heues Wierer Tachlast
vom: 100%
Theater, Bunst und Titeratur.
Der Unterrichtsminister und der Bauernfeld-Preis.
(Beantwortung einer Interpellation.)
Die jüngst erfolgte Verleihung des Bauernfeld¬
Preises gab bekanntlich einigen christlichsozialen Ab¬
geordneten Veranlassung, den Unterrichtninister darüber
zu interpellieren, warum denn dieser Preis gerade einer
bestimmten Person zuerkannt worden sei, einer Person,
der nach Ansicht der Interpellanten bestimmte Kriterien.
fehlen, um sie des Preises würdig erscheinen zu lassen.
Diese Kriterien aber, von denen die Fragesteller sprachen,
betrafen nicht Fragen des Talents, auch nicht eigentlich
Für
inclusive
irgend ein literarisches Für und Wider, sondern lediglich ganz
Porto.
private Zufallsdinge. Unterrichtsminister Dr. v. Hartel
Zahlbar
im Voraus.
hat gestern diese Interpellation beantwortet und bei der

Gelegenheit Worte gesprochen, die gerade unter den gegen¬
nitte ist das
Abon wärtigen Verhältnissen einer besonderen Hervorhebung
stcht es den
wert sind. Wir sagen: unter den gegenwärtigen Verhält= Andern.
Abon
nissen; denn so zutreffend und gerechtfertigt auch das ist,“
nthaltend die
was der Minister sagte, der oberste Kulturhüter eines,
Morgen¬
modernen Staates darf ja gar nicht anders sprechen. Als
Inha
mer Zeitung“)
blä
einmal die Rede davon war, einem unparteiischen Richter
irthschaftliche
wodu
zum Lohn für die von ihm bekundete Gerechtigkeitsliebe
Diese Mit¬
ein Denkmal zu errichten, war es ein großer deutscher
theil
Freiheitsmann, der da erklärte, bedauernswert sei der
Staat, in dem es wundernehme und sensationell wirke,
wenn ein Richter makellos seine Pflicht tue. Und so muß
man sich auch bei dem Widerhall, den die gestrige Er¬
klärung des Dr. v. Hartel bei allen unbefangen und
modern gesinnten Leuten finden wird, denken, welch selt¬
samer Wandel der Dinge sich in Oesterreich vollzogen habe,
wenn schon eine geradsinnige und freimütige Versicherung
fast Verwunderung wachruft.
Der Minister leitete seine Antwort mit der Be¬
merkung ein, daß er dem Bauernfeld=Kuratorium nicht.
in amtlicher Stellung, sondern lediglich als
Privatmann angehöre und daher nicht verpflichtet wäre,
über die Beweggründe seines Votums Aufschlüsse zu er¬
teilen. Wir haben schon Interpellationsbeantwortungen
vernommen, die sich mit solcher fragmentarischer Ver¬
sicherung, die eben, weil sie fragmentarisch blieb, eine aus¬
weichende war, begnügten. Dr. v. Hartel aber nahm gaps
zweckbewußt und unumwunden den Anlaß wahr, „die#
Fragesteller über seine Gesinnung in dieser Sache bekannt
zu machen. „Bei der Preiszuerteilung, so sagte ergent¬
4
scheidet die literarische Leistung, entscheidet
1
das Talent das Können und nicht das Glauben, nicht
provinzielle, familiäre, nicht Parteizugehörigkeit.“ In #

tönenden Worten verkündet die Verfassungsurkunde, daß
vor dem Gesetze alle Staatsbürger gleich seien. Es gibt
auf dem Kontinent nur wenig Staaten, in denen dieser
großen Theorie auch die tigliche Praxis entspricht. Eine
Ungleichheit vor dem küristlerischen, vor dem literarischea
Forum zu statuieren, das wäre wohl eines der stärksten
unter allen antifreiheitlichen Merkmalen. Wohin auch
würde das führen? Man hat in den letzten Jahren wieder¬
holt beklagt, wenn bei Preiszuerkennungen oder auch, wie
seinerzeit in München, bei Ordensverleihungen an Dichter
und Künstler der Parteistandpunkt der überwiegende, ja
der ausschlaggebende war. Wie der derzeitige Chef der
österreichischen Unterrichisverwaltung, der Minister für
Bildung und Ausklärung, darüber denkt, das hat er gestern
freimütig, modern, in Accenten, die das Gepräge des
Oesterreich von 1868 tragen, getan, da er vom Bauernfeld¬
Preis und dessen Zuerkennung sprach.