VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 35

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0. Anftiseni 11—
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em deutsch onerreitbischen Aivenverein kommt 8#
Verdienst zu, lange vor dem Ausbruch des Dritten
Reiches in seine Statuten einen sogenannten „Arier¬
Paragraphen“ ausgenommen zu haben. In einer Zeit,
da die Vertreter der ernst zu nehmenden Rassen¬
Wissenschaft noch ihrer Ueberzeugung Ausdruck geben
durften, daß der Begriff des „Ariers“ ein wissen¬
schaftlich unhaltbarer Begriff sei, bestanden die deutsch¬
österreichischen Bergsteiger trodem auf der Berech¬
#tigung, sich als Arier zu fühlen und als Angehörige
einer rassenmäßig tausendfach gekrenzten Alpenbevöl¬
kerung die holde Illusion der eigenen Raisenreinheit
nähren zu dürfen.
Heute aber läßt diese Errungenschaft der Berg¬
steiger gar manchen österreichischen Schriftsteller
nicht mehr schlafen; der Gedanke, daß in Oesterreich
Menschen zur Feder greifen könnten, die den neu¬
deutschen Rasse= und Zuchtvorschriften nicht genügen.
läßt sie nicht zur Ruhe kommen. Sie wollen nicht
schlechter gestellt sein als die Bergsteiger und haben
sich vom Christkind ausdrücklich die Einführung des
Arier=Paragraphen gewünscht. Es gibt nämlich bis¬
her in Oesterreich den offiziellen deutsch=österreichischen
Schriftsteller=Verband, der eine lose Organisation der
Schriftsteller ist und zum Leidwesen der auf Rasserein¬
heit haltenden Dichter keinen Arier=Paragraphen
führt.“
Aber das soll jetzt anders werden. Es existieren in
Oesterreich eine ganze Anzahl hoffnungsvoller Talente,
deren Ehrgeiz darin besteht, nicht nur gute und er¬
folgreiche Stücke zu schreiben, sondern mit ihren
schriftstellerischen Erzeugnissen nebenbei auch noch
geistig die „Inn=Linie“ zu überwinden; das heißt:
wenn es im Dritten Reich eine Reglementierung der
Geister gibt, wenn dort das Blut den Vorrang vor¬
dem Geist hat, so will dieser Typus österreichischer
Schriftsteller nicht schlechter gestellt sein. Auch sie wün¬
ischen in den Bezirken des Geistes eine Rassenpolizei
herbei und der Gedanke, daß der Geist in Oesterreich
wehen könnte, wie er will, erscheint ihnen unerträg¬
lich. Und so fand denn in Wien zu Weihnachten im
„Deutschen Haus“ die Gründung des „Bundes der
jdeutschen
Schriftsteller
Oesterreichs“
statt, der eine „klubmäßige Zusammenfassung arischer
Dichter und Schriftsteller sein und dessen Tätiakeit
die Gründung der geplanten Schrifttumskammer
in Oesterreich vorbereiten helfen soll". Dieser
neue Klub österreichischer Schriftsteller ist eine
auch in unserer kuriosen Gegenwart merkwür¬
dige Erscheinung; die deutschen Schriftsteller, die
man, ohne sie lange zu fragen, in den diversen
Rayons der Reichskulturkammer eingesperrt hat, kön¬
nen zu ihrer Entschuldigung anführen, daß sie sozu¬
sagen über Nacht durch die politischen Ereignisse über¬
wältigt worden sind, außerdem hängt über ihnen je¬
den Moment das Damoklesschwert des „Berufstodes“;
jund so hüllen sich denn gerade die besten unter ihnen
sin ein vielsagendes und allmählich beinahe hörbares
Schweigen. Hier aber, tun sich aus freien Stücken
deutschsprachige Schriftsteller zusammen, weil sie sich
von seiten eines Staates, der ihnen noch zu lax ist,
Zwangsmaßnahmen geradezu herbeisehnen: sie wollen
Zwangsmaßnahmen gegen ihre schreibenden Kollegen,
wenn es bei denen etwa mit der Großmutter nicht
stimmen sollte“ und sie können es gar nicht erwarten,
bis ihnen auch der österreichische Staat eine Kultur¬
kammer mit den dazu gehörigen Maulkörben beschert.
Den Vorsitz dieser kultur= und zeitgeschichtlich inter¬
essanten Vereinigung der rassereinen Dichter führt der
Tatholik Max Mell, der damit beweist, daß man
zwar zart hingehauchte Apostelspiele schreiben, aber
doch in geistigen Dingen robust wie ein Bergsteiger
denken kann. Im Vorstand finden wir die Namen
der Schriftsteller Wladimir v. Hartlieb, Hermann
Heinz Ortner, Franz Spunda, einen Dichter mit dem
germanischen Namen Mirko Jelusich, Max Stebich,
Hermann Grädener, Friedrich Schreyvogel (der Ueber¬
setzer der „Ersten Legion“) und Josef Weinheber. Der
Träger des österreichischen Staatspreises Josef Wen¬
#ter wurde zum Vorsitzenden des Ehrenrates berufen.
Einen Ehrenrat haben sie also auch schon. Ich stelle
mir vor, daß er die Aufgabe hat, im Zweifelsfalle
durch Blutproben die Frage der Rassereinheit der
Vereinsmitglieder zu klären. Interessant ist übrigens,
daß der Bundesminister für Kulturpropaganda, Hans
v.
Hammerstein=Equord (der kurioserweise gute Be¬
ziehungen zu dem neuen Beermann=Fischer=Verlag
unterhält), den neuen Dichterklub mit der Hoffnung
begrüßt hat, daß dieser sich bereitwillig in den kul¬
turellen Aufbau Oesterreichs eingliedern werde.
Und während ich nochmals die Namensliste dieser
österreichischen Schriftsteller überlese, die den Vorrang
des Blutes vor dem Geist zum Gesetz erheben wollenz
fallen mir die Namen von einigen österreichischen
Schriftstellern von internationaler Geltung ein, die
vor dem Aufnahme=Gremium dieses merkwürdigen
Klubs der rassereinen Dichter keine Gnade gefunden
hätten: Arthur Schnitzler, Hugo v. Hofmannsthal,
Peter Altenberg und####tnot least — der im vori¬
gen Jahr verstorbene große Zeitkritiker Karl Kraus..
Welch ein Glück für die Gründer dieses Klubs der
arischen Schriftsteller, daß Karl Kraus nicht mehr
lebt und daß sie, unbedroht von seinem tödlich=vernich¬
tenden Spotte ihre Gründungsversammlung hinter
II. L.
sich bringen konnten!