VII, Verschiedenes 6, Grillparzer Preis, Seite 96

box 40/2
Grillparzer-Preis
Arthur Schnitzlers Komödie „Zwischenspiel“.
In den Kreisen, die das künstlerische Schaffen Arthur Schnitzlers unbesangenen
Blickes zu beurteilen vermögen, ist die Nachricht, seiner Komödie „Zwischenspiel“ sei
diesmal der Grillparzer=Preis zugefallen, sympathisch ausgenommen worden. Die
Nachricht wirkte um so überraschender, als es knapp vor der Entscheidung hieß,
Wildenbruchs Drama „Die Rabensteinerin“ winke der Lorbeer. Die Preisrichter
haben sich für Schnitzler entschieden, und man erzählt sich, Hofrat Jakob Minor
habe den Ausschlag zu diesem Votum gegeben.
Es dürfte viele interessieren, ein objektives Urteil über das preisgekrönte
Stück zu hören. Das Referat, das „Die Wage“ gelegentlich seiner ersten Aufführung
am Burgtheater (12. Oktober 1905) brachte, ist ein solches. Darum sei es heute
D. R.
hierher gesetzt.
„Das Burgtheater hat mit Arthur Schnitzler wieder Frieden ge¬
schlossen und tat wohl daran. Denn der stärkste Wiener Dramatiker
gehört zu diesem Hause, dessen reiche und feine Kunst sein Talent erst
zur vollsten Reife bringen wird. Damit des Dichters Wort in aller Tiefe
und Reinheit verstanden werde, muß es in der herrlichen Schale leuchten,
mit der Burgtheaterkunst es kredenzt. Darum glaube ich noch heute, daß
die einzige Bühne, die den „Schleier der Beatrice“ hätte geben müssen,
und die damit, wenn nicht lärmende Erfolge, so doch Ehre für den
Dichter und Ruhm für sich selbst geerntet hätte, das Burgtheater war.
Und wenn wir uns die Komödie „Zwischenspiel“ aus dem Burgtheater
wegdenken, so streifen wir dem Werke den zartesten Schimmer von den
Flügeln.
Der stärkste Wiener Dramatiker ist der Dichter des „Zwischen¬
spiel“ gewiß. Aber damit ist noch nicht gesagt, daß er ein starker
Dramatiker ist. Er ist kein Mann mit dramatischem Biceps, das Theatra¬
lische — und es gibt Theatralik, das heißt Theaterwirksamkeit ohne bösen
Nebensinn — ist ihm zuwider, und je mehr er sich zum Lebensweisen
läutert, desto mehr weicht er ihm aus. Seine Kunst mit ihren leise mit¬
klingenden melancholischen Untertönen, mit der Sordine der Resignation,
ist weicher Anmut voll. Aber es ist stets eine Anmut in Moll. Wenn
man ihm einmal in einem Wiener Garten ein Denkmal setzen wird, so
wird wohl, wie beim Maupassant=Denkmal im Park Monceau in Paris,
eine mondaine Dame die Hauptperson sein. In diesem Fall natürlich
eine zierliche, elegante Wienerin, schalkhaft und verträumt, Schwermut
über den süßen Augen. Die Leserin, die Muse, die Egeria, was weiß
ich! Aber von der Frau geht seine ganze Kunst aus, von ihr spricht
sie unaufhörlich, von ihrem Duft ist sie durchdränkt, von ihrem Herzen
ist sie belebt. Und Schnitzler, der Dramatiker, bleibt immer Schnitzler,
der Liebesdichter. Er ist der geistvollste Erotiker, den Wien je hervor¬
gebracht hat, und nur Wien konnte ihn so formen und bestimmen. Die
Liebenswürdigkeit unserer schönen Stadt trieb in ihm ihre bunteste und
reizvollste Blüte.
Eines ist seltsam: Schnitzler ist mit seinem Witz und seinem
Humor zum Lustspieldichter geboren. Er möchte sich aber zum Tragiker
erziehen. So ist auch das Problem des „Zwischenspiel“ eine glän¬
zende Lustspielidee. Der Dichter aber will den Scherz jenes Einfalles
nicht gelten lassen, und bemüht sich eifrig, schweren Ernst in einen Fall
zu legen, über den wir am liebsten mit dem weltüberlegenen Poeten
herzhaft lachen möchten. Der Kapellmeister Amadeus Adams ist mit der
Opernsängerin Cäcilie Ortenberg vermählt. Die Ehe lockert sich. Amadeus