VII, Verschiedenes 7, Raimund Preis Burgtheaterrring, Seite 13

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Rainund-Preis and Burgtheaterring
Jahrgang XX
Nr. 17
Dr. Bloch’s
Gestrrrrithistht wolhsenschrist.
Zentralorgan kür die gesamten Unteressen des Judentums.

Bezugspreis für Oesterreich:
U k. Postsparkassenamt
Halbjährig 8 Kronen:
Tlearing=Verkehr
Wien, 24. April 1914
Einzelexemplare 50 Heller.
Nr. 810.976.
Für's Rugland:
Redaktion und Administration.
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= Erscheint jeden Freitag. —
Wirn
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II/1, Praterstraße 9
Anzeigen: Die nal gespal¬
Brief=Adresse: Wien, II/1, Praterstraße 9
1
Telefon 14847
tene Petttzeile 48 Heller.
Telegramm=Adresse: Bloch's Wochenschrift, Wien.
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anenen
Inhalt: Leitartikel: Eine unterbliebene Gratulation. — Generalversammlung der israelitischen Allianz — Vom Jahrmarkt des
Lebens: Ehrung eines jüdischen Professors. Ein Monument für jüdische Kriegshelden. Gegen das Missionéunwesen in Palästina.
Ein Herzl=Buch, das nicht erscheinen wird. Die Getauften in der jüdischen Gesellschaft. — Korrespondenzen: Festsitzung des
Vereines zur Unterstützung israelitischer Handwerker und Kleingewerbetreibender in Wien. Programm der weiblichen Fürsorge. Erfolge
jüdischer Patronagetätigkeit. Auszeichnungen in Sarajevo. Rumänien läßt auch in Amerika gegen die Juden hetzen. Ein Protest der
jüdischen Studenten in Jassy. Das hundertjährige Jubiläum der Judenemanzipation in Dänemark. Eine Interpellation wegen der
Pogremagitation in der. Reichsduma. Zum Jubiläum David Frischmanns. Geheilte Volkt verbändler. — Vermischtes —
Feuillzron: Der Jude auf dem Theater. — Literatur. — Briefkasten. — Notizen. — Inserate.
Gchen
Dt
der Stadt Wien als einer ihrer begabtesten Söhne in
Eine unterbliebene Gratulation.
die ganze Welt getragen. Auch wer ihn nicht anerkennen
ill, muß zugeben, daß seine Stücke auf allen Bühnen der
Der Wiener Raimundpreis für Literatur wurde
Welt, in allen Sprachen aufgeführt wurden. Der
heuer von der Jury an die beiden Dichter Holzer und
rauschende Applaus in Hunderten von Theatern enthebt
Schuitzler—verliehen. Es ist eine schöne Sitte, daß der
wohl Artur Schnitzler für Lebenszeit aller Sehnsucht,
Bürgermeister den mit der Auszeichnung bedachten Pocten
den Glückwunsch eines Wiener Bürgermeisters zu emp¬
zu gratulieren pflegt. Auch in diesem Jahre hat man
fangen. Jedoch nicht ihm war man die Gratulationen
daran gedacht, der Freude Ausdruck zu geben, daß das
schuldig, sondern sich. Die Wortführer der Wiener Ge¬
geistige Leben Wiens hervorragende Vertreter hat. Auch
meinde waren verpflichtet, ihrerseits Dank und Aner¬
heuer ist ein Glückwunschschreiben abgegangen, aber nur
kennung einem Manne auszusprechen, der das Wesen
eines. Wie aus einer Interpellation Hohensinners im
Wiens wie kaum ein zweiter erkannt und dichterisch ge¬
Gemeinderat hervorgeht, erhielt bloß Holzer die Gratu¬
schildert hat. Enthusiastisch hat Paris den Poeten ge¬
lation, Schnitzler aber nicht. Der Grund ist leicht be¬
feiert, welcher der Grisette ein geistiges Denkmal gesetzt
greiflich. Holzer ist Arier, Schnitzler aber nur Jude.
hat. Dem Herold des „Süßen Wiener Mädels“ jedoch
Das sagte nun der Bürgermeister Weiskirchner in seiner
ist man ein paar anerkennende Worte schuldig geblieben.
Antwort auf die Interpellation nicht. Er erzählte bloß
Schnitzler hat die Großstadt geistig nochmals aufgebaut,
ausweichend, er selbst wäre auf einer Reise gewesen, als
indem er alle Schichten ihrer Gesellschaft plastisch und
die Gratulation erfolgte, und diese könne nun nach der
unübertrefflich schilderte, bis vielleicht auf den Kreis
Interpellation nicht mehr erstattet werden.
der Arbeiter, dessen literarische Verwertung wir vermutlich
Es wäre nun weitaus schöner und mutiger gewesen,
seinen reiferen Jahren zu danken haben werden. Er ist
wenn der Bürgermeister das wirkliche Motiv für die
jedoch bei seiner reichen Begabung durchaus nicht ein¬
Unterlassung angegeben hätte. Er hat dies jedoch offenbar
seitig gewesen und hat alle die weltbewegenden Probleme
aus dem Schamgefühl eines Mannes heraus nicht gesagt,
und Ideale der Menschheit wie ein Mediziner seziert und
welcher sich der Bedeutung des Poeten Schnitzler bewußt
ist in ihren Kern vorgedrungen. So hat er nicht nur sich,
ist und das Vorgehen gegen ihn als eine krasse Satyre
sondern auch seine Vaterstadt berühmt gemacht und die
empfindet, welche sich gegen die Christlichsozialen kehrt.
Auge der ganzen Welt auf sich gelenkt. Sein 50. Ge¬
Das Können und Streven des sympathischen Holzer in
burtstag hat gezeigt, was der Dichter von „Anatol“
allen Ehren, aber er wird wohl selbst sagen, wie hoch
„Der grüne Kakadu“, „Lebendige Stunden“, „Liebelei“,
ihn Schnitzler als Erzähler und Dramatiker überragt.
„Zwischenspiel“, „Der einsame Weg“, „Der junge Me¬
Zur Komödie aber wird der Unterschied, wenn man
dardus“ bedeutet. Da feierten ihn die internationale
Schnitzler dem Manne gegenüberstellt, der ihm gratulieren
Presse und die internationale Kulturwelt — jetzt übersah
sollte und dies nicht tat. Der geübte Wiener Zeitungs¬
ihn ein Wiener Vizebürgermeister.
leser wird vielleicht wissen, wie der und jener Wiener
Es ist bekannt, daß die Wiener Christlichsozialen
Vizebürgermeister heißt, den der Zufall in sein Amt
sehr empfindlich sind gegen den Vorwurf, ein bildungs¬
gebracht hat und der vergessen ist in dem Augenblick,
feindliches Element zu sein. In der neueren Zeit be¬
in welchem er es verläßt. In einer Entfernung von
fleißigt sich sogar einer ihrer Ordenskomthure und Chef¬
wenigen Kilometern aber denkt niemand mehr an den
redakteure, gebildet und philosophisch zu tun und sich
Mann, der als Vizebürgermeister der Hauptstadt Ge¬
in Leitartikeln an die Hofräte zu wenden. Wenn es jedoch
schäftsstücke erledigt und zeitweise den Vorsitz führt. Der
dazu kommt, wird der Pferdefuß schon hervorgestreckt.
Dichter jedoch, für welchen kein Geschäftsstück mit einer
Gratulation ausgefertigt wurde, hat Ruf und Ruhm Abgesehen von der Ritualmordhetze, die ein besonderes