VII, Verschiedenes 6, Grillparzer Preis, Seite 97

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Grillnarzer-Preis
hat eine kleine Liebelei mit einer Schülerin, einer pikanten Gräfin, die
gewiß mehr Talent zur Geliebten als zur Sängerin hat, und Frau
Cäcilie läßt sich von einem Fürsten Sigismund den Hof machen. Da
beschließen die beiden Ehegatten, die ihren Bund auf Wahrheit begründet
haben, einander völlige Freiheit zu gewähren. Sie knoten das Eheband
auf, sie trennen sich als Mann und Weib aber die Kameradschaft
zwischen den mehr künstlerisch als menschlich verwandten Naturen soll
bestehen bleiben. Und was geschieht nun? Amadeus hat das kleine
Abenteuer mit der Gräfin so rasch überwunden und verwunden wie auch
andere Abenteuer gleichen Kalibers. Das sind Erlebnisse, die nur seine
Haut berühren und kaum seine Seele streifen. Cäcilie aber erlebt in
Berlin, wo sie gastiert, seelische Berührungen, ohne sich körperlich etwas
zu vergeben. Sie ahnt Kommendes: eine Liebe, die versinken, eine, die
aufsteigen könnte. Sie entfernt sich, der Freiheit wiedergegeben, viel
mehr von ihrem Gatten als er von ihr, der seine Freiheit als Mänuchen
und nicht als Persönlichkeit genießt. Und als Cäcilie nach Wien zurück¬
kehrt, treibt die Eifersucht, die Cäcilie mit physischem, nicht mit psychischem
Maße mißt, Amadeus in eine neue Phase des Ehelebens. Er betrügt
seinen Kameraden Cäcilie mit der Frau Cäcilie.
Er bricht mit der eigenen Frau die Ehe, eben die Wahrheitsehe,
auf die beide so stolz waren. Und das scheidet sie nun vollends. Die
letzte Liebesnacht war nur ein Zwischenspiel im Auflösungsprozeß. Und
beide tragen schwer und hart an dem Zusammenbruch. Aber dieser
Zusammenbruch lag in der Natur des Verhältnisses. Er war nicht auf¬
zuhalten und — der Mann war der schwächere Teil. Das ist alles in
der zartesten und feinsten Farbe angelegt. Aus dem psychologischen
Grundproblem quellen Liebes= und Eheprobleme und =problemchen wie
die Blumen aus dem Hut des Taschenspielers. Aus jeder Dialogstelle
könnte beinahe ein neues Stück keimen. Aber dieser innere Reichtum des
Werkes ist sein Schaden. Das Stück ist füt den leichten Bau seiner
Handlung allzuschwer mit Psychologie beladen. Wir wissen oft nicht,
ist das eine Weisheit oder Spitzfindigkeit, höchste Erkenntnis, oder bloß
ein geistvolles, dramatisch gefaßtes Apereu.
Die Schwere, mit der der Vorgang die Personen des Stückes
belastet, ist künstlich in das Werk getragen. Die leichten Flügel der
Ider hat der Dichter gestutzt. Und so ist die Komödie ein Drama
geworden, das als Bühnenwerk nicht vollauf befriedigen kann. Wo aber
das Dramatische ausbleiht oder versagt, da hilft der Geist des Poeten
über die gefährliche Steile hinweg, und wenn dieser Geist nicht immer
verständlich ist, so macht ihn das Burgtheater klar. Kainz spielte den
Amadeus mit einer Nervenmeisterschaft, mit einem Reichtum an Gefühl,
daß man diesen komplizierten Charakter in all seinen Sprüngen und
Widersprüchen mit selbstverständlicher Leichtigkeit zu erfassen glaubte.
Fräulein Witt hatte unter ihm einen schweren Stand. Sie kam der
Rolle aber nur in ihren äußeren Umrissen nahe, der in ihr vorborgene
Reichtum erschloß sich nicht, so vieles an Ton und Haltung ihr auch
gelang.