VII, Verschiedenes 6, Grillparzer Preis, Seite 98

Grillbarzer-Preis
Nr. 0.
24
NUN
SAET—



Comentlustspiele.
(Alle Rechte vorbehalten.)

6
„Zwischenspie.
oder:
Der Grillparzerpreis und seine Folgen.
Von S. Nichtich.
Frau Erna. Nelly, ihre Freundin, Witwe. Sie
sitzen, Zigaretten rauchend, beim Tee beisammen.
Erna: Ja, Nelly, mit dem eigenen Mann
ein Liebesabenteuer haben, ihn als glühenden
Werber empfinden —
Nelly: Nun, ich meine, als solchen hast du
ihn ja doch schon einmal vor längerer Zeit kennen
gelernt und empfunden. Er war ja ein genügend
glühender Bräutigam, er hat doch die Brautnacht
kaum erwarten können, wie du mir selbst erzählt
hast
Erna: Ach, das war was anderes, die
legitime Glut. Da ist ihm bloß die Zeit nicht
genug geflogen, aber sicher war ich ihm doch und
eine Brautnacht ist schließlich kein Abenteuer, es
fehlt doch der Reiz der verbotenen Frucht
Nelly: Und nach dem gelüstet's dir?
Erna (träumerisch lüstern, sich zurücklehnend, mit
(sich
halbgeschlossenem Auge, hauchend): Ja
rasch wieder emporrichtend, hell und klar): Aber
eben, mit der Garantie des Erlaubten-
Nelly: So zu sagen, ein bißchen legitimierter
Ehebruch. Schau, schau, das hätte ich meiner
tugendsamen Freundin Erna wahrhaftig nicht zu¬
getraut.
Erna: Was willst du haben, in jedes Einerlei
und beständige Sichgleichbleiben, selbst eines un¬
gestörten Glückes, schleicht sich einmal die Sehn¬
— so stelle
sucht nach irgend einer Abwechslung
ich mir's wenigstens vor, denn so ist's mir seit
einiger Zeit öfters gewesen, so ein gewisser, un¬
gewisser, unklarer Drang, etwas anderes zu erleben,
ein unbeschreiblich ängstigendes Gefühl, vor dem
ich mich eigentlich gefürchtet habe und das doch
wieder so leise=wonnig schaurig war — weißt du,
wie wenn sich das Kind auf einen recht mutwilligen
Streich freut, bei dem man nur ja nicht von
Mama ertappt werden darf, oder gar von Papa —
Nelly: Das heißt hier, vom Herrn Gemahl —
Erna (lebhaft): Ganz richtig, aber so, siehst
du, den Herrn Gemahl wider ihn selber ein
bißchen foppen
Nelly (lachend): Das heißt, ihn unschuldig be¬
trügen —
Erna: Nenn's so — sich von ihm erobern
lassen, oder vielmehr ihn erobern, probieren, ob
man überhaupt das noch imstande ist, ob ich
heute noch denselben Eindruck auf ihn =nachen
könnte, wenn er mich jetzt erst im Leben träfe —
ach, das war ein prächtiger Einfall von den
Grillparzerpreisrichtern, Arthur Schnitzler den Preis
box 40/2
Uelly: Wohl in den Armen —
Erna (wieder mit der still=lüsternen Sehnsucht):
Ja wohl, in den Armen — (schalkhaft) — heißt,
wenn mir die Eroberung gelingt¬
Nelly: Wird's aber Oswald nicht auffallen,
wenn du ihn animieren willst, auf die Redoute
zu gehen?
Erna: Ist gar nicht vonnöten — alles fügt
sich so schön von selbst — er hat mich gefragt,
ob ich was dawider habe, daß er mit ein paar
Amtskollegen irgend eine auswärtige Regierungs¬
säule, die sie hier zu Gaste haben, auf den Masken¬
ball führt —
Uelly (scherzend): Oder er hat vielleicht auch
so eine Abwechslungssehnsucht
Erna (auffahrend, scharf): Das möcht' ich ihm
nicht raten
Nelly: Oho ...! Und du?
Erna (abweisend): Das ist ganz was anderes.
Ich gehe doch nur hin, ihn dort zu suchen —
er aber tät's, nicht mich dort zu finden —
Aelly: Na, na, schon gut. Wie sophistisch wir
Frauen doch sein können, wenn es gilt, uns ein
Vorrecht herauszunehmen, das wir den Männern
Stubenmädchen kommt.
Stubenmädchen: Bitte, gnädige Frau, die
chneiderin (wieder ab).
Erna (aufstehend): Du entschuldigst einen
Augenblick.
Nelly: Ah, bringt sie schon den Domino für
morgen?
Erna: O nein, den habe ich mir bei einer
— inkognito. Man weiß nie,
fremden bestellt
wie man verraten werden kann — durch einen
bloßen Zufall nur. Und Oswald darf doch keine
Ahnung haben — ich habe auch deshalb die Farbe
gewählt, von der er weiß, daß ich sie verabscheue,
ich gehe in gelbem Domino. Nein, die Schneiderin
bringt mir nur etwas recht Uninteressantes, nur einen
Schlafrock — sonst würde ich dich einladen, mit
mir zu kommen. Du weißt, vor dir habe ich kein
Geheimnis — nicht einmal ein Toilettengeheimnis.
Uelly (schaut ihr nachdenklich nach): Ich beneide
sie eigentlich um diesen Einfall und diese Emotion,
dieses Nervenprickeln. Daß ich während meiner
ganzen fünfjährigen Ehe nie auf so was ge¬
kommen bin! Die war doch gewiß das monotonste
Einerlei. Freilich, meinen braven Mann auch erst
noch erobern zu wollen, wäre mir nie eingefallen,
ich habe ihn ja auch nie erobert. so wenig, wie er
mich, er hat mich bloß genommen. Aber, daß
ich überhaupt auf keine sonstigen Gedanken ge¬
raten bin! Und jetzt als Witwe bin ich frei und
dürfte mir manches einfallen lassen — es hat
also nicht mehr den Reiz der verbotenen Frucht
für mich! Glückliche Erna!
Oswald kommt.
Oswald: Ah, gnädige Frau, allein? Wo ist
Erna?
Uelly: Frauenberufsgeschäfte — sie hat mit
der Schneiderin zu verhandeln. Aber ich bin froh,
daß wir einen Moment allein sind, ich hätte
Ihnen sonst fast ein Rendezvous geben müssen.
Oswald: Mir, gnädige Frau? Dann gehe
ich lieber und lasse es darauf ankommen.
Uelly: Bemühen Sie sich nicht mit galanten
Floskeln, Sie unverbesserlichster aller treuen Ehr
männer — die Sache betrifft Erna selbst. Ich
muß Ihnen ein Geheimnis von ihr verraten.
Oowald (leicht erschreckend): Doch nichts
Oswald (sieht sie ratlos an): Ich verstehe wirklich
nicht. Will mich die boshafte Frau hier (auf sie
deutend) noch vor der Redoute intriquieren? — aber
ich bin ein sehr ungeschicktes Objekt für solche
Maskenscherze. Mich quält man nur ganz ernstlich
damit.
Aely (stellt sich lachend vor ihn hin): Was für.
ein jammervolles Gesicht er dabei macht. So ein
treuer Ehemann ist doch wirklich manchmal eine
mitleiderregende Figur. Ich will denn auch barm¬
herzig sein und Sie nicht länger zappeln lassen.
Wissen Sie also, auf wessen Eroberung Erna
ausgeht?
Oswald: Sie foltern mich ja noch immer —
Uelll (ihm mit dem Finger auf die Brust deutend):
Sie zu erobern, zieht sie ins Feld.
Ogwald: Mich? Jetzt verstehe ich erst recht
nicht
Uelly: Es ist doch so einfach verständlich —
wie eine Frau, die gerne in einem modernen
Problemenstück mitspielen möchte. Sie will sich
überzeugen, ob sie noch imstande wäre, ihren
Gatten zum zweitenmale — dranzukriegen, ihn an
sich zu ziehen, auch wenn die Macht der Herzens¬
gewohnheit, die so einen Mustergatten doch jeden
Tag von neuem zu der geliebten Gattin hinzieht,
nicht dabei mitwirkt. Sie will, so zu sagen, mit
sich selber konkurrieren, um zu sehen, ob sie im¬
stande wäre, sich bei Ihnen auszustechen, wenn's
auch nur für eine Stunde wäre, für eine „schwache
Stunde“
Oswald (lachend): Das ist mal wieder eine
Idee! Zu verrückt! Das ist ja noch toller, als
wenn's die Eifersucht wäre. Maskieren will sie
sich vor mir? nicht das Gesicht bloß — meinet¬
wegen, das mag sein, und es wäre möglich, daß
ich sie wirklich nicht erkenne, wenn sie genug
Schauspielerin dazu ist — aber ihr inneres Selbst
will sie auch maskiren und das, meint sie, würde
ich nicht erkennen? Und wenn eine andere dieselbe
Figur, dieselben Bewegungen, den nämlichen Ton
hätte — auf die ersten Worte würde ich heraus¬
hören und herausfühlen, daß es nicht Erna ist.
Es gibt ja keine zweite Erna mehr, sie atmet
ihr und nur ihr eigenes Seelenparfüm
Uelly (ihn etwas brüsk unterbrechend): Dann
brauchte ich Ihnen eigentlich auch nicht weiter zu
verraten, daß sie im gelben Domino sein wird —
die Farbe, die sie nicht ausstehen kann, nur, damit
Sie sie ja nicht erkennen sollen — aber freilich, der
unfehlbare Seelenparfüm. — Indessen, wenn doch
vielleicht nicht gar so untrüglich, so können Sie
sich doch wenigstens an die Farbe halten — Erna
wäre ja untröstlich, wenn ihr die Eroberung
ihres Gemahls mißlänge —
Yowald: Jedenfalls danke ich Ihnen herzlichst,
gnädige Frau. Denn, aufrichtig gesagt, ich habe
wirklich gefürchtet, mich auf dieser Redoute schauder¬
haft zu langweilen — aber nun hat sie doch
einen wonnigen Inhalt bekommen, ich werde mit
meiner Erna ein Liebesabenteuer haben — ich
werde der legitime Liebhaber meiner Frau sein!
Und damit verschwinde ich; Erna braucht nicht
zu ahnen, daß wir miteinander gesprochen haben.
(Küßt Nelly die Hand und geht.)
Aelly (allein): Wie impertinent so ein verliebter
Ehemann gegen andere Frauen sein kann. Provo¬
zierend geradezu! „Es gibt nur eine einzige Erna.“
Na, warte — es gibt doch nicht auch bloß einen
einzigen gelben Domino. Wuchs und Stimme haben
wir ziemlich gleich — man hat uns oft genug für
Schwestern gehalten — na, und das bißchen
„Seelenparsüm“ wird auch zur Not zu beschaffen
sein. (Mit ähnlichem lüsternen Sinnen, wie Erna vorher.)
ig so was wie den Reiz der verbo¬
Da hatte