VII, Verschiedenes 10, Antisemitismus, Seite 36

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0. Antisenitien
seine Ausführungen. So schreibt Dr. Pistiner: „Den Judentum und seine geistigen Werk
Wir spielten mit den heiligsten Gütern des deutschen Vol¬
großen Menschheitstaten der Geschich
Juden daraus einen Strick zu drehen, daß sie in dieser
kes und trieben zuweilen auch noch Spott mit all dem, was
Christus, Spinoza, Marx werden
der Nation heilig ist. Wir spielten uns als die Sittenrichter
(deutschen) Kultur ein= und aufgingen“ — das ist Czer¬
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Menschheit genannt...
des deutschen Volkes auf und gossen aus vollen Schalen
nowitzer Deutsch! — „dazu gehört eben jener unver¬
Satiren über das Haupt des deutschen Michel. Wir machten
Dieser Haß, diese maßlose Überhel
frorene pöbelhafte Nationalwahn, wie er sich jetzt in
Marx, Lassalle, Bernstein, Luxemburg,
Revolutionen
gerade, deren das deutsche Volk siche
Deutschland austobt". Oder — Dr. Teich im „Czerno¬
Eisner. Und dagegen lehnte sich die deutsche Nation auf,
lich von sich abschütteln will. Zur R
revoltierte. Sie wollte ihr Schicksal selbst schmieden. Und das
witzer Morgenblatt": „Denn der „Geist“ der vom Drit¬
Abwehr bedarf es zwar nicht erst jüd
durfte ihr nicht verargt werden.“
ten Reich kommt, ist Rückfall in die Zeit, da wilde Hor¬
nisse, wie Dr. Reifer sie seinem Vo
Der Antisemitismus als die Abwehr
den Met tranken, um Weiber und Tiere würfelten und
solche Selbsterkenntnis zeigt den We
des Antigermanismus — das ist der Sinn der
lächelnd Menschen gemordet haben. Wir werden unsere
des jüdischen Problems über die i
Darlegungen Dr. Reifers. Haben wir Juden selbst es
Fahne hoch halten, bis uns und der ganzen
[Menschheit Gerechtigkeit widerfahren wird... Das wendigkeiten des Tages hinaus.
denn anders gemacht, fragt er weiter? Haben die Mak¬
kabäer nicht auch Kampf geführt gegen fremde, unjüdische
Art? Haben wir nicht die Samariter aus unserer Ge¬
meinschaft ausgeschlossen? „Wir müssen lernen, den Gang
der Geschichte zu verstehen, wenn dieser Weg auch mit
jüdischem Blut bespritzt ist.“ Dr. Reifer geht aber noch
weiter: Das Schicksal, das die Assimilanten über die
Juden Deutschlands heraufbeschworen haben, das kün¬
digt er heute schon auch den Juden Rußlands an;
denn an den Verbrechen des kommunistischen Systems
seien Juden führend beteiligt, zugleich vollziehe sich ein
ungeheurer Assimilationsprozeß, der böse Folgen haben
werde. Etwaige Einwände, daß die Lage der Juden in
Italien, Frankreich, England seine Auffassung wider¬
lege, weist Dr. Reifer von vornherein ab: In Italien
zum Beispiel gäbe es weniger Juden als
in Czernowitz allein, aber auch dort und ebenso
in den anderen Staaten seien Anfänge einer antijüdischen
Bewegung zu verzeichnen.
Was Dr. Reifer als Lösung des Judenproblems vor¬
schlägt, kann nicht zweifelhaft sein; er will einen Modus;
vivendi zwischen Mehrheits= und Minderheitsnation her¬
stellen. Wenn auch Palästina heute noch nicht eine be¬
friedigende Antwort auf die Judennot geben könne, und
zwar, wie er ausdrücklich hervorhebt, weil die Juden
selbst es nicht wollten und die Zeit verpaßten, so müsse
es doch ausgebaut werden als Heimat des Judentums.
Sei es auch nur als ideelle Heimat der außerhalb Palä¬
stinas verbleibenden jüdischen Volksgruppen, die erst
dann wieder einen Rückhalt bekämen. „Und dann wird:
sich auch die Lage der Juden in der übrigen Welt ver¬
bessern. Man wird sie achten, schätzen als Zweige einer;
großen jüdischen Gemeinschaft in Palästina.“
Man kann sich leicht vorstellen, daß dieser Aufsatz wie
eine Bombe eingeschlagen hat. Die Judenschaft von
Czernowitz tobt, denn sie weiß, daß jetzt „das große Auf¬
bauwerk der Verteidigungsstellung zertrümmert ist". Da¬
her die groben Beschimpfungen Dr. Reifers. „Konjunk¬
turbeflissen beschmutt er das eigene Nest“, schreibt ein
Dr. Pistiner; seine „zynische, gottverlassene schwarze¬
Vision“ wird ein „fluchwürdiges Attentat“ ein „unge¬
heuerliches Dokument samoser Unwissenheit, Sklaven¬
moral und nationaler Persidie“ genannt. Man verhöhnt?
den Autor; er habe wohl „mit Hermannt dem Chernsker;
im Teutoburgen Wald Eicheln gegessen“, und man ver¬
dächtigt ihn in ganz typisch jüdischer Weise: weil Doktor
Reifer den Aufsatz in Franzensbad geschrieben hat, sucht
man ihn als Produkt einer Krankheit hinzustellen.
Aber diese wilden Aufschreie zeigen doch nur, wie tief
und fest der Pfeil sitzt. Ja, gerade die gehässigsten An¬
griffe gegen Dr. Reifer sind die besten Beweismittel für
Mittwoch, 4. Oktober, 20 Ul
Großer Konzerthaussaa
Mitwirkende: Das „Wiener Richard Wagner=Orchesten