VII, Verschiedenes 6, Grillparzer Preis, Seite 15

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sweht uns an aus allen seinen Werken wie eine
Wenn wir selbst in (#
Strostliche Verheißung. In dem Einakter: Literatur
Spiel sind, dann — da
ist die Hauptsigur eine Frau, die spielt — und ge¬
setze, die wir einst auf de
winnt. So ist das Leben.
und Kulturmauern auf
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Grillparzer-Breis
Eines der nachdenklichsten Stücke ist Para¬
zu suchen.
celsus. Ich möchte es kurz stizzieren. Paracelsus
Ja, so sind wir
ist als verbummelter Student in die Welt gezogen
Und Schnitzler de
und kehrt als Zauberer und Wunderdoktor wieder
eine Reihe von Problen
— von den Leuten seines kleinen Heimatortes ange¬
nach seinem Sinn.
stannt. Nur Cyprian, der Waffenschmied, glaubt
Und in allen sein
nicht an ihn. Er bringt ihn in sein Haus und
rende Stimme: Resign
keizt ihn, seine Wunder zu zeigen. Und Paracelsus
Wege — für all die de
klüstert der schönen Frau Justina, des Waffen¬
menschliche Seele geht,
schmiedes Weib, zu, sie solle eine nicht begangene,
hen und Verzeihen un
aber dunkel ersehnte Schuld als begangen fühlen.
Wunderlampe wundersat
von neuem, daß hinter
Sie schläft ein — erwacht und gesteht. Cyprian,
täuschung lauert.
zurch das Geständnis der Schuld aus seiner be¬
haglichen satten Ruhe aufgeschreckt, gerät in Angst,
Fur dieses merkw
bis Paraceisus sie von dem Spuk befreit und sagt:
den Grillparzerpreis bei
Theater und Literatur.
sten einer, der uns une
„Es war ein Spiel! Was sollt es anders sein?
noch so vieles geben wi
Was ist nicht Spiel, das wir auf Erden treiben,
Sreseithen antien
mit brennender Fackel
Und schien es noch so groß und tief zu sein!
kunft hineinleuchten un
Mit wilden Söldnerscharen spielt der Eine.
0 Von Marie Holzer.
##1.
die Entwicklung langsan
Ein anderer spielt mit tollen Abergläubischen,
Arthur Schnitzler hat den Grillparzerpreis be¬
Vielleicht mit Sonne, Sternen irgend wer, —
kommen! Wie eine Siegesnachricht tragen es die
Mit Menschenseelen spiele ich. Ein Sinn
Wird nur von dem gefunden, der ihn sucht.
Zeitungen in alle Welt. Denn er ist der Reifsten
Es fließen in einander Traum und Wachen,
einer, der uns unendlich viel gegeben. In jeder sei¬
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
ner Dichtungen liegt ein Problem von wundersamer
Wir spielen immer, wer es weiß — ist klug.“
Tiefe und er steht hoch darüber, auf einer hohen,
hohen Sprosse, weit über der Parteien Haß und
Und dann im Grünen Kakadu: „Sein
Gunst erhaben. Ein gütiger, abgeklärter Mensch —
spielen ... kennen Sie den Unterschied so genau —
ein Weiser in des Wortes höchster, siegreichster Be¬
Chevalier?“ Ein Dichter und noch mehr ein
deutung!
Zweifler — ein Seher — den das Leben aus schil¬
All die Gestalten seiner Bücher ziehen mir
lernden Märchenaugen anblickt und deren tiefstes
durch die Seele. Der arme, kleine Leutnant Gustl,
Dunkel ergründen will.
dessen natürliches Empfinden in Widerstreit liegt
Im „Zwischenspiel“ wird uns die Geschichte
mit anerzogenen Ehrbegriffen, dies Schwanken
einer Ehe vorgeführt, die auf Freiheit, auf Wahr¬
zwischen Einsicht und Pflicht — und endlich dieser
haftigkeit aufgebaut ist und wo die beiden Ehe¬
tröstliche Schluß, der plötzliche Tod des Beleidigers
gatten sich frei geben, in dem Moment, wo der##
und all iene Gespenster, die Räuber seiner Schein¬
Mann fühlt, daß er eine andere liebt. Die Fraus
ehre— sind nichts als ein böser Spuk gewesen.
ist verzweifelt — und schweigt. Und dann — nach¬
Dann Frau Beria Garlan. Die langsam erwachende
dem das Zwischenspiel bei ihm vorüber, will er zu
Sehnsucht nach Glück in dem Herzen der jungen
seiner Frau zurückkehren, die durch einen neuen
Witwe, wie sie ihm entgegengeht — suchend, ta¬
Erfolg als Bühnenkünstlerin ihm in erneutem
stend und doch unentwegt— wie die große Liebe
Lichte erstrahlt. Aber sie will nicht — sie will ihm
sie sehend macht — sie emportragt über alle klein¬
Freundin sein — nichts weiter, wie sies ausge¬
lich=engherzigen Bedenken, und dann der kurze
macht, sie will sich treu bleiben, „denn worin wären
Rausch, der ihr kaum zum Bewußtsein kam — kaum
wir jetzt besser, als all die Anderen, die wir ver¬
ihr Sein erfüllte und an den sie doch unzählige,
achten?“
frohlockende Hoffnungen knüpfte und dann die kalte
Und trotzdem geht er nicht. Mann und Fraus
Douche, daß sie ihm nichts bedeutet als eine kurze
stehen sich gegenüber, vor Welt und Menschen ge¬
Episode. In fast allen Arbeiten Schnitzlers: Lie¬
hören sie einander an — trotz ihrer Kompromisse
belei, Freiwild, Märchen, Die griechische Tänzerin,
und trotzdem wie — wie grausam wirkt hier — die
Lebendige Stunden, in allen zeichnet er die deutsche
Leidenschaft.
Frau, deren Grundzug die Treue ist. Im Manne
Und dann — besteht sie auf dem Auseinander¬
liegen Leidenschaft und Vernunft in ewigem
— er ist verzweifelt und geht — aber wir
gehen
Kampse. Er ist beider Sklave und schwankt hin und
ahnen, daß er wiederkommt.
her — ruhelos — ohne den Schwerpunkt zu fin¬
Die Frau ist die Starke. Sie hat sich durch
den! Die Frau aber nimmt selbst eine Liebelei —
Jahrtausende alle Zucht in der Gewalt, sie kann
eine Liebschaft — ein Intermezzo ernst — die ist
schweigen und leiden — sie kann schweigen und sich
immer mit ihrem ganzen Herzen dabei.
sehnen.
Ich las einmal irgendwo eine wie mir dünkt
Die ganze Kraft der Liebe liegt in der Beherr¬
vortreffliche Charakterisierung der mitteleuropäi¬
schung!
schen Frau. Die Italienerin sagt: Er hat mich ge¬
Unsere ganze Gesellschaft und Geselligkeit ist
liebt, er hat mich verraten, ich werde mich rächen,
auf Höflichkeit aufgebaut, einer verfeinerten Form##
wo ich kann. Die Spanierin: Ich werde ihn töten.
der Lüge. Warum soll oder kann es im Kleinen an¬
Die Französin: Ich werde mich mit einem anderen
ders sein als im Großen? Ist ein Zusammenleben
trösten. Die Engländerin: Gut, daß er mich nicht
überhaupt möglich auf Wahrhaftigkeit gegründet,
bestohlen hat. Und die Deutsche: Ich hab ihn ge¬
absoluter Wahrhaftigkeit? Wenn man alles sagen
liebt, er hat mich verraten — ich werde beten, daß
würde, was uns durch die Seeele zieht, immer, wäre
er glücklich werde.
es nicht oft eine Entweihung — oft eine Grausam¬
Das ist ein Grundzug der deutschen Frau. Sie
keit — oft sogar ein Frevel?
ist sentimental und nimmt die Liebe ernst in jeder
Ist Aufrichtigkeit nicht ein Hirngespinst? Auf¬
Form — sie spielt nicht — sie liebt wirklich. Und
richtigkeit, Wahrheit, die von tausend Zufälligkeiten,
daraus ergeben sich die allermeisten Konflikte.
Und in all seinen Arbeiten schwingt leise, leise tausend Launen abhängig ist? Ist Wahrheit etwas
Feststehendes oder hat sie hundertfache Gestalt, hun¬
ein Ton mit, unhörbar oft, vom glänzenden Or¬
dert Ecken und Kanten, hundert Seiten? Jede
chester seiner reichen, wunderschönen Sprache be¬
hat ihre Berechtigung, hat ihre Begründung.
gleitet, die sich wie ein Silberkranz um die tief¬
Wahrhaftigkeit! Ein Begriff, der nur im
uinnigen Handlungen windet, ein Spott, ein lei¬
Hirn von Toren lebt, von Träumern! Es gibt keinen
ses Lächeln über unsere Ehr= und Höflichkeitsbe¬
Wahrhaftigkeit, darf keine geben. Und dann warum
griffe. Er eifert nicht laut und vernehmlich wie
haftet dem Wort Wahrheit so ein Nimbus an und
Ibsen, er lächelt bloß — sein kluges, seines Lä¬
in Wirklichkeit ist sie doch meist so brüsk, so hart.
cheln. Alles sollte verstummen vor dem Gott im
Warum ist die Lüge so verfehmt, und in Wirklichkeit
Innern dessen Majestät allein wir uns beugen
lieat in ihr soviel Heroismus? Ist denn all unsere
sollen. Aber daß der Gott im Innern eine Mase¬
stät sei, darauf kommt es an. So sagt er im Mär= Beherrschungskunst nicht auch Lüge? Tausend sol¬
cher Fragen stürmen auf uns ein — während die
chen: „Wenn die Frauen nach Deinem Prinzip
Handlung an uns vorüberzieht. Und dann sagt er
handelten, dann könnte man sie auch darnach be¬
#urteilen. Aber vergiß nicht, die wenigsten haben uns, daß eben nur das Aeußerliche uns Halt gibt.
das Bewußtsein, daß unsere Gesellschaft auf einer Konvenienz — Schamgefühl — Rücksicht — Sitte,