Grillparzer-Preis
Telephon 12801.
5
P MnMRANRTETEEEHN
□ l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
60
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
4
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
O
(Quellenangabe ohne Gevam.
„ Ausschnitt aus:
*
E vom: 1908
Tagblatt
Der neue Träger des Grillparzer=Preises.
Der Grillparzerpreis, der zweimal an Gerhart
Hauptmann, zweimal an Wilbrandt, je einmal an
Anzengruber und Hartleben fiel, ist in diesem Jahre
dem Wiener Dichter Arthur Schnitzler für seine fein¬
sinnige Komödie „Zwischenspiel“ zuerkannt worden,
die im vorigen Frühjahr zum ersten Male am Hofburg¬
theater der Kaiserstadt aufgeführt wurde. — Schnitz¬
*
2
S
J115
W
WS, A
00
—
41 ∆
2 —
Arthur Schnitler
erhielt den Grillparzer=Preis.
ler, der Medizin studiert hat und in Wien als Arzt¬
tätig war, steht jetzt im 46. Lobensjahre. Er veröffent¬
lichte seit 1893 eine große Reihe von Dramen, Erzäh¬
lungen, Humoresken und Gedichten. Sein bekannte¬
stes Theaterstück ist „Liebelei“ das im Jahre 1895 er¬
schien. Die humoristisch=satirische Dialogsammlung
„Reigen“ hat allgemeines Aufsehen erregt; die Ten¬
denz dieser Dichtung steht allerdings viel höher, als
dies allgemein angenommen wird.
box 40/2
„Wiener Theater. ##
Von Ludwig Hirschseld (Wien). #77
Das bemerkenswerteste Ereignis der letzten Theaterwochen, das
Fauf den ersten Blia gar kein Theaterereignis zu sein scheint, ist die
Verleihung des Grillparzerpreises an Arthur S
Anzengruber ist kein österreichischer Dichter dis
hr tilhaftig geworden, und von diesem Standpunkte aus ist der
Entschluß der Preisrichter gewiß ein löblicher und erfreulicher zu
nenzen. Minder erfreulich ist es aber zu hören, in welcher Art diese
Zuerkennung erfolgte. Schnitzler, unser Bester, erscheint da gleichsam
als Lückenbüßer, als ein Ersatzmann aus dem Hintergrunde, auf den
Mhan sich im letzten Augenblick hastig besann, weil sich die Juroren
über Wildenbruch und Schönherr nicht einigen konnten. Noch be¬
denklicher mutet die Motivierung des Schiedsspruches an. Die
Ehrung gilt seiner im vorigen Jahre am Burgtheater aufgeführten
Komödie „Zwischenspiel“. Nicht ihm selbst, dem kräftigsten und ech¬
testen des ganzen jungen Wien, nicht seinen schönsten und stärksten
Leistungen, der „Liebelei" „Der lebendigen Stunden“ oder dem
„Schleier der Beatrice“. Von der Existenz dieser Werke scheint die
Kommission in den ganzen letzten zehn Jahren nichts bemerkt zu
haben. Jetzt besann sie sich plötzlich auf ihre österreichische Pflicht und
Schuldigkeit, und in aller Eile wurde die Komödie „Zwischenspiel“
preisgekrönt, und dadurch gewissermaßen als das Beste hingestellt,
was in den letzten drei Jahren auf deutschen Bühnen zur Aufführung
gelangt ist, wie es im Stiftungsbriefe heißt. Nun ist aber gerade
„Zwischenspiel“ eine zwar sehr feine und geistreiche, aber dennoch
schwoche Arbeit, namentlich in dramatischer und theatralischer Hin¬
sicht. Selbst für die Novellenform wäre dieses bißchen Ehebruchsfabel
zu sein und zu körperlos, die Art der psychologischen Behandlung zu
spitzfindig und zu ermüdend; die Gestalten geberden sich, als ob sie
berufsmäßig Psychologie betrieben. Ohne Zweifel ist dieses Stück
eines der schwächsten, das Arthur Schnitzler geschrieben hat, und die
Begeisterung der Preisrichter kann man sich nur aus einer gewissen!
Verlegenheit erklären, aus dem Unvermögen, dem Ausland irgend
eine bemerkenswerte österreichische in den letzten drei Jahren ent¬
standene dichterische Leistung vorzuführen. Es ist dies ein beschämen¬
des Bewußtsein, das uns alle beherrscht: Publikum, Kritik, Theater¬
direktoren; alle die am Theater mit dem Geist, dem Gemüt oder der
Tasche interessiert sind. Ueber die erschreckende Sterilität der öster¬
reichischen Literatur, insbesondere der dramatischen, kann man sich
keinen Moment täuschen, und alles was wir dagegen tun, besteht in
—chergshg¬
der Gründung von neuen Operettenbühnen, in der geschickts
geschürten Begeisterung für dieses Genre und in der Unterbreitung!
von Majestätsgesuchen — in Sachen der Operette.
* u. .„ „
Telephon 12801.
5
P MnMRANRTETEEEHN
□ l. österr. behördl. konz. Unternehmen für Zeitungs-Ausschnitte
60
Wien, I., Concordiaplatz 4.
Vertretungen
4
0 in Berlin, Budapest, Chicago, Christiania, Genf, Kopen¬
hagen, London, Madrid, Mailand, Minneapolis, New-Vork,
Paris, Rom, San Francisco, Stockholm, St. Petersburg.
O
(Quellenangabe ohne Gevam.
„ Ausschnitt aus:
*
E vom: 1908
Tagblatt
Der neue Träger des Grillparzer=Preises.
Der Grillparzerpreis, der zweimal an Gerhart
Hauptmann, zweimal an Wilbrandt, je einmal an
Anzengruber und Hartleben fiel, ist in diesem Jahre
dem Wiener Dichter Arthur Schnitzler für seine fein¬
sinnige Komödie „Zwischenspiel“ zuerkannt worden,
die im vorigen Frühjahr zum ersten Male am Hofburg¬
theater der Kaiserstadt aufgeführt wurde. — Schnitz¬
*
2
S
J115
W
WS, A
00
—
41 ∆
2 —
Arthur Schnitler
erhielt den Grillparzer=Preis.
ler, der Medizin studiert hat und in Wien als Arzt¬
tätig war, steht jetzt im 46. Lobensjahre. Er veröffent¬
lichte seit 1893 eine große Reihe von Dramen, Erzäh¬
lungen, Humoresken und Gedichten. Sein bekannte¬
stes Theaterstück ist „Liebelei“ das im Jahre 1895 er¬
schien. Die humoristisch=satirische Dialogsammlung
„Reigen“ hat allgemeines Aufsehen erregt; die Ten¬
denz dieser Dichtung steht allerdings viel höher, als
dies allgemein angenommen wird.
box 40/2
„Wiener Theater. ##
Von Ludwig Hirschseld (Wien). #77
Das bemerkenswerteste Ereignis der letzten Theaterwochen, das
Fauf den ersten Blia gar kein Theaterereignis zu sein scheint, ist die
Verleihung des Grillparzerpreises an Arthur S
Anzengruber ist kein österreichischer Dichter dis
hr tilhaftig geworden, und von diesem Standpunkte aus ist der
Entschluß der Preisrichter gewiß ein löblicher und erfreulicher zu
nenzen. Minder erfreulich ist es aber zu hören, in welcher Art diese
Zuerkennung erfolgte. Schnitzler, unser Bester, erscheint da gleichsam
als Lückenbüßer, als ein Ersatzmann aus dem Hintergrunde, auf den
Mhan sich im letzten Augenblick hastig besann, weil sich die Juroren
über Wildenbruch und Schönherr nicht einigen konnten. Noch be¬
denklicher mutet die Motivierung des Schiedsspruches an. Die
Ehrung gilt seiner im vorigen Jahre am Burgtheater aufgeführten
Komödie „Zwischenspiel“. Nicht ihm selbst, dem kräftigsten und ech¬
testen des ganzen jungen Wien, nicht seinen schönsten und stärksten
Leistungen, der „Liebelei" „Der lebendigen Stunden“ oder dem
„Schleier der Beatrice“. Von der Existenz dieser Werke scheint die
Kommission in den ganzen letzten zehn Jahren nichts bemerkt zu
haben. Jetzt besann sie sich plötzlich auf ihre österreichische Pflicht und
Schuldigkeit, und in aller Eile wurde die Komödie „Zwischenspiel“
preisgekrönt, und dadurch gewissermaßen als das Beste hingestellt,
was in den letzten drei Jahren auf deutschen Bühnen zur Aufführung
gelangt ist, wie es im Stiftungsbriefe heißt. Nun ist aber gerade
„Zwischenspiel“ eine zwar sehr feine und geistreiche, aber dennoch
schwoche Arbeit, namentlich in dramatischer und theatralischer Hin¬
sicht. Selbst für die Novellenform wäre dieses bißchen Ehebruchsfabel
zu sein und zu körperlos, die Art der psychologischen Behandlung zu
spitzfindig und zu ermüdend; die Gestalten geberden sich, als ob sie
berufsmäßig Psychologie betrieben. Ohne Zweifel ist dieses Stück
eines der schwächsten, das Arthur Schnitzler geschrieben hat, und die
Begeisterung der Preisrichter kann man sich nur aus einer gewissen!
Verlegenheit erklären, aus dem Unvermögen, dem Ausland irgend
eine bemerkenswerte österreichische in den letzten drei Jahren ent¬
standene dichterische Leistung vorzuführen. Es ist dies ein beschämen¬
des Bewußtsein, das uns alle beherrscht: Publikum, Kritik, Theater¬
direktoren; alle die am Theater mit dem Geist, dem Gemüt oder der
Tasche interessiert sind. Ueber die erschreckende Sterilität der öster¬
reichischen Literatur, insbesondere der dramatischen, kann man sich
keinen Moment täuschen, und alles was wir dagegen tun, besteht in
—chergshg¬
der Gründung von neuen Operettenbühnen, in der geschickts
geschürten Begeisterung für dieses Genre und in der Unterbreitung!
von Majestätsgesuchen — in Sachen der Operette.
* u. .„ „